Читать книгу Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ) - Alexandra Lavinia Zepter - Страница 31
3.3 Zur Rolle von Chunks beim Sprachgebrauch und im Spracherwerb (L1 und L2)1
ОглавлениеDas englische Wort ChunkChunks bedeutet ins Deutsche übersetzt ‚Brocken‘, ‚großes Stück‘, ‚Klumpen‘, ‚Klotz‘ oder ‚Segment‘. In der Sprachtheorie bezeichnet man als Chunks sprachliche Sequenzen von unterschiedlicher Komplexität, die als Ganzes gespeichert und abgerufen werden. Als holistische Einheitholistische Einheit belasten sie das ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis weniger als die Komposition ihrer einzelnen Bestandteile (vgl. Miller 1956). L1-Sprecher:innen machen regen Gebrauch von Chunks und erreichen so eine enorme Geschwindigkeit in der Sprachverarbeitung (u.a. Pawley & Syder 1983) – sowohl bei der Produktion als auch bei der Rezeption (Aguado 2014).
Auch die Sprache von L2-Lernenden gewinnt mit dem Gebrauch von Chunks an Flüssigkeit und Natürlichkeit (Stengers et al. 2011). L2-Lernende, die sich geschickt mit situationsangemessenen Chunks zu verständigen wissen, wähnt man schnell auf einem hohen Sprachniveau und ist überrascht, wenn Folgeäußerungen dem nicht mehr entsprechen. Für Lehrkräfte ist es oft nicht leicht zu entscheiden, ob die/der Lernende eine Struktur als memorisierte Sequenz oder unter Anwendung der Regel eigenständig produziert.
Das „ChunkingChunking“ sollte dabei nicht negativ bewertet werden, es handelt sich um eine zu unterstützende Erwerbs- bzw. Lernstrategie (u.a. Handwerker 2008). Über ein umfangreiches Chunk-Repertoire zu verfügen, ist schließlich nicht nur für den Sprachgebrauch, sondern auch für den Grammatikerwerb von Vorteil, denn es kann als Induktionsbasis für das Erschließen von Regelhaftigkeiten der Zielsprache zur Verfügung stehen.
Im L1-Erwerb gebrauchen Kinder zunächst unanalysierte Einheiten und generieren sukzessive aus der Chunk-Basis über verschiedene Abstraktionsstufen die zugrundeliegenden Konstruktionen (u.a. Tomasello 2006; siehe oben, Kap. 3.2).
Auch im kindlichen L2-Erwerb gibt es Hinweise darauf, dass Sequenzen aus dem zielsprachlichen Input als Chunks gespeichert werden, die dann als Basis für spätere Analyseprozesse dienen (u.a. Wong Fillmore 1976). Jugendliche und erwachsene L2-Lernende verwenden zwar ebenfalls Chunks, scheinen diese aber weniger nutzen zu können, um daraus Regelhaftigkeiten zu extrahieren (Aguado 2014). Ältere Lernende achten offenbar mehr auf einzelne Wörter und weniger auf Wortsequenzen und Syntagmen (Handwerker & Madlener 2009). Möglicherweise ist dies eine Folge des im Fremdsprachenunterricht immer noch praktizierten Vokabellernens (Aguado 2014).
Alle L2-Lernenden sollten darin unterstützt werden, die Potenziale des Chunkings für den Sprachgebrauch und vor allem auch für den Grammatikerwerb zu nutzen. Beispielsweise wird mit einem vorstrukturierten Input, der in verständlichen situativen Kontexten wiederkehrend gleiche und leicht modifizierte Chunks anbietet, zunächst erreicht, dass die Lernenden die Chunks situativ angemessen und korrekt gebrauchen, ohne sich deren atomarer Bestandteile bewusst zu sein. Grammatikerwerb beginnt dann, wenn die Lernenden im Input ähnliche Chunks identifizieren, wie etwa mit dem Stift, mit der Schere, mit dem Lineal, und am Artikel Gleiches und Unterschiedliches bemerken (Bischoff & Bryant 2020). Das Entdecken von Regelhaftigkeiten kann z. B. durch Markierungen oder auch gezieltes Fragen beschleunigt werden. Der vorstrukturierte Input mit ähnlichen Chunks hilft (den jüngeren Lernenden besser als den älteren), Muster und zugrundeliegende Konstruktionen zu erkennen. Bei Schüler:innen und Erwachsenen sollte dieser Prozess explizit (metasprachlich) unterstützt werden (Handwerker & Madlener 2009).