Читать книгу Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ) - Alexandra Lavinia Zepter - Страница 33
3.5 Zur Relevanz von Input, Output und Interaktion im L2-Erwerb
ОглавлениеInputInput ist nicht gleichzusetzen mit IntakeIntake – mit dem, was tatsächlich auf der Rezipierendenseite aufgenommen wird. Input wird von Lernenden selektiv wahrgenommen. Der Input-Processing-Ansatz (u.a. van Patten 1996, 2004) versucht zu erklären, warum der Input nicht unmittelbar zum Intake wird: Die InputverarbeitungInputverarbeitung findet im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis statt – zuständig für eine vorübergehende Speicherung. Das Arbeitsgedächtnis hat eine nur geringe und zeitlich begrenzte Speicherkapazität, die es optimal zu nutzen gilt. Hierfür folgen die Lernenden in frühen Erwerbsphasen dem „Primacy of Meaning PrinciplePrimacy of Meaning Principle“, demzufolge im Prozess der Inputverarbeitung die Bedeutung im Vordergrund steht, formbezogene Aspekte spielen eine nachgeordnete Rolle (van Patten 2004: 14). Aufgrund der begrenzten VerarbeitungskapazitätenVerarbeitungskapazitäten gelingt es Lernenden oftmals nicht, gleichzeitig auf Inhalt und Form zu achten. Grammatische Einheiten und strukturelle Regelhaftigkeiten bleiben daher oft lange unerkannt. Maßnahmen, die die Lernenden in Bezug auf die für sie im Vordergrund stehenden Inhalte entlasten (z. B. handlungsbegleitendes Sprechen, Parallelisierung von Sprache und Bild; siehe Teil II, u.a. Kap. 5, 9, 15), setzen Kapazitäten frei, um auf Wortstellungsregularitäten und grammatische Formen zu achten, sodass eine simultane Verarbeitung von Inhalt und linguistischer Form möglich wird (Bischoff & Bryant 2020: 295).
Die Frage, wie aus Input Intake werden kann, beschäftigt die Forschung bereits seit den 1980er Jahren. Einige der zentralen Hypothesen zu Input und Output seien im Folgenden kurz zusammengetragen. Die Input-HypotheseInput-Hypothese von Krashen (1985) besagt, dass Sprachaneignung dann erfolgt, wenn der Input verständlich ist und ein wenig über dem Niveau der bereits beherrschten Sprache (= „i“) liegt – ausgedrückt mit der Formel „i+1“. Der sprachliche und situative Kontext sollte so gestaltet werden, dass die noch unbekannten Aspekte verstanden werden können.
Allein auf der Basis von Inputverarbeitung wird die L2-Entwicklung allerdings noch nicht hinreichend vorangetrieben. Sprachverstehen ist möglich, auch ohne den Input bis ins letzte Detail analysiert zu haben. Wie u.a. Swain (1985) und Swain & Lapkin (1995) betonen, sind Sprachlernende nur dann, wenn sie selbst Output erzeugen, wirklich gezwungen, sich der Formseite der Sprache zu stellen und ihre eigenen Strukturen mit denen der Zielsprache zu vergleichen und dabei gegebenenfalls Differenzen und auch Lücken im Ausdrucksrepertoire zu bemerken (→ Output-HypotheseOutput-Hypothese).
Output-Hypothese
Nach der Output-Hypothese von Swain (1985) ist eine notwendige Bedingung für die zielsprachlich korrekte Verwendung einer L2, dass Lernende die Möglichkeit erhalten, diese sowohl mündlich als auch schriftlich produzieren zu können. Dabei ist nicht nur der frequente Gebrauch der L2 entscheidend, sondern auch die Beschaffenheit des produzierten Outputs. Lernende müssten dazu veranlasst werden („pushed“, ebd.: 249), Output zu generieren, der nicht nur verständlich, sondern in einem bestimmten Kontext als adäquat betrachtet werden kann. Angelehnt an Krashens Input-Hypothese (1985), bei der ein Input als relevant für den Spracherwerb erachtet wird, der leicht über dem bereits erreichten Sprachniveau der Lernenden liegt, sollten die Lernenden dazu gebracht werden, ihren Output auf eine nächste „Stufe“ zu bringen (Swain 1985: 249). Es geht um einen Sprachgebrauch, „der in Bezug auf seinen Informationsgehalt und/oder seine grammatikalischen, soziolinguistischen oder diskursiven Merkmale eine verbesserte Version einer früheren Version ist” (Swain 2005: 473; eigene Übersetzung).
Das Generieren von Output kann neben einem flüssigeren Sprachgebrauch drei weitere Funktionen übernehmen (vgl. Swain 2005: 474–478):
(i) NoticingNoticing/Triggering: Wenn Lernende Output produzieren, müssen sie aktiv nach zielsprachlich korrekten Strukturen und passendem Wortschatz suchen, damit sie ihr Anliegen verständlich machen können. Dieser Suchprozess kann dazu führen, dass ihnen ihre sprachlichen Einschränkungen bewusst werden und sie gegebenenfalls ihre Aufmerksamkeit im Folgenden auf die relevanten Strukturen im Input richten. Wenn Lernende bemerken, dass ihre Äußerung fehlerhaft (oder nicht angemessen) war, kann dies ein wichtiger Schritt hin zu einem korrekteren Sprachgebrauch bedeuten.
(ii) Hypothesis-Testing: Der generierte Output dient Lernenden als Hypothese und anhand der Reaktion der Interaktionspartner:innen können sie einen Abgleich zwischen ihrer Äußerung und der zielsprachlich korrekten Form vornehmen.
(iii) Metalinguistic reflection: Eventuelle sprachliche Abweichungen von der L2 bieten (wenn bemerkt) den Lernenden die Möglichkeit, diese auf einer metalinguistischen Ebene zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren. „Die These ist, dass die Verwendung von Sprache, um über die von anderen oder von sich selbst produzierte Sprache zu reflektieren, den Zweitsprachenerwerb fördert“ (Swain 2005: 478; eigene Übersetzung).
Im Fokus der Noticing-HypotheseNoticing-Hypothese von Schmidt (1990) steht der Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit und Inputverarbeitung. Erst durch das Bemerken bestimmter Aspekte im Input werden diese zum Intake – eine Voraussetzung, um weiteren Verarbeitungsprozessen zugeführt zu werden, die schließlich im Erwerb münden (können). Die sich hieraus ableitende didaktische Frage lautet: Wie lässt sich in einem bedeutungsorientierten Unterricht die Aufmerksamkeit auf sprachliche Formen lenken, um deren Aneignungsprozess anzustoßen (s. Kap. 3.6)?
Noticing-Hypothe seNoticing-Hypothese
Schmidt (1990) beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle das BewusstseinBewusstsein (consciousness) bei der Sprachaneignung spielt. Consciousness as awareness kann nach Schmidt in drei Ebenen unterteilt werden: Perception (WahrnehmenWahrnehmen), Noticing (BemerkenBemerken), Understanding (VerstehenVerstehen) (Schmidt 1990: 132). Die drei Ebenen werden im Folgenden an einem Beispiel näher erklärt, das von Schmidt (1990) übernommen und leicht modifiziert wurde.
Perception bedeutet, dass im Zuge von Wahrnehmung eine mentale Repräsentation eines externen Einflusses erzeugt wird. Wenn eine Person einen Text liest, dann nimmt er/sie die syntaktischen Strukturen, denen sich der Schreibende bedient hatte, wahr (im Sinne von Perception) und es entsteht eine mentale Repräsentation. Die Strukturen sind der Person jedoch nicht bewusst zugänglich, da die Aufmerksamkeit auf dem Inhalt des Textes liegt.
Die Person könnte sich nun jedoch dazu entschließen, ihre Aufmerksamkeit willentlich auf die syntaktischen Strukturen des Textes zu lenken oder farbliche Hervorhebungen einiger syntaktischer Strukturen im Text könnten sie hierzu veranlassen. Die syntaktischen Strukturen würden somit von der Ebene der Perception auf die Ebene des Noticing gebracht werden und von der Person bemerkt werden.
Die dritte Ebene Understanding ist eine noch höhere Stufe des Bewusstseins und beinhaltet z. B. das Wissen über die Grammatikregeln der bemerkten syntaktischen Strukturen im Text.
Schmidt geht nun davon aus, dass für die Sprachaneignung vor allem Bewusstsein im Sinne des Noticing notwendig ist, damit Input weiterverarbeitet werden kann und zu Intake wird („intake is that part of the input that the learner notices”, Schmidt 1990: 139). Bewusstsein im Sinne von Understanding könne zwar eine unterstützende Funktion für die Sprachaneignung annehmen, stelle jedoch keine Voraussetzung dafür dar (Schmidt 2012: 32).
Die InteraktionshypotheseInteraktionshypothese (u.a. Long 1996) betont die Relevanz interaktiver Aufgaben für die Sprachentwicklung. Eine erfolgreiche Interaktion setzt voraus, dass man sein Gegenüber versteht und dass man auch selbst verstanden wird. Die Lernenden erleben sich in der Interaktion einerseits als Rezipierende von Input, den es zu analysieren und zu verstehen gilt. Andererseits agieren sie selbst als Sprachproduzierende und müssen Output generieren, der für die Empfänger:innen verständlich ist. Bei Unverständlichkeit wird nonverbal und/oder verbal (durch Nachfragen) reagiert und es muss eine sprachliche Modifizierung bzw. Vereinfachung vorgenommen werden. Der Input wird somit verständlicher. Während des Aushandelns der Bedeutungsunklarheiten ist die Aufmerksamkeit auch auf die Formseite der Sprache gelenkt, ohne jedoch den Fokus auf die Bedeutungsseite zu verlieren.
Zweifelsohne steckt in interaktiven Aufgaben und dem Aushandeln von Bedeutung sprachmotivierendes Potenzial (u.a. Pica et al. 1993; Pica 1994). Skehan & Foster (2001) geben allerdings zu bedenken: Der Ansatz der BedeutungsaushandlungBedeutungsaushandlung (“negotiation of meaning approach”, ebd.: 186) „leads to whatever use of form is necessary to get the job done, without automatic need to be correct, complete, or complex” (ebd.: 187). Es bedarf daher sprachanregender Aufgaben, die auch gezielt die Form mit in den Blick nehmen (s. Kap. 3.6 und Kap. 4.2).