Читать книгу Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ) - Alexandra Lavinia Zepter - Страница 21
2.3 Sprachverarbeitung und körperliche Erfahrungsspuren: Evidenz durch ReaktionszeitexperimenteReaktionszeitexperimente
ОглавлениеDie enge Verknüpfung von Sprache und nicht-sprachlichen Erfahrungen bei der Bedeutungskonstitution konnte inzwischen auch durch bildgebende Studien untermauert werden. So fanden beispielsweise Hauk, Johnsrude & Pulvermüller (2004) in einer EEG-Studie heraus, dass die visuelle Präsentation von Verben wie lick (‚lecken‘), pick (‚greifen‘) oder kick (‚treten‘), die das Gesicht, die Hand oder den Fuß involvierende Tätigkeiten beschreiben, zu unterschiedlichen Aktivierungen in den korrespondierenden Arealen des motorischen und prämotorischen Kortex führen. Also das alleinige Lesen des Wortes pick bewirkt ein kortikales Aktivierungsmuster, das zumindest teilweise der Aktivierung einer tatsächlichen Greifhandlung entspricht (Bryant et al. 2018: 33f.).
Aber auch behaviorale Untersuchungen, bei denen die Proband:innen auf sprachliche Stimuli mit bestimmten Verhaltensmustern reagieren, liefern empirische Evidenz für den Ansatz der Erfahrungsspuren – so auch die zahlreichen Reaktionszeitexperimente der Embodied-Cognition-Forschung. Deren Ergebnisse stützen die Annahme, dass bei der sprachlichen Verarbeitung von Bedeutung, die in der einen oder anderen Weise etwas mit Bewegung oder Wahrnehmung zu tun hat, die gleichen kognitiven Bereiche beansprucht werden wie bei originärer Bewegung und Wahrnehmung.
Bevor wir auf einige Reaktionszeitexperimente etwas genauer eingehen, vorab ein kurzer Einblick in die zugrundeliegende Logik der experimentellen Vorgehensweise: In der Regel müssen die Proband:innen beurteilen, ob ein Satz sinnhaft (Der Mann öffnet die Tür) ist oder nicht (Die Banane öffnet das Wasser). Dies sollen sie so schnell wie möglich tun. Die Reaktionszeit, die sie benötigen, um auf eine bestimmte Antworttaste zu drücken, wird gemessen. Die Proband:innen halten die Identifikation von Sinnhaftigkeit für ihre einzige Aufgabe, auf die sie daher ihre volle Aufmerksamkeit richten. Verborgen bleibt ihnen das eigentliche Forschungsinteresse: Um zur Antworttaste zu gelangen, müssen die Proband:innen eine bestimmte Bewegung ausführen und diese Bewegung ist entweder passend zur Bedeutung des sinnhaften Satzes oder konfligiert mit ihr.
Welche Überlegungen stecken hinter diesem Setting? Wenn Sprachverarbeitung nichts mit originärer Bewegung zu tun hat, dann sollten auch keine Unterschiede in den Reaktionszeiten auftreten. Wenn dagegen bei der Sprachverarbeitung über Erfahrungsspuren von Bewegung die gleichen kognitiven Bereiche aufgerufen werden wie bei tatsächlichen Bewegungen, dann sollten Sprachverarbeitungsprozesse und Bewegungsprozesse ggf. miteinander in Konflikt geraten können, was sich in einer längeren Reaktionszeit niederschlagen sollte. Umgekehrt wäre bei einer Passung von Satzbedeutung und ausgeführter Bewegung eine kürzere Reaktionszeit zu erwarten. Derartige Befunde würden belegen, dass der kognitive Prozess des Satzverstehens aufs Engste mit der kognitiven Aktivierung von motorischen Prozessen verknüpft ist. Ebendiese Evidenz für Embodied Cognition und Erfahrungsspuren im Prozess der Sprachverarbeitung liefern die folgenden experimentellen Studien – für die Satzebene wie auch für die Wortebene.