Читать книгу Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ) - Alexandra Lavinia Zepter - Страница 5
Zur Einführung in das Lehr- und Praxisbuch
ОглавлениеIm Rahmen von performativen Zugängen zu sprachlichem Lernen erhalten der sich bewegende Körper, das eigene ästhetische Wahrnehmen, Fühlen, Handeln und Erleben oder auch das kreativ-spielerische Gestalten, Darstellen, Inszenieren von Sprache zentrale Bedeutung. In den letzten Jahren rücken diese Aspekte auch im Bereich des Erwerbs von Deutsch als Zweitsprache und Sprachbildung im Unterricht vermehrt in den Blick.
Sondiert man allein nur die jüngst erschienene Literatur zu den verschiedenen Facetten des ästhetischen und performativen Lernens im DaZ-/DaF-Unterricht sowie im sprachheterogenen inklusiven Unterricht, wird schnell deutlich, wie groß das Interesse an dem Thema ist. Moraitis et al. (2018) stellen z. B. bei einem Fokus auf kulturelle Bildung ein breites Spektrum an Projektberichten zur Sprachförderung durch kulturelles und ästhetisches Lernen vor. Ein ‚Varieté der Vielfalt‘ entfalten auch Mayer, Geist & Krapf (2018), wenn sie ästhetisches Lernen in Sprache, Spiel, Bewegung und Kunst ausloten. Von Sambanis & Walter (2019) werden, u.a. neurodidaktisch perspektiviert, diverse Theaterimpulse zum Sprachenlernen dargelegt. Einen weiten Fächer unterschiedlicher performativer Zugänge in der Sprach-, Literatur- und Kulturdidaktik diskutieren auch Even, Miladinović & Schmenk (2019). 2020 widmet die Zeitschrift Fremdsprache Deutsch gar ein eigenes Themenheft der „Performative[n] Didaktik“ (Heft Nr. 62); und Dorner-Pau (2021) legt eine Monographie vor, die auf performative Verfahren zur Förderung von Kompetenzen des Beschreibens in sprachlich heterogenen Grundschulklassen fokussiert. Als besonders einschlägig hat sich nicht zuletzt Bernstein & Lerchners Band „Ästhetisches Lernen im DaF-/ DaZ-Unterricht. Literatur – Theater – Bildende Kunst – Musik – Film“ (2014, in der Reihe Materialien Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (MatDaF)) erwiesen; deklariert ihn doch der Fachverband Deutsch als Fremdsprache in seinem Rechenschaftsbericht 2020/21 als den absoluten Spitzenreiter im Feld der rezipierten Bände.
Wir können nicht alle impulsträchtigen Werke nennen, alles in allem ist jedoch herauszustreichen: Umfang und Ausstrahlung der Publikationen zeigen, dass die Thematik ästhetischen und performativen Zweitsprachenlernens in der DaF-/DaZ-Didaktik keine flüchtige Modeerscheinung ist, sondern sich im deutschdidaktischen Ringen um die Frage, wie Zweit- und Fremdsprachenunterricht für die Lernenden optimal zu gestalten ist, als eine besonders erfolgversprechende Perspektive erweist.
Vor diesem Hintergrund verorten wir uns und führen mit diesem Lehr-/Praxisbuch in unterschiedlichen Kontexten entstandene performativ orientierte didaktische Ansätze und methodische Zugriffe zusammen und zeigen für sie, wie sie sich kognitionspsychologisch, (zweit-)sprachenerwerbstheoretisch sowie zweit- und fremdsprachendidaktisch fundieren lassen. Illustriert werden die performativen Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache zudem in insgesamt siebzehn Kapiteln durch praktische Beispiele für Unterrichtsstunden, -reihen oder -projekte.
Wir verstehen dieses Praxis- und Lehrbuch als Angebot, den DaZ-Unterricht durch eine weitere Perspektive zu bereichern. Performative Zugänge können für die Gestaltung ganzer Unterrichtsreihen genutzt werden, aber ebenso gewinnbringend kann es sein, Unterricht je nach Bedarf durch ein einzelnes oder wenige niederschwellige performative Elemente aufzulockern.
Ziele und Zielgruppen
Das praxisbezogene Lehrbuch richtet sich an Lehramtsstudierende und Referendare, an DaZ-/ DaF-Studierende sowie an Sprach- und Fachdidaktiker:innen und Lehrkräfte, die sich Einblicke in die Thematik des performativen Lehrens und Lernens wünschen. Das Buch kann als Seminarlektüre im Rahmen der (hochschulischen) DaZ-Ausbildung und als Begleiter fachdidaktischer Übungen genutzt werden; es eignet sich aber auch ebenso gut für das Selbststudium und als Inspirationsquelle, performative Elemente in den eigenen Unterricht zu integrieren.
Zielgruppe der im Lehrbuch vorgestellten didaktischen Konzepte und Methoden sind Schüler:innen, die ihren Erstkontakt mit der deutschen Sprache erst im Schulalter hatten, ebenso Schüler:innen mit nicht-deutscher Erstsprache, die in Deutschland aufgewachsen sind, aber in dem einen oder anderen sprachlichen Bereich Unterstützungsbedarf haben. Alle thematisierten Zugänge sind (obgleich mit einer Beispielstunde/Unterrichtssequenz für eine bestimmte Zielgruppe und einen bestimmten Kontext konkretisiert) mit entsprechenden Modifizierungen grundsätzlich in verschiedenen Unterrichts- und Sprachförderkontexten anwendbar:
1 im außerschulischen DaZ-/DaF-Unterricht,
2 in Vorbereitungs- bzw. Willkommensklassen,
3 im fachsensiblen Sprachunterricht,
4 in der additiven Sprachförderung,
5 im Deutschunterricht,
6 in einem parallel zum Deutschunterricht stattfindenden Unterricht ‚Deutsch im Mehrsprachigkeitskontext (DiM)‘, der auf spezifische, mehrsprachigkeitsbedingte Schwierigkeiten gezielt einzugehen vermag,
7 im sprachsensiblen Fachunterricht sowie im Rahmen fachübergreifender Unterrichtskooperationen (z. B. Deutsch – Geografie, s. Kap. 7; Deutsch – Musik, s. Kap. 13; Deutsch – Sport, s. Kap. 14) und
8 in schulischen bzw. außerschulischen Projekten (z. B. Theatercamps, s. Kap. 20).
Aufbau
Das Buch umfasst zwei Hauptteile: Teil I fokussiert auf die theoretische Fundierung und führt die Leser:innen in vier themenrelevante Grundlagenbereiche ein. Kapitel 1 gibt zunächst Einblick in den Begriff der Performativität und legt dar, was im Rahmen dieses Lehrbuches unter ‚performativen Zugängen zu Deutsch als Zweitsprache‘ zu verstehen ist. Die folgenden drei Kapitel führen von den kognitionspsychologischen Grundlagen eines performativ orientierten Sprachenunterrichts (Kapitel 2) über die spracherwerbstheoretische Basis (Kapitel 3) zu einer sprachdidaktischen Verortung (Kapitel 4).
Vor diesem Hintergrund stellt Teil II die exemplarische Auswahl von fünfzehn performativen Zugängen thematisch geordnet in vier Rubriken vor. Jede Rubrik setzt einen anderen Schwerpunkt, was jedoch nicht kategorisch zu verstehen ist, da alle Lehr-Lern-Bereiche und thematisierten Dimensionen letztlich ineinandergreifen.
Die Denklinie setzt an bei den klassischen Kompetenzbereichen des Sprechens und Zuhörens (Rubrik der ‚Medialen Mündlichkeit‘; Kap. 5–7) sowie des Lesens und Schreibens (Rubrik der ‚Medialen Schriftlichkeit‘; Kap. 8–10) und adressiert in diesem Rahmen jeweils drei verschiedene performative Zugänge – zum Miteinandersprechen, zum mündlichen Erzählen und Debattieren; zum Vorlesen, zum generativen und szenischen Schreiben.
Insofern sprachliches Lernen notwendig mündliche und/oder schriftliche Kommunikation erfordert und in diesem Sinne stets auch mit einem Lernen in diesen Bereichen einhergeht, bedeuten die folgenden Rubriken keine Abkehr von diesen Kompetenzdimensionen. Sie setzen nur jeweils einen anderen Fokus und bringen damit besondere didaktische Akzente mit ein, welche sich aus einer performativen Perspektive auf zweitsprachliches Lernen ergeben. Mit der Rubrik ‚Wortgestalt, Rhythmus und Musik‘ (Kap. 11–13) rücken dabei vorrangig morphologische, prosodische und phonetisch-phonologische Aspekte des Deutschen als Lerngegenstände in den Blick. Die Rubrik ‚Bewegen und Handeln‘ (Kap. 14–16) systematisiert und fokussiert die performativen Potenziale von sowohl bewegungsbasiertem als auch handlungsorientiertem Zweitsprachenunterricht, illustriert an unterschiedlichen morpho-syntaktischen, semantischen bzw. grammatischen Lerngegenständen. Final werden performative Zugänge zu grammatischem Lernen mit der Rubrik ‚Dramapädagogische Grammatikvermittlung‘ (Kap. 17–21) noch einmal in besonderer Weise dramagrammatisch perspektiviert.
Übergreifend zielt die Konzeption von Teil II darauf ab, einen möglichst breiten Fächer an Methodenvielfalt, die eine performativ orientierte Zweitsprachendidaktik bereithält, abzubilden. Ebenso wird die Vielfalt der Zielgruppen durch konkrete Unterrichtsbeispiele angesprochen, welche in Bezug auf die adressierte Altersstufe vom Beginn der Primarstufe bis zur Berufsvorbereitung reichen und querliegend die Förderung auf unterschiedlichen Sprachniveaus ansetzen lässt. Generell kann der jeweilige Fokus weitergedacht werden für andere Altersstufen und Kompetenzstände. Auch mit Blick auf das Spektrum möglicher Unterstützungsgrade von Scaffolding bis sprachlicher Improvisation finden sich in Teil II sowohl konkrete Beispiele für performative Ansätze, die stärker ein gesteuertes Sprachlernen realisieren, als auch für Zugänge, die Freiraum und Inseln für kreative Erfahrungen in der Zweitsprache schaffen.
Grundsätzlich sprechen wir uns mit diesem Lehrbuch dafür aus, (sprachliche) Heterogenität im Unterricht zu begrüßen und Diversität als Bereicherung zu erleben – eine Bereicherung, die allerdings auch das Desiderat einer Vielfalt von Lernzugängen aufruft. Die in diesem Lehr-/Praxisbuch präsentierten performativen Zugänge konsolidieren ebendiesen Weg zu einer binnendifferenzierenden Lernzugangsvielfalt und scheinen uns in diesem Rahmen auch wegweisend im Kontext von Inklusion bzw. für inklusiv gestaltete Lehr-Lern-Settings.
Hinweise für die Nutzung
Teil I bildet das theoretische Fundament für Teil II; Teil II ist jedoch im Prinzip auch ohne vorherige Lektüre von Teil I zu verstehen. Themenspezifisch relevante Konzepte werden in den Kapiteln jeweils direkt erläutert bzw. bei allgemeinen Grundlagen Verweise auf Teil I gelegt. Je nach Wunsch und Bedarf kann man in diesem Sinne auch direkt in Teil II eintauchen und die Lektüre von Teil I später anschließen bzw. nachholen.
Wer sich einen schnellen Überblick verschaffen möchte, dem seien die einleitenden Abstracts zu den Rubriken und Kapiteln empfohlen. In der narr eLibrary finden sich alle in Teil II vorgestellten Beispielstunden/Unterrichtssequenzen zusätzlich in einer tabellarisch organisierten Zusammenschau.
In beiden Teilen nutzen wir zur Visualisierung strukturgebender Elemente verschiedene Icons, die im Folgenden kurz erklärt werden.
Aktivierung
Jedes Grundlagenkapitel von Teil I und jede Rubrik von Teil II beginnt mit einer Aktivierung, bestehend aus unterschiedlichen Aufgaben, um auf das jeweilige Thema einzustimmen und bereits vorhandenes Wissen zu mobilisieren.
Erklär-Kasten
Grundlegende Konzepte, Theorien oder Modelle, die für das Verständnis wesentlich sind, werden abgehoben vom Fließtext in Erklär-Kästen erläutert. Ein Erklär-Kasten dient der ersten Einführung in die relevanten Zusammenhänge und schafft Orientierung für die theoretische Einordnung.
Aufgaben
* Reproduktion
** Anwendung
*** Vertiefung
Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Aufgaben mit unterschiedlichem Anspruch und Schwierigkeitsgrad – zu erkennen an der Anzahl der Sterne. Aufgaben, die überprüfen, ob ausgewählte Inhalte des gelesenen Kapitels wiedergegeben werden können, sind mit einem Stern versehen. Aufgaben, die das Gelesene anwenden lassen oder zur Reflexion darüber anregen, sind mit zwei Sternen ausgewiesen. Die besonders anspruchsvollen, mit drei Sternen markierten Aufgaben beinhalten in der Regel zusätzliche Lektürehinweise, um das zuvor Gelesene zu vertiefen und in einen größeren Forschungskontext einzubetten oder um komplexe Problemstellungen zu bearbeiten. Aufgrund der (jedem Kapitel folgenden) Aufgaben in unterschiedlichen Niveaustufen eignet sich das Lehrbuch neben dem Selbststudium auch gut für den Einsatz in heterogenen Seminargruppen. Zusammen mit den Beispielstunden mögen die Aufgaben auch als Inspirationsquelle für den eigenen Unterricht oder für Praxisbausteine im Rahmen von Aus- und Fortbildungsangeboten dienen.
Vertiefende Literatur
Alle in den jeweiligen Kapiteln zitierten Quellen finden sich gesammelt im Literaturverzeichnis am Ende des Lehr-/Praxisbuches. Wird in einem Kapitel zusätzlich im Text nicht aufgeführte Literatur zur vertiefenden Lektüre empfohlen, so wird diese am Kapitelende unter dem Icon für vertiefende Literatur aufgeführt. Manche Kapitel stellen darüber hinaus für die Beispielstunden eigens angefertigte Materialvorlagen zur Verfügung. Diese stehen in der narr eLibrary zum Download bereit. Jedes Zusatzmaterial ist im Buch mit einem eindeutigen Hinweis am Seitenrand und einer Zusatzmaterialien-ID gekennzeichnet. Im eBook genügt ein Klick auf die ID, um auf das Material zuzugreifen. Käufer:innen des gedruckten Buchs erhalten mit ihrem Gutscheincode auf der zweiten Umschlagseite kostenfreien Zugriff auf das eBook und die Zusatzmaterialien zum Buch (siehe Hinweise dort zum genauen Prozedere).
Abschließend sei hervorgehoben: Unser vorrangiges Anliegen ist es, ein Lehr-/Praxisbuch bereitzustellen, mit dem sich in hochschulischen Seminaren, im Referendariat oder in Fortbildungen auf vielfältige Weise arbeiten lässt: So steht es den Rezipierenden zur Wahl, verschiedene Schwerpunkte herauszugreifen, Praxis zu simulieren, Anleitungen (in Auszügen) zu erproben und zu adaptieren bzw. für eigene Kontexte weiterzuentwickeln. Für all dies hoffen wir, viele Anregungen geben zu können, und wünschen allen Leser:innen vor allem viel Freude und neue Entdeckungen bei der Lektüre.
Eine Anmerkung zum Schluss:
Wir bemühen uns um gendersensible Sprache. Nur bei pronominalen/referenziellen Bezügen (jede Schülerin/jeder Schüler, die/der … ihre/seine … etc.) verzichten wir aus Gründen der Lesbarkeit auf die Nennung beider Genusformen. Stattdessen versuchen wir, in ausgeglichener Weise mal die eine, mal die andere Form zu verwenden. Gemeint sind dann stets alle möglichen Geschlechtsidentitäten.