Читать книгу Meine Reise in die Welt der Gewürze - Alfons Schuhbeck - Страница 7
MYRRHE BESÄNFTIGT DEN ZORN DER GÖTTER Die Gewürze der ersten Hochkulturen
ОглавлениеKannte der Urmensch »Ötzi« Gewürze? Verwendeten seine Zeitgenossen in der Steinzeit Kräuter, um ihre Nahrung schmackhafter zu machen? Waren also unsere frühesten Vorfahren schon Feinschmecker? Beweise gibt es dafür keine, doch viele Anhaltspunkte sprechen dafür. »Ötzi«, die Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen, lebte vor mehr als 5000 Jahren in der Jungsteinzeit. Schon 7000 Jahre zuvor hatten die Menschen begonnen, sich in bäuerlichen Siedlungen niederzulassen. Sie entwickelten eine primitive Gesellschaft, domestizierten Tiere, bauten Getreide an und sammelten Kräuter und Gewürze. Irgendwann müssen sie angefangen haben, sie zu kultivieren. Das weiß man unter anderem deswegen, weil man bestimmte Pflanzen dort gefunden hat, wo sie natürlich nicht vorkommen.
Zu »Ötzis« Zeit gab es in Mitteleuropa Pfahlbausiedlungen, in denen verschiedene Kümmelarten, aber auch Dill und Engelswurz nachgewiesen werden konnten. Kümmel ist damit vermutlich das älteste europäische Gewürz – »Ötzi« könnte es ohne Weiteres gekannt haben. Auch in Kleinasien fanden Archäologen viele Beweise für die Nutzung von Gewürzen in dieser Zeit. In Syrien grub man ein jungsteinzeitliches Keramikgefäß mit den verkohlten Knospen von Kapern aus. Im europäischen Teil der Türkei stieß man auf einen Klumpen verkohlter Gartenkressesamen – er wog ein Kilo, und da Kresse in solchen Mengen in der Natur nicht vorkommt, kann das nur eines bedeuten: Unsere Vorfahren haben Kresse gezielt gesammelt oder sogar schon angebaut. Und den Knoblauch schätzen die Menschen ebenfalls seit ihren ersten Tagen. Sie müssen sehr früh erkannt haben, welche Wunderwirkung diese Pflanze entfaltet – sie ist antiseptisch und antibakteriell und außerdem ein wahrer Jungbrunnen. Heute weiß man, dass Menschen, die regelmäßig sehr viel Knoblauch essen, bis zu fünfzehn Jahre länger leben als die Verächter der aromatischen Zehen. Gegen einen gewaltsamen Tod wie bei »Ötzi« war natürlich auch Knoblauch machtlos.
Mesopotamiens Liebe zu Koriander und Knoblauch
Der Mann aus den Ötztaler Alpen war kein Wilder. Wäre er aber sehr weit nach Südosten gewandert, bis in das Gebiet des heutigen Irak, hätte er sich bestimmt für einen Wilden gehalten. Denn vor 5000 Jahren entwickelte sich an den Strömen Euphrat und Tigris eine Zivilisation, die eine neue Epoche in der Menschheitsgeschichte einläutete: Mesopotamien, das zunächst von den Sumerern, später von den Assyrern und schließlich von den Babyloniern beherrscht wurde. Sie gaben sich eine Religion, organisierten sich als Staatswesen, lebten in Städten statt Höhlen, trieben Handel und schufen mit den Hängenden Gärten der Semiramis eines der sieben antiken Weltwunder – eine kunstvolle, mehrstöckige Gartenanlage, die der Euphrat bewässerte. So wurde Mesopotamien, das man wegen seiner beiden großen Flüsse auch Zweistromland nennt, zur ersten Hochkultur der Geschichte. Und da die Mesopotamier als erstes Kulturvolk überhaupt eine Schrift entwickelten, haben sie die ersten schriftlich fixierten Kochrezepte der Menschheit hinterlassen. Sie stehen auf Keilschrifttafeln aus dem Jahr 1750 vor Christus, umfassen dreißig Gerichte und sind der älteste unzweifelhafte Beweis für die Verwendung von Gewürzen beim Kochen.
Aber schon um 4000 vor Christus sollen an Euphrat und Tigris die ersten Arzneipflanzen kultiviert worden sein. Das berichtet der antike griechische Naturforscher Theophrast. Keilschrifttafeln aus der Zeit um 3000 vor Christus erwähnen Knoblauch als festen Bestandteil der Nahrung und der Volksmedizin. Koriander war ebenfalls weitverbreitet. Er wurde wahrscheinlich zur Veredelung des Geschmacks benutzt, aber auch wegen seiner verdauungsfördernden Wirkung geschätzt. Dafür, dass die Mesopotamier seine magenfreundliche Wirkung kannten, spricht eine simple Tatsache: Koriander wurde oft zusammen mit schwer verdaulichen Hülsenfrüchten und Zwiebeln angebaut. Sesam wiederum mischte man in den Brotteig, um dessen Geschmack zu veredeln. Auf den Keilschrifttafeln aus dem Zweistromland werden noch viele andere Gewürze und Kräuter erwähnt, etwa Kresse, Dill, Fenchel, Majoran, Minze, Senf, Rosmarin, Safran, Thymian, Wacholderbeeren und Weinraute. Außerdem nutzte man Salz, um Fische haltbar zu machen, und würzte das Bier mit Zimt und Kassia, einer Zimtvariante, die wohl aus China kam.
Der ungeheure Hunger Mesopotamiens auf Gewürze konnte nur mit einem gut funktionierenden Fernhandel gestillt werden. Er erstreckte sich über Tausende von Kilometern hinweg, wahrscheinlich bis nach Indien, Arabien und China. Besonders intensiv muss er zwischen dem 20. und 18. Jahrhundert vor Christus gewesen sein. Dafür sprechen die vielen Handelsvorschriften in den Gesetzestexten des großen Herrschers Hammurabi. In ganz Kleinasien gab es mesopotamische Kaufmannsniederlassungen, etwa in der anatolischen Stadt Kayseri, deren Warenlisten unter anderem gefärbte Stoffe, Kleidung und Tiere aufführten – und vor allem Gewürze.
Und es unterwirft sich dir jeder Feind
Es ist verblüffend, wie allgegenwärtig Gewürze in der Kultur und auch im Alltag Mesopotamiens waren. Ihre größten Liebhaber waren die Monarchen höchstpersönlich. So werden im riesigen Palastarchiv von König Zimri-Lim aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert regelmäßige Lieferungen von Koriander, Kreuzkümmel, Schwarzkümmel und anderen Pflanzen für die königliche Küche erwähnt. König Merodach-Baladan wiederum erließ detaillierte Vorschriften für den Anbau von vierundsechzig Kräutern. Und in dem berühmten »Gilgamesch-Epos« aus dem 12. Jahrhundert vor Christus, einem der ersten Werke der Weltliteratur überhaupt, wird immer wieder davon gesprochen, wie gerne und reichlich die Babylonier Gewürze und Düfte verwendeten. So dankt Utnapischti, der Vater der Menschheit, den Göttern für seine Rettung nach der Sintflut, indem er Zedernholz und Myrrhe verbrennt – und es gelingt ihm tatsächlich, den Zorn der Himmelshüter dadurch zu besänftigen.
Gewürze scheinen im Zweistromland auch sonst ein probates Zaubermittel gewesen zu sein. Aus der grandiosen Bibliothek des Assurbanipal in Ninive, der größten Mesopotamiens, ist das Rezept eines assyrischen Magiers überliefert, mit dem die Kraft eines übermächtigen Feindes gebrochen werden kann: Man muss Koriander, Kümmel, Schwarzkümmel und Emmer – eine Weizenart – gründlich zerreiben, in Bier geben und schließlich die Götter um Gnade anflehen. Danach soll man den Namen seines Feindes auf eine Tafel schreiben, eine Kugel aus Ton formen, die Tafel in die Kugel drücken und sie exakt um Mitternacht in einen Fluss werfen. Und dann, so verspricht es der assyrische Zauberer, »wird sich dein Feind dir unterwerfen«.
Das süße Leben im Ägypten der Pharaonen
Das erste richtige Feinschmeckervolk der Geschichte betrat ein paar Jahrhunderte nach den Mesopotamiern die Bühne der Zivilisation: die alten Ägypter. Sie aßen gern und gut und verstanden ungeheuer viel von Gewürzen und tranken Unmengen von Bier und Wein. Die höheren Stände ließen sich dreimal am Tag zum Essen nieder, doch auch die armen Leute mussten nicht darben. Zu ihren Grundnahrungsmitteln gehörten Zwiebeln und Knoblauch, zu den Delikatessen Gazellen und Antilopen. Der antike Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass die Ägypter auch rohe Wachteln und andere kleine Vögel liebten und alle Arten von Fischen, außer denen, die ihnen heilig waren. Ein typisches Rezept aus der Pharaonenzeit, das entschlüsselt werden konnte, empfiehlt für einen Nil-Fisch eine Marinade aus Öl, Zwiebeln, Pfeffer, Koriander und anderen Kräutern, danach soll man ihn braten – ein Rezept, nach dem man heute noch genauso einen Fisch zubereiten könnte. Tatsächlich gibt es in der modernen ägyptischen Küche einige 4000 Jahre alte Gerichte.
Das Ägypten der Pharaonen lebt nicht nur in der Küche weiter. Es ist die erste Hochkultur, die uns mit ihren Pyramiden und Tempeln prachtvolle Zeugnisse ihrer eigenen Größe hinterlassen hat – lauter Bauwerke, mit denen die göttergleichen Herrscher verherrlicht werden sollten und die großartiger waren als alles, was die Menschheit bis dahin errichtet hatte. Man konnte es sich leisten, denn das alte Ägypten war ein gesegnetes Land, in dem man den Hunger kaum kannte und den Überfluss genoss. Der Nil war ein Garant für Fruchtbarkeit, er schenkte den Menschen so viele Aale, Karpfen, Barsche und Tigerfische, wie sie sich wünschten, und an seinen Ufern wuchs im Marschland alles, was man zum Glücklichsein brauchte – es waren nicht zuletzt Gewürze.
Pfefferkörner in der Nase der Mumie
Über die altägyptische Küche wissen wir sehr viel, weil Essen immer auch eine Grabbeigabe war. Die Ägypter glaubten daran, dass man im Jenseits genauso wie im Diesseits weiterlebt, also gaben sie den Toten das mit, was auch die Lebenden gerne hatten. Daneben beschäftigen sich viele Reliefs und Papyri mit dem Thema Essen und Kochen. Die Ägypter, das ist sicher, verwendeten, kultivierten oder importierten Anis, Kassia, Dill, Bockshornklee, Fenchel, Kapern, Kardamom, Koriander, Knoblauch, Kümmel, Ajowakümmel, Kreuzkümmel, Schwarzkümmel, Pfeffer, Minze, Mohn, Safran, Senf, Sellerie, Sesam, Thymian und Wacholder. Und sie benutzten Kräuter und Gewürze nicht nur in der Küche, sondern ebenso für die Einbalsamierung. Zimt, Myrrhe, Anis, Kreuzkümmel und süßer Majoran wurden zum Aromatisieren in die Körper gefüllt, aus denen man zuvor sämtliche Weichteile entfernt hatte. Es ist erstaunlich: Wie schon in Mesopotamien entstand auch die zweite frühe Hochkultur genau dort, wo im großen Stil Gewürze angebaut, gehandelt und benutzt wurden, sei es in der Küche, in der Medizin oder in der Kosmetik – ganz so, als seien Gewürze der beste Humus für Zivilisation.
Ein Lieblingsgewürz der Ägypter war Koriander. Ganze Schiffsladungen sollen aus anderen Mittelmeerregionen importiert worden sein. Er wurde in Bier und Wein gemischt, um diese Getränke berauschender zu machen. Koriander wurde aber auch vernünftiger verwendet, zum Beispiel bei Magenschmerzen oder als Insektizid. Genauso allgegenwärtig im Leben der alten Ägypter war Kreuzkümmel. Es ist kein Zufall, dass man im Grab Tutanchamuns neben vielen Gewürzen eine Flasche Kreuzkümmelöl fand. Wie rege der Gewürzhandel in jenen Zeiten war, beweist ebenfalls die Mumie von Pharao Ramses II. : Sie hatte Pfefferkörner in der Nase, die eindeutig von der Malabarküste im Südwesten Indiens stammten. Der Pfeffer wurde vermutlich auf dem Landweg über Iran und Palästina importiert. Auf derselben Route gelangte auch der hochbegehrte, zum Färben von Speisen verwendete Lapislazuli aus Afghanistan nach Ägypten.
Keine andere Pflanze verehrten die Ägypter so sehr wie den Knoblauch. Er galt ihnen als heilig, weil er das Universum symbolisierte. Das war den Menschen deswegen so wichtig, weil Essen für sie immer eine rituelle Vereinigung mit dem Universum bedeutete. Wenn die Pharaonen den Göttern ihre Treue und Ergebenheit gelobten, schlossen sie selbstverständlich Knoblauch und Zwiebeln in ihren Schwur ein. Die antiseptische Wirkung der Zehen kannte man natürlich ebenfalls, deswegen wurden dünne Knoblauchscheiben bei Schlangenbissen oder Skorpionstichen auf die Wunde gelegt. Sogar vom blutverdünnenden Effekt des Knoblauchs wussten die Ägypter, weswegen sie ihn bei Herzleiden verabreichten – nicht anders als die moderne Naturmedizin auch. Und Weltgeschichte hat der Knoblauch im Reich der Pharaonen außerdem geschrieben: Beim Bau der Cheops-Pyramide gehörte Knoblauch zu den Hauptnahrungsmitteln der Arbeiter – und als er einmal knapp wurde, kam es zum ersten dokumentierten Streik in der Geschichte der Menschheit.
In der Bibel hat der berühmte ägyptische Knoblauch gleichfalls seine Spuren hinterlassen: Im 4. Buch Mose steht geschrieben, dass sich die Israeliten auf ihrem Marsch durch die Wüste nach so vielen Dingen sehnten, die sie am Nil gegessen hatten. Das Wertvollste aber, das sie dort zurücklassen mussten, waren nicht der frische Fisch, nicht die Gurken oder Melonen und nicht der Lauch, sondern die herrlichen Knoblauchzehen. Diese Sehnsucht schlug sich auch im Talmud nieder: Dort heißt es, dass Knoblauch »den Körper beruhigt und beglückt, das Gesicht strahlen lässt, den Samen kräftigt und gegen Magenwürmer wirkt«.
Ein komplettes Menü als Grabbeigabe
Die armen Israeliten in der Wüste hatten allen Grund, sich in das Land ihrer Unterjochung zurückzusehnen. Denn dort wurde geschlemmt, dass es eine Freude war. In einem Grab in Saqqara, nicht weit von Kairo entfernt, hat man das komplette Menü für einen Edelmann in Ton- und Alabastergefäßen gefunden. Dem feinen Herrn, der im 3. Jahrtausend vor Christus lebte, wurden unter anderem gegrillte Wachteln, gekochte Lammlebern, eine geschmorte Taube in der Kasserolle, eine Rippe vom Rind, ein Fischeintopf, ein Brot in dekorativer Dreiecksform, dazu Feigen, Beeren, Käse und reichlich Wein und Bier ins Jenseits mitgegeben. Und dank detaillierter Malereien in anderen Gräbern ist bekannt, dass in besseren Kreisen Bankette überaus beliebt waren. Dabei kamen lauter einzelne Schüsseln und Töpfe auf den Tisch, man sprach Toasts auf Gott Hathor aus, delektierte sich am Spiel von Laute, Harfe und Trommel, applaudierte Akrobaten, ließ sich von Geschichtenerzählern unterhalten und von Tänzerinnen in Stimmung bringen, die nur mit einem Lendenschurz bekleidet waren. Ob der Spaß dann in einer Orgie endete, wie es später bei den Griechen üblich war, wird diskret verschwiegen. Weniger zurückhaltend sind die Malereien, wenn es um die Maßlosigkeit beim Trinken geht: Man sieht immer wieder Gäste, die sich übergeben und denen ein Diener dezent ein Gefäß unters Kinn hält.
Nicht nur nach solchen Missgeschicken behalfen sich die Ägypter gerne mit Parfüm. Ihr Land war bis weit in die Römerzeit im gesamten Mittelmeerraum berühmt für die Qualität seiner Duftstoffe, die natürlich als Grabbeigaben nicht fehlen durften. So entdeckte man in Tutanchamuns Totenkammer ein unversehrtes Alabastergefäß mit Geruchsölen. Glaubt man dem römischen Naturforscher Plinius, war das ägyptische Parfüm von so erlesener Qualität, dass es nach acht Jahren noch duftete wie am ersten Tag. Fast die gesamte zivilisierte Welt war damals verrückt nach dem Pharaonenparfüm, und das berühmteste war Kyphi, das auch in den Tempeln als Weihrauchmischung, bei der Einbalsamierung der Toten und beim Exorzismus von kranken Menschen verwendet wurde. Ein Papyrus, den man bei der Cheops-Pyramide gefunden hat, gibt Aufschluss über die Zusammensetzung von Kyphi: Es enthielt Myrrhe, Koriander und Wacholder neben vielen anderen Zutaten wie Zimt, Minze und Pistazien.
Kamele voller Gewürze, Häuser voller Gold
Unermesslich war der Bedarf am Harz des Weihrauchbaums, weil er eine zentrale Rolle im Leben und sogar im Tod der Ägypter spielte. Die Hieroglyphen geben Aufschluss darüber, dass schon vor 5500 Jahren süße Kräuter und Weihrauch in den Tempeln verbrannt wurden, um die Götter gnädig zu stimmen und eine gute Ernte zu erbitten. Während der großen Feste entzündete man Weihrauchfeuer in den Straßen, damit auch die einfachen Leute in den Genuss des Wohlgeruchs kamen. Und immer wieder wurden Schiffsexpeditionen in das sagenhafte Land Punt gesandt, die Wiege des Weihrauchs, die möglicherweise im heutigen Somalia stand. Die Fahrt war extrem gefährlich, allein schon wegen der vielen Korallenriffe. Doch Weihrauch und Myrrhe waren so begehrt, dass die Ägypter das Abenteuer ein ums andere Mal wagten. Die erste Expedition soll König Sahure 2450 vor Christus nach Süden geschickt haben. Legendär aber wurde die Flotte, die im Auftrag der Pharaonin Hatschepsut um 1470 vor Christus nach Punt segelte. Ein Relief im Palast von Deir el-Bahari dokumentiert die Reise bis ins Detail: Die Schiffe kehrten mit Weihrauch- und Myrrhebäumen zurück, wahrscheinlich um eine eigene Produktion in Ägypten zu beginnen, dazu mit Zimt, Kosmetika und vielen anderen Pretiosen. Niemals, so sagt es eine Tempelinschrift, niemals sei eine solche Menge an Schätzen für einen König oder eine Königin seit Anbeginn aller Zeit an den Nil gebracht worden.
Der beste Weihrauch soll aber nicht aus Punt, sondern dem »Weihrauchland« gekommen sein, das im heutigen Jemen und Oman lag. Schon vor 4000 Jahren wurde das Räucherwerk nicht nur nach Mesopotamien und Altägypten, sondern auch nach China und Indien exportiert und dort gegen Pfeffer oder Zimt eingetauscht. Bis zu 4000 Kamele sollen die Weihrauchkarawanen gebildet haben. Der griechische Historiker Strabo schrieb im 1. Jahrhundert vor Christus, Weihrauch, Zimt und Myrrhe hätten das Königreich von Saba im Jemen so sagenhaft reich gemacht, dass die Menschen die Türen, Wände und Dächer ihrer Häuser mit Elfenbein und Edelsteinen, Gold und Silber schmückten. Und als König Salomon in Jerusalem Besuch von der Königin von Saba erhielt, wurde die schöne Herrscherin von »Kamelen voller Gewürze und sehr viel Gold und Edelsteinen« begleitet, so steht es im biblischen »Buch der Könige«.
Schauergeschichten von Monstervögeln
Die Gewürzhändler aus dem Morgenland erzählten ihren Kunden mit Vorliebe Schauergeschichten über die Herkunft der begehrten Ware, damit ja niemand womöglich auf den Gedanken kam, sich selbst auf den Weg zu machen. Das funktionierte viele Jahrhunderte lang. Noch der griechische Historiker Herodot ging den Schwindlern allzu gern auf den Leim und berichtete seltsame Geschichten über Monstervögel, die in ihren Nestern Zimtrinde sammeln. Herodot nennt die Rinde Kinamomon: »Die äußersten Länder der Erde besitzen die kostbarsten Dinge; dafür hat Griechenland das bei Weitem gleichmäßigste Klima . . . Noch wunderlicher ist die Art, wie Kinamomon geerntet wird . . . Große Vögel, heißt es, tragen die getrockneten Rindenstücke herbei, die bei uns mit phönizischem Namen Kinamomon heißen. Sie tragen sie in ihre Nester, die aus Lehm gebaut sind und an schroffen Felsen kleben, an denen kein Mensch emporklettern kann. Da haben die Araber sich nun das Folgende ausgedacht. Tote Ochsen, Esel und andere Zugtiere hacken sie in möglichst große Stücke und schleppen sie herbei. In der Nähe der Nester lassen sie sie liegen und gehen dann ziemlich weit fort. Die Vögel tragen die Fleischstücke ins Nest – das aber die Last nicht tragen kann und auf die Erde herabstürzt. Dann kommen die Leute zurück und sammeln das Kinamomon ein.«
Als Herodot im 5. Jahrhundert vor Christus diese Gruselgewürzgeschichten schrieb, hatte das alte Ägypten seinen Zenit längst überschritten. Neue Völker und fortschrittlichere Zivilisationen waren an seine Stelle getreten. Eines aber blieb, wie es immer gewesen war: die Sehnsucht der Menschen nach Gewürzen.