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Mrs. Jelena Ugarimov empfing uns in einem weiträumigen, lichtdurchfluteten Raum mit hohen Fenstern. Die Einrichtung bestand zum Großteil aus kostbaren, wenn auch etwas zusammengewürfelt wirkenden Antiquitäten.

Ich sah Lews Blick.

'Alles gestohlen!', sagte dieser Blick.

Vermutlich hatte Lew sogar Recht mit dieser Vermutung.

Auch wenn Ugarimov kein Einbrecher war, in gewisser Weise hatte er sich sein Vermögen zusammengestohlen. Aber das gilt für unsere Staatsfinanzen auch, die die Wegelagerer des Finanzamts zusammengeklaubt haben.

Ich ließ den Blick schweifen.

Schönheit sollte man genießen.

Gestohlene Schönheit auch.

Ich tat es.

Es war das Haus eines Mannes, der seinen Reichtum um jeden Preis zeigen will, ging es mir durch den Kopf. Ein Angeber also.

Die Quadratmeterdichte an Antiquitäten war jedenfalls beachtlich.

Jelena war eine aschblonde Schönheit mit feingeschnittenem Gesicht und hohen Wangenknochen. Ihre Augen waren dunkel, und die Art und Weise, in der sie funkelten, warnten jeden, der mit ihr zu tun hatte, vor ihrer Hinterhältigkeit und Gefühlskälte. Ihre Figur hingegen war eine einzige, schwindelerregende Kurve, so dass einem das kalte Glitzern ihrer Augen schon entgehen konnte. Aber vielleicht war ich nach meiner letzten Trennung einfach nur etwas ausgehungert und deswegen zu sehr auf gewisse Reize fixiert.

Kann ja sein.

Nur gut, dass einer von uns immun dagegen war.

Lew nämlich.

Der hatte es in dieser Situation einfach etwas leichter, einen klaren Kopf zu bewahren.

Unser Gegenüber lächelte.

Ein falsches, berechnendes Lächeln.

Sie machte den Eindruck, genau zu wissen, was sie tat.

Alles an ihr wirkte kontrolliert.

Sie begrüßte uns mit rauchiger Stimme. Wir zeigten ihr unsere Ausweise, die sie sich eingehend ansah.

„Zwei Cops, sieh an“, sagte sie mit ihrem falschem Lächeln, das jetzt zwar nicht echter, dafür aber etwas breiter wurde.

Ein Lächeln, das so falsch wie ihre Zähne, ihre Brüste, ihre Lippen und wahrscheinlich noch ein paar Dutzend etwas dezenter platzierte Ersatzteile an ihr waren.

Päpste hatten sich Bildhauer geleistet.

Aber jemand, der so reich wie Ugarimov war, konnte sich Chirurgen leisten, die mit dem Körper einer Frau genau dasselbe machen konnten, was den Klassikern nur in Stein möglich war.

„Was führt Sie hier her?“, fragte sie.

Ich hasse solche Momente. Aber es kommt immer wieder vor, dass man in unserem Beruf zum Überbringer schlechter Nachrichten wird.

Ist wohl nicht zu ändern.

Liegt eben in der Natur der Sache.

Unser Job hat in diesem Punkt eine gewisse Schnittstelle zu dem Beruf eines Trauerredners.

„Ihr Mann... er ist heute morgen erschossen worden.“ Ich wollte es so kurz und schmerzlos wie möglich zu machen.

Jelenas Gesicht blieb völlig unbewegt. Eine Maske, die wie erstarrt wirkte. Ein Lächeln, das aussah wie gefroren.

Sie atmete tief durch.

Ihre Brüste hoben und senkten sich dabei.

Sie schluckte und sah mich dann an.

„Wo“, fragte sie dann stockend, „ist das passiert?“

Ich fand die Antwort ziemlich seltsam. Und vielleicht stand meine Überraschung etwas zu deutlich in meinem Gesicht.

Ist das wirklich alles, was dich interessiert?, ging es mir etwas verwirrt durch den Kopf. Wo? Ist denn der Ort so verdammt wichtig? Er ist tot, darauf sollte es dir ankommen...

„In einem Penthouse am Central Park West...“, sagte ich und wurde sogleich unterbrochen.

„Ah, ich weiß“, meinte sie und ihr Tonfall wurde hart. „Das ist wohl die Wohnung, die Vlad für diese Schlampe gemietet hat...“

Nett ist was anderes, dachte ich. Aber Ugarimov hat sie sicher unter anderen Gesichtspunkten ausgewählt...

Ein harter metallischer Ton mischte sich in den surrenden Singsang, der ihr sonst eigen war und überlagerte ihn sogar. Ja, das sind die Momente, in denen der wahre Charakter eines Menschen durch die Oberfläche schimmert. Ganz leicht nur, aber so deutlich, dass man schon ziemlich blöd sein muss, um das nicht zu erkennen.

Gibt aber genug Blöde.

Sonst wären die Zeiten für diese Schöne wohl auch etwas arg hart gewesen und sie hätte nie jemanden gefunden, der sie in einem so schönen Ambiente wohnen gelassen und es ihr vermutlich sogar vererbt hätte...

„Sprechen Sie vielleicht von Reese Panadero?“, hakte Lew nach.

Jelena wandte sich zu meinem Kollegen herum und musterte ihn mit einem schwer zu deutenden Blick. Dann ging sie ein paar Schritte auf ihn zu. Bei jedem ihrer wiegenden Schritte schien sie darauf zu achten, dass die aufregenden Rundungen ihres wohlgeformten Körpers auch richtig zur Geltung kamen. Dass sie in diesem Punkt bei Lew auf Granit biss, ahnte sie wohl nicht.

Sie blieb stehen.

Den linken Arm stemmte sie in die geschwungene Hüfte.

Ihr Parfum hing schwer und aufdringlich in der Luft.

„Möglich, dass sie so hieß“, murmelte sie mit einer Kälte, die einen erschauern lassen konnte.

„Miss Panadero ist ebenfalls umgekommen“, sagte Lew.

Jelena hob die Augenbrauen.

„Sie erwarten sicher nicht, dass ich darüber besonders traurig bin.“ Sie zuckte die Achseln. „Big Vlad wusste eben manchmal nicht, was wirklich gut für ihn war.”

„Ach, nein?”, wunderte sich Lew.

„Nein.”

„Tja dann...”

„Und seine Menschenkenntnis war auch nicht die Beste - jedenfalls was Frauen anging!“

Was sie nicht sagt, dachte ich. Sieh an... Sie drehte sich zu mir herum. Ihre Augen musterten mich.

Ich hielt ihrem Blick stand. Für sie war das eine Art Kräftemessen, das hatte ich im Gefühl. Manche versuchen einem die Hand zu quetschen, wenn sie sie eigentlich nur schütteln sollen. Diese Frau glotzte einen auf ihre unnachahmliche Weise an. Ich weiß nicht, was unangenehmer ist.

„Sagen Sie mir, wie es genau geschehen ist!“, forderte sie mit dunklem Timbre.

„So, wie es aussieht, waren es zwei sehr professionell vorgehende Killer“, sagte ich.

„Eine Hinrichtung!“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Sie nickte.

Ich nickte auch.

„So könnte man es nennen”, sagte ich, nach dem eine unangenehm lange Schweigesekunde vergangen war.

Für den Bruchteil einer Sekunde, huschte ein kaltes, böses Lächeln über ihr Gesicht. Der Eindruck einer trauernden Witwe machte sie mir nicht gerade. Was genau ich stattdessen von ihr halten sollte, wusste ich zwar auch nicht, aber eins stand für mich fest: Bei der Wahl seiner Frau hatte Ugarimov keine glückliche Hand gehabt.

„Für uns stellt sich die Frage, welcher seiner zahlreichen Feinde Ihren Mann umgebracht hat“, erklärte Lew aus dem Hintergrund.

Jelena lachte auf.

Schrill klang das.

Hysterisch fast.

Aber es passte zu ihr.

Ihr Lachen war wie sie selbst: Von allem etwas too much.

„Ach wirklich?“

„Jeder Mord ist ein Mord zuviel“, erklärte Lew sachlich. „Und wir versuchen ihn so gut wir können aufzuklären. Auch bei einem Mann...“

„Den Sie für einen Verbrecher halten! So ist es doch!“ rief Jelena. Sie seufzte. Dabei drehte sie sich nicht zu Lew um, sondern sah weiterhin in meine Richtung.

Ich nickte.

„Dem was mein Kollege gesagt hat, kann ich nur zustimmen“, erklärte ich und fuhr dann nach einer kurzen Pause fort: „Seit wann wussten Sie von der Beziehung Ihres Mannes zu Miss Panadero?“

Ihr Blick bekam etwas Katzenhaftes.

Sie näherte sich einen Schritt und verschränkte die Arme vor der ausladenden Brust, die sich deutlich durch ihren sehr engen Pullover abzeichnete.

„Jeder wusste das. Ich natürlich auch, ich bin nämlich weder blind noch taub. Vladimir hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Affären mit anderen Frauen vor mir oder irgendjemandem sonst geheimzuhalten...“

„Haben Sie Ihren Mann geliebt?“

Sie sah überrascht aus. Wie können Sie sowas fragen?, schien ihr Blick zu sagen. Aber ich hatte es nunmal gefragt. Und ich wollte auch eine Antwort haben. Da würde ich nicht locker lassen.

„Was soll die Frage?“, wollte sie wissen, womit sie eine Denkblase, die ich ihr angedichtet hatte, nun ausformuliert hatte.

„Brauchen Sie länger, um darüber nachzudenken?“, fragte ich.

Sie wurde dunkelrot vor Ärger. Ihre Augen funkelten. Sie schien wirklich sauer zu werden. Gut so, dachte ich. Dann vergaß sie sich und ihre verfluchte Verhaltenskontrolle vielleicht mal für ein paar aufschlussreiche Sekunden und zeigte uns einen Augenblick ihr wahres, hässliches und ungeschminktes Selbst. So zumindest lautete meine stille Hoffnung.

„Hören Sie, was soll die Fragerei?”, fauchte sie. „Ich dachte, Sie suchen den Mörder meines Mannes! Also tun Sie Ihren Job, wenn Sie es nicht lassen können, aber hören Sie auf, dämliche Fragen zu stellen!“

Sie wirkte wie jemand, der sich in die Enge getrieben fühlte.

Ich fragte mich nur warum.

Und an dem Punkt konnte es dann wirklich interessant werden.

Ich sagte: „Hören Sie, mich wundert das einfach nur...”

„Was wundert Sie?”, unterbrach sie mich.

„Machen Sie sich keine Gedanken darüber, wer die Mörder beauftragt hat?“, fragte ich.

„Glauben Sie...“, sie zögerte, ehe sie weitersprach, „...dass ich...?“

Ich grinste.

„Das haben Sie gesagt!“

„Wegen dieser Reese Panadero? Mister Abdul, das ist lächerlich!“ Ihr Blick ging zur Uhr. „Meine Zeit ist knapp bemessen. Wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben...“

„Da wäre noch etwas!“

„Dann machen Sie es kurz!“

„Sagen Ihnen die Namen Tony Rizzos und Jack Dominicanez etwas?“

„Nie gehört!“

„Wirklich nicht?“

„Wirklich nicht.“

„Könnte es nicht sein, dass Ihr Mann diese Männer gekannt hat?“ Ich holte zwei Fotos aus der Innentasche meiner Jacke und hielt sie Jelena hin. Sie beachtete sie kaum, nahm sie nur kurz zwischen die grazilen Finger und gab sie mir dann zurück.

„Allerweltsgesichter...“, meinte sie schulterzuckend. „Was ist mit diesen Männern?“

„Sie starben vermutlich durch dieselben Täter wie ihr Mann und falls es irgendeine Verbindung zwischen ihm und diesen beiden geben sollte, sagen Sie es uns besser.“

Ihr Augenaufschlag war gekonnt.

„Das werde ich, Mister Abdul...“ Und dabei strich sie mir mit ihren langen Fingernägeln über das Revers der Jacke. „Sobald ich etwas in dieser Richtung erfahre...“

„Sehr schön.“

„Wie waren noch die Namen?“

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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