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Es war ein lausig kalter Tag, und man hatte das Gefühl, dass einem die Ohren abfroren, sobald man sich im Freien aufhielt.

Aber ich hatte es längst aufgegeben, über das New Yorker Wetter zu schimpfen. Über die Hitze im Sommer und die Kälte im Winter.

Es gab Schlimmeres.

Und man muss es sowieso nehmen, wie es kommt.

Manche Ding sind eben gewissermaßen Schicksal. Das Wetter gehört dazu. Dass ich mit einem seltsamen unpatriotischen Namen geboren wurde ebenfalls. Und die roten Haare will ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst erwähnen. Aber ich glaube, das war ein anderes Jahrhundert, in dem mir rote Haare hätten gefährlich werden können.

Sowas ändert sich immer mal.

Zurzeit war es mein arabischer Name, der mir wie ein übles Geschwür an der Backe hing.

Vielleicht ist Schicksal das falsche Wort.

Zeitgeist.

Das trifft es vielleicht besser.

Für die, die darunter zu leiden haben, ist es sowieso immer dasselbe. Scheiße, wenn man gerade die Arschkarte gezogen hat.

„Denkst du zwischendurch mal über unseren Fall nach oder hast du gerade mal wieder eine Phase verstärkten Selbstmitleids?”, fragte Lew.

„Häh?”

„Du hast mich schon verstanden. Nicht, dass ich es nicht verstehen könnte, wenn jemand, wie du, auf den andauernd geschossen wird, übel drauf ist.”

„Was beklagst du dich dann?”

„Im Ernst: Ich brauche einen Partner, auf den ich mich verlassen kann. Keine wandelnde Depression. Bist du diensttauglich?”

„Sicher.”

„Ich weiß nicht. Wenn ich an deiner Stelle wäre, Murray...”

„Was dann?”

„...wäre ich wahrscheinlich nicht mehr diensttauglich, sondern reif für eine gepflegte, abgeschiedene Anstalt, wo ich mich so lange verkriechen würde, bis die Kollegen den Schweinehund erwischt haben, der mich ins Visier genommen hat.”

„Ich bin eben nicht du, Lew.”

„Nee, bist du nicht.”

„Lew, ich steck das weg.”

„Gut.”

„Und ich denke an nichts anderes, als an den Fall.”

„Gut.”

„Ehrlich, Lew! Ich kann schon gar nichts anderes mehr denken. Aber dass ich mich zwischendurch mal umdrehe, ob da vielleicht zufällig irgendwo dieser Irre gerade auf mich anlegt, ist doch wohl erlaubt, oder?”

Lew nickte. „Ist erlaubt”, sagte er großzügig.

„Und davon abgesehen solltest du auch mal eines bedenken.”

„Was?”

Ich hob die Augenbrauen. Ich merkte außerdem, dass meine Hände in meinen Handschuhen irgendwie schwitzten, was eigentlich nicht hätte passieren dürfen.

Vielleicht hatte ich aber sonst auch einfach weniger geschwitzt. Die Temperatur war sowieso eigentlich nicht typisch fürs Schwitzen. An keiner Stelle des Körpers.

Und nichtmal dann, wenn die Handschuhe entgegen dem Etikett in Wahrheit aus Kunstleder waren.

Über den waren Grund, weshalb einer anfängt, an einem kalten Wintertag in seinen Handschuhen zu schwitzen, wollte ich eigentlich auch gar nicht weiter nachdenken...

Und schon gar nicht wäre ich dazu bereit gewesen, mir selbst einzugestehen, dass mich die Sache mit dem Irren vielleicht doch etwas mehr mitnahm, als ich wahrhaben wollte.

Ich sagte: „Der Kerl hat bis jetzt immer daneben geschossen, Lew. Er schießt mit Absicht daneben. Oder er erschießt Leute, die in meiner Nähe sind, damit ich mich schuldig an ihrem Tod führe.”

„Also im Klartext: Ein richtig fieses Arschloch.”

„Ja. Aber der springende Punkt ist: Du bist viel mehr gefährdet als ich, Lew. Schließlich hängst du dich zwei Drittel des Tages in meiner Nähe herum und wärst damit für den Irren ein perfektes Ziel.”

„Siehst du: Und ich nehme das vollkommen gelassen hin, Murray.”

Wir lachten beide.

Kann vielleicht niemand nachvollziehen, wieso wir lachten. Aber wir taten es. Irgendwie war es einfach witzig - auf eine vielleicht etwas schräge Weise.

Und abgesehen davon war es ein Zeichen dafür, dass Lew und ich gerade auf dem Weg waren, ein wirklich gutes Team zu werden. Wenn man schonmal anfängt über denselben Scheiß zu lachen, dann ist das immer eine gute Voraussetzung für alles mögliche.

Ein Paar konnten wir auf Grund unserer unterschiedlichen sexuellen Orientierung schonmal schlecht werden.

Aber wir waren vielleicht irgendwann viel mehr als das.

Partner nämlich.

„Was denkst du über den Fall?”, fragte ich nach einer angemessen langen Pause nach diesem gerade vorübergegangenen Moment des Gelächters, das wir beide richtig gedeutet hatten.

„Düstere Aussichten“, meinte Lew, während wir am Central Park West entlangschlenderten, bis wir meinen Wagen erreicht hatten und einstiegen.

Mir klapperten die Zähne wie schon lange nicht mehr.

„Irgendjemand versucht da ganz gewaltig aufzuräumen“, sprach Lew weiter. „Ein Bandenkrieg ist so gut wie unausweichlich...“

„Ich fürchte, da hast du recht.“

Vielleicht hätten wir froh darüber sein sollen. Gangster legten Gangster um. Das war doch mal eine Abwechslung und erleichterte uns den Job. Aber so etwas denkt man nur. Aber nicht einmal das tut man zu laut.

Lew fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Sein Blick wirkte nachdenklich. „Dies ist der dritte Tote in dieser Serie...“

„Vorsicht!“, erwiderte ich. „Wir wissen noch nicht, ob es wirklich derselbe Täter ist“, gab ich zu bedenken.

Lew zuckte die Achseln.

„Nach den ballistischen Untersuchungen werden wir es wissen.”

„Sicher...”

„Ich wette mit dir, dass in allen drei Fällen die Kugeln aus denselben Waffen stammen.”

„Und um wie viel wettest du?”

„Um viel.”

„Na, dann...”

„Und wenn du die Vorgehensweise bedenkst...“

Ich sah meinen Kollegen fragend an. „Drei Morde“, murmelte ich. „Und die Opfer waren jeweils Leute, die in der Unterwelt eine Rolle spielten. Rizzos, der Waffenhändler. Dominicanez, der Kokain-König. Und jetzt...“

„Ugarimov“, vollendete Lew. „Außer der Tatsache, dass alle wahrscheinlich Verbrecher waren, haben sie aber nichts gemeinsam. Nicht einmal die Branche...“

„Aber offensichtlich haben sie einen gemeinsamen Feind!“

Lew nickte.

„Fragt sich nur, wer das ist.“

Ich lachte heiser.

„Und New York war gerade dabei, den Ruf zu erringen, einer der sichersten Städte der USA zu sein.“

Lew verstand, was ich meinte.

Wenn irgendein bislang unbekanntes Syndikat seine Klauen nach New York ausstreckte und es zum Gangsterkrieg kam, dann konnte es mit der relativen Ruhe schnell vorbei sein.

Und dann hatte die ganze Stadt darunter zu leiden.

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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