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Karlheinz Brakowski lebte in einer Wohnung in Charlottenburg. Sie befand sich im dritten Stock eines Altbaus. Als wir bei ihm klingelten, meldete er sich über die Sprechanlage.

„Hier sind die Kommissare Kubinke und Meier. Wir hätten Sie gern nochmal gesprochen. Schließlich war es Ihnen doch sehr wichtig, über den Fortgang der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt zu werden und es hat sich da jetzt eine dramatische Wende ergeben.“

„Ach, ja? Gut, kommen Sie herein. Ich habe allerdings nicht viel Zeit.“

„Wir auch nicht!“

Als er uns wenig später öffnete, stand er in einem Uniformhemd da, dessen Manschettenknöpfe noch nicht geschlossen waren.

Er führte uns ins Wohnzimmer. „Setzen Sie sich, aber wie gesagt, ich habe nicht viel Zeit. In einer halben Stunde beginnt eine Trauerfeier für einen verdienten Kollegen. Ich bin nur hier, um mir ein frisches Hemd anzuziehen.“

„Starb dieser Kollege durch ein Verbrechen – so wie die, für deren Hinterbliebene sich Ihre Stiftung einsetzt?“, fragte ich.

Er sah mich mit einem Stirnrunzeln an. Erfahrene Ermittler wie Brakowski haben oft einen untrüglichen Instinkt dafür, wenn etwas nicht stimmte. Irgend eine Nuance, die nicht so war, wie sie hätte sein sollen. Und ganz offenbar war Brakowskis Instinkt gerade alarmiert worden.

„Nein – der Kollege starb an einem Herzinfarkt und war seit zehn Jahren pensioniert. Aber das heißt nicht, dass man ihn ohne gebührende Ehrerbietung verscharren sollte, finden Sie nicht auch?“

Die Gereiztheit in seinem Tonfall war unüberhörbar.

Brakowski ging hinter seinen Schreibtisch, der mehr ein Zierstück zu sein schien, als dass er tatsächlich zur Arbeit benutzt wurde. Er blätterte in seinem Terminkalender. Dann stützte er die Hände auf den Tisch und sah uns an.

„Der Killer mit der Delle ist auch für Johann Feldmanns Tod verantwortlich“, eröffnete ich.

„Ich weiß, ich habe mich bei den Ballistikern erkundigt“, gab Brakowski zurück.

„Wussten Sie, dass Feldmann viel für Ihre Stiftung gespendet hat?“

„Feldmann? Der hätte es auch nötig gehabt! Ein ehemaliger Mafia-Anwalt, der jetzt so tut, als wäre er immer schon ein aalglatter Biedermann gewesen und hätte nichts anderes im Sinn gehabt, als dem Allgemeinwohl zu dienen!“

„Seltsam, dass Feldmann diese Summen über ein Schweizer Bankkonto gelenkt hat. Und noch seltsamer, dass dieses Schweizer Bankkonto gar nicht in seiner Verfügungsgewalt zu sein schien.“

„Wie wollen Sie das bei einem Nummernkonto so genau wissen, Kommissar Kubinke?“

„Unser Kollege Detlef hat da schon so seine Methoden. Zum Beispiel habe wir keine Kontoauszüge gefunden. Um es kurz zu machen: Wir nehmen an, dass Feldmann erpresst wurde und die Gelder nicht freiwillig gezahlt hat. Der Erpresser hat sie dann an ihre Stiftung weitergeleitet!“

„Was wollen Sie eigentlich?“

„Ich nehme an, dass jemand wie Sie einiges über Feldmann weiß, was ihm hätte schaden können. Das müssen ja nicht unbedingt juristisch verwertbare Fakten sein. Es reicht doch schon, wenn man ihn auf einem Video, das bei einer Razzia oder einer verdeckten Ermittlung zur Beweissicherung angefertigt wurde, in Gesellschaft von Prostituierten und Drogendealern sieht. Wenn das über die Kabelkanäle geflimmert wäre, dann hätte Feldmann seine politische Karriere wohl ziemlich bald vergessen können.“

„Das sind doch alles alte Geschichten, die waren doch bekannt. Der politische Gegner hätte die ausgraben können!“

„Herr Brakowski, ich weiß nicht genau, womit Sie Feldmann erpresst haben. Aber es steht für mich fest, dass Sie das taten. Sie fuhren mit Ihrem Boot zu Feldmanns Haus am See. Dort waren Sie ja immer wieder mal zu Gast gewesen. Sie gingen zur Terrasse, wussten genau, dass die Kameras Sie auf dem Weg vom Steg dorthin nicht aufnehmen konnten und Feldmann hat Ihnen die Terrassentür geöffnet. Anschließend haben Sie ihn erschossen.“

„Habe ich da etwas nicht mitbekommen, Herr Kubinke? Ich dachte, ich soll Feldmann erpresst haben. Wieso hätte ich ihn dann erschießen sollen?“

„Sagen Sie es uns. Vielleicht hat er den Spieß umgedreht und durch seine Mafia-Kontakte erfahren, wo Ihr dunkler Fleck ist, Herr Brakowski. Muhammad Abu-Khalil wusste davon und hat es offenbar auch weitererzählt. Inzwischen war er so klug zu erkennen, dass dieses Geheimnis ein schnelles Verfallsdatum haben könnte und sich entschlossen umfassend auszusagen.“

„Ach ja, was soll das denn bitteschön für ein Geheimnis sein? Langsam reicht mir diese Märchenstunde, die Sie da abhalten, Herr Kubinke! Ich habe keine Zeit dafür.“

„Seltsam, Sie waren sonst doch immer so interessiert daran, genau zu wissen, wie weit wir mit unseren Ermittlungen waren.“

„Herr Brakowski, Sie sind wegen mehrfachen Mordes verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen. Falls Sie darauf verzichten...“, erklärte Rudi nun.

Brakowski zuckte vor, zog die Schublade seines Schreibtischs auf und riss eine Waffe hervor. Rudi und ich erstarrten. „Ich bin ein sehr guter Schütze“, sagte er dann.

„Das haben wir schon von anderen gehört, Brakowski“, erwiderte ich. „Sie sind der Killer mit der Delle. Abu-Khalil sagt, dass Sie damals nach der Schießerei die Waffe dieses Killers ausgetauscht hätten.“

„So? Abu-Khalil halten Sie in dem Punkt wirklich für eine zuverlässige Quelle?“

„Er weiß es von einem Schnüffler namens Amadeo Felmy, der für ihn gearbeitet hat. Der wollte zusammen mit Arthur Malkowski ein Buch über seine wilde Zeit schreiben und dieser Malkowski wusste das von dem Mitarbeiter in der Aservatenkammer, der Ihnen geholfen hat, die Waffen auszutauschen, bevor die ballistischen Tests durchgeführt werden konnten! Davon abgesehen kannte Abu-Khalil den echten Killer mit der Delle. Er hat ihn einige Mal beauftragt, wie wir vermuten. Er dürfte geahnt haben, dass da etwas faul ist. Spätestens als Talabani umgebracht wurde und man Abu-Khalil dafür verdächtigte!“

„Ja, Talabani...“, murmelte Brakowski. „Es ist eine Schande, dass man diesem Verbrecher so billig davonkommen lassen wollte!”

„Aber Sie haben dafür gesorgt, dass das nicht geschehen konnte.“

„Für manche Bestien ist unser Rechtssystem einfach zu human!“, erwiderte Brakowski und man sah ihm den ganzen Hass an, den er dabei empfand. „Diejenigen, die ich getötet habe, waren selber Mörder und Verbrecher! Ich habe sie zur Rechenschaft gezogen, weil es sonst niemand getan hätte! Jedenfalls nicht so, wie ich mir Gerechtigkeit vorstelle!“

„Feldmann haben Sie zuerst nur finanziell bluten lassen. Warum der Wandel? Warum musste er sterben?“

„Der Gedanke, dass so ein Mensch ein öffentliches Amt antreten könnte und als Vertreter des Volkes in den Bundestag einzieht, war mir unerträglich. Ich habe ihm gesagt, er soll seine Kandidatur zurückziehen, aber da hat er nur gelacht... Er hätte gegen mich genau so viel in der Hand wie ich gegen ihn.“

„Und Malkowski? Warum musste der sterben? Der hat nie im Dienst irgendeines Verbrechers gestanden. Das war nur ein Reporter, der seinen Job gemacht hat!“, mischte sich Rudi ein. „Gehört das auch zu Ihrer Art der Gerechtigkeit?“

„Er hat seinen Job einfach nur zu gut gemacht und klebte seit der Schießerei damals an meinen Fersen...“

„Und als Sie davon hörten, dass er ausgerechnet zusammen mit Abu-Khalils Schnüffler Amadeo Felmy ein Enthüllungsbuch herausbringen wollte, da sind bei Ihnen die Sicherungen durchgegangen.“

„Nein, auch das war Gerechtigkeit, Kubinke. Denn Leute wie Arthur Malkowski sind es, die unsere Arbeit immer wieder erschweren. Sie prangern jede Verfehlung unserer Männer und Frauen in Uniform großartig an und machen einen Skandal daraus, aber sie sehen nicht, was Sie damit bewirken! Gleichzeitig werden drogensüchtige Pop-Stars und prügelnde Rapper von ihnen zu Helden hochgeschrieben! Ich wundere mich, dass Sie das nie erkannt haben wollen, Kubinke! Das ist Krieg und man steht entweder auf der einen oder auf der anderen Seite! Und Leute wie Malkowski sind nunmal Feinde... Sie sollten das verstehen!“

„Und Sie sollten versuchen, ein Gericht von Ihrem Standpunkt zu überzeugen – nicht mich!“

„So?“

„Also ich verstehe nur, dass ich mit Ihrer Art von Gerechtigkeit nichts zu tun haben will, Brakowski! Und jetzt legen Sie die Waffe weg. Sie haben keine Chance, da rauszukommen!“

Er hob die Waffe und richtete sie direkt auf meinen Kopf. „Sind Sie verkabelt, Kubinke?“

„Nein, leider nicht.“

„Sie enttäuschen mich! Eigentlich dachte ich, dass auf diese Weise mein Standpunkt für die Nachwelt erhalten bleibt. Denn ich bin überzeugt, dass viele mir zustimmen werden und meinen Durst nach Gerechtigkeit teilen!“

Die letzten Worte von Karlheinz Brakowski ließen mich das Schlimmste befürchten. Jemand, der so konsequent einem mörderischen Ideal folgte, dem war es womöglich auch vollkommen gleichgültig, welche Konsequenzen das für ihn persönlich haben konnte. Und nach allem, was wir über ihn erfahren hatten, war der Einsatz seines eigenen Lebens immer schon Bestandteil seines einsamen Kampfes gewesen.

Ich überlegte, zur Waffe zu greifen, aber Brakowski hatte in jedem Fall schneller abgedrückt und getroffen, als ich.

„Ihr Versäumnis eröffnet mir eine andere Möglichkeit“, sagte Brakowski schließlich. Er griff in die Schublade, ohne den Blick zu senken und hatte im nächsten Moment einen Schalldämpfer in der Hand. „Der Killer mit der Delle wird zwei BKA-Kommissare auf dem Gewissen haben. Und später wird man mich in seinem Motorboot finden – ebenfalls von derselben Waffe niedergestreckt, die man auf dem Grund des Sees ebenso wenig finden wird wie Arthur Malkowskis Notebook.“

„Machen Sie keine Dummheiten, Brakowski!“, sagte Rudi.

„Gut möglich, dass danach noch so mancher Berliner Bulle den Killer weiter jagen wird, weil er nicht daran glaubt, dass ein Mann wie ich sich über die Gesetze hinwegsetzen würde – selbst wenn es im Dienst der Gerechtigkeit ist!“, fuhr Brakowski fort. Ein bitteres Lächeln stand jetzt auf seinem Gesicht. Ich zweifelte nicht daran, dass er zu allem entschlossen war.

„Sie haben keine Chance. Unsere Leute sind längst unterwegs...“, begann ich und warf einen Blick zu Rudi hinüber.

„Dann werde ich mich beeilen müssen“, erklärte Brakowski.

Er setzte den Schalldämpfer auf die Waffe.

Diesen Moment nutzten wir.

Rudi und ich zogen im selben Moment unsere Waffen. Brakowski riss den Lauf seiner Pistole hoch, aber bevor er schießen konnte, traf ihn eine Kugel in der Schulter und er taumelte zurück gegen die Wand. Als er dann schoss, ging das Projektil ungezielt in die Decke.

Sein Arm gehorchte ihm nicht mehr richtig. Er zitterte. Er versuchte noch einmal die Waffe hochzureißen, aber bevor er es schaffte, war ich bei ihm. Ich bog die Hand mit der Waffe zur Seite und entwand sie ihm. Rudi hielt derweil den Lauf seiner Waffe auf Brakowskis Kopf gerichtet.

„Na los, Kommissar Meier! Worauf warten Sie!“, ächzte er.

Aber Rudi schüttelte den Kopf. „Das wäre Ihr Stil – aber nicht der unsere!“, stellte er klar.

Rudi atmete tief durch.

Und ich auch.

ENDE

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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