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Ich kannte diesen Blick.

Diesen ganz bestimmten Blick voller Vorteile und Misstrauen.

„Wer sind Sie?“

„Hier!“

„Was?“

„Na sehen Sie doch! Oder haben Sie Ihre Lesebrille nicht auf?“

„Na hören Sie mal...“

„Murray Abdul, Special Cases Field Office!“ Ich zeigte meinen Dienstausweis dem uniformierten Cop, der die undankbare Aufgabe hatte, Unbefugte vom Betreten des Tatortes abzuhalten.

„Falls Sie den Eindruck haben, dass ich schlechte Laune habe, stimmt das.“

„Trotzdem...“

„Auf ihn ist heute geschossen worden“, schaltete sich Lew Parker ein. Klang wie eine schwache Entschuldigung für meinen verbalen Fehltritt.

„Habe davon gehört“, sagte der Cop.

„Na, dann wissen Sie, weshalb mein Partner so drauf ist.”

„Kann ich verstehen.”

„Sehen Sie!”

„Das ginge mir auch an die Nieren. Nein, nein, Irre gibt's... haben nichts Besseres zu tun, als Cops aufs Korn zu nehmen.” Der Uniformierte sah mich an. Und zwar ganz anders als vorhin. „Wie gesagt, ich kann Sie gut verstehen.”

Diese Ich-habe-so-viel-Verständnis-Tour kann ich für gewöhnlich überhaupt nicht leiden.

Darum sagte ich: „Heißt aber nicht, dass ich jetzt darüber quatschen will.“

Der Cop wandte sich an Lew. „Ich hoffe für Sie, dass er auch mal gutgelaunt ist!“

„Naja - mal so mal so.”

„Er sollte zum Anti-Aggressionstraining gehen.”

„Hat Ihnen auch geholfen?”

„Genau.”

„Ich glaube, für Murray ist das nichts.”

„Wieso?”

„Das würde es bei ihm nur schlimmer machen.”

Mein Freund und Kollege Lew Parker grinste. Er tat es mir gleich, zeigte seine ID-Card vor und der Uniformierte nickte, ließ uns vorbei.

Wir waren die letzten am Tatort, einer noblen Penthouse-Adresse am South Central Park. Eine Wohnung in traumhafter Lage, mit einem Ausblick, für den man sicher viel Geld berappen musste.

Jetzt sah sie aus wie ein Schlachtfeld.

Ich sah die zusammengekrümmten Leichen einer Frau und zwei Männern, die offenbar als Leibwächter für den Besitzer dieses Penthouses gearbeitet hatten.

In der Mitte des Raums stand ein Mann in einem grauen Wollmantel, den Kragen hochgeschlagen. Er drehte sich jetzt zu uns um, und ich sah, dass sein Gesicht ziemlich zerfurcht war. Er bedachte uns mit einem abschätzenden Blicken.

„Wer sind Sie? Was machen Sie hier?“, fragte er etwas unwirsch.

„Special Cases Field Office“, sagte Lew. „Dies ist Agent Abdul, mein Name ist Parker.“

„So?“, fragte der Mann im Wollmantel nachdenklich zurück und atmete tief durch. Seine Augenbrauen zogen sich zu einer Schlangenlinie zusammen.

Ich fragte mich, warum der Kerl so gereizt auf uns reagierte. Allah, was für ein Kotzbrocken! Nicht zum Aushalten! Ich sah die Dienstmarke des Police Department durch den offenen Mantel und das ebenfalls geöffnete Jackett an seinem Gürtel hängen.

Wir zeigten ihm unsere Ausweise, die ihn aber nicht zu interessieren schienen.

„Sind Sie Captain Webbs?“, fragte ich.

Zur Antwort gab es ein Geräusch.

Eines, das ziemlich unappetitlich klang.

Er zog geräuschvoll seinen Nasendreck in die Stirnhöhle. Hatte sich wohl erkältet. Bei dem wechselhaften New Yorker Wetter war das auch nicht weiter verwunderlich. Da holte man sich dauernd was.

„Ja“, knurrte er. „Mordkommission, 18. Revier Midtown North. Woher...?“

„Ihr Chief sagte mir, dass Sie den Fall bearbeiten...“ Ich hatte schon von Webbs gehört. Vor allem dann, wenn von Beförderungen die Rede war. Er musste gut sein. Jedenfalls war er die Karriereleiter ziemlich schnell hinaufgestolpert.

Webbs kam auf uns zu, reichte erst Lew und dann mir die Hand und versuchte im Gedächtnis zu halten, dass meine Hand jetzt vermutlich Virenverseucht war und ich mir besser erst die Hände wusch, bevor ich mir damit in der Nase popelte oder irgendeine andere Körperöffnung berührte. Ist einer der Nachteile in unserem Job. Da schüttelt man viele Hände. Aber wenn Sie irgendjemanden treffen, der sagt: Ich will gerne was mit Menschen machen, dann weisen Sie ihn auf die hygienischen Nachteile solcher Berufe ruhig hin.

Sein Blick wirkte gezwungen freundlich. Aber meinen Instinkt konnte er damit nicht täuschen. Aus irgendeinem Grund störten wir ihn...

Ich fragte mich warum.

War ich wirklich schon so vielen Leuten auf die Füße getreten, dass sich das überall herumgesprochen hatte? Eigentlich dachte ich immer, dass man mit mir gut auskommen könnte, während nur alle anderen unter einem Mangel an Toleranz und Kooperationsbereitschaft leiden. Aber vielleicht war ich auch der Einzige, der die Dinge verkehrt sah.

Scheiß drauf.

Nur Allah kennt die Wahrheit.

„Agent Abdul? Im Police Department ist Ihr Name bekannt wie der eines bunten Hundes.“ Er grinste schief. Dann seufzte er.

„Was Sie nicht sagen...”, murmelte ich.

„Ja, so hat eben jeder seine Ruf”, sagte er.

Das hatte ich befürchtet.

„So kann man es auch sehen.”

„Sehen Sie das anders?”

„Ich nenn’s Vorurteile.”

„Wie?”

„Vorgefasste Meinungen? Sowas kennen Sie natürlich nicht.”

„Scheiße, sind sind Sie ein Liberaler?”

Er sagte das wie ein Schimpfwort.

Liberaler.

Er hätte auch gleich Kommunist oder Terrorist oder 9/11-Attentäter sagen können.

Oder auch Scheißkerl.

Es wäre auf das Gleicher herausgekommen.

Seine Ablehnung wäre selbst dann noch passabel rübergekommen, wenn er irgendeine unbekannte Sprache gesprochen hätte, von der ich kein Wort verstand.

Und er sprach es so aus, als hätte er entweder eine heiße Kartoffel oder ein Stück Scheiße im Mund. Das ergibt dann immer einen ganz speziellen Tonfall, der sich schwer imitieren lässt.

„Nennen Sie mich Murray“, sagte ich, in der Hoffnung, etwas wärmer mit ihm zu werden. Außerdem war anzunehmen, dass wir nicht zum letzten Mal zusammenarbeiteten. Irgendwo und irgendwann trifft man sich immer wieder in New York. Der Big Apple ist auch nur ein Dorf. Jedenfalls, wenn man zur selben Branche gehört. Dann läuft man sich auch in einer Acht-Millionenstadt immer wieder über den Weg.

Webbs nickte lediglich, ohne das Angebot zu erwidern, das ich ihm gemacht hatte.

Dann sagte er: „Der Chief sagte mir schon, dass jemand vom Ihrer Truppe hier früher oder später aufkreuzen würde. Schließlich ist Vladimir Ugarimov alles andere, als ein gewöhnliches Mordopfer...”

„Das ist wahr“, gab ich zurück.

„Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass Sie so schnell sind...“

„Ach, ja?“

„Wir stehen noch am Anfang unserer Ermittlungen und es wäre nett, Sie würden uns erst einmal ein bisschen vorankommen lassen, bevor Sie hier für Stress sorgen...“

„Ich mache keinen Stress“, stellte ich klar.

„Na großartig.“

„Aber ein bisschen voran gehen sollte die Sache schon, oder?“

„Das wird sie auch.“

„Um so besser.“

„Na sehen Sie!”

„Dann sind wir uns ja einig.”

Er verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich aus einem unerfindlichen Grund nicht mochte, und ich fragte mich, ob das etwas Persönliches war oder nur damit zu tun hatte, dass ich mich gerade auf einem Terrain tummelte, das er als sein Privatrevier betrachtete.

Ich ging an Webbs vorbei und warf einen Blick ins Schlafzimmer. Im Bett lag eine vierte Leiche.

Vladimir Ugarimov.

Ich kannte ihn von Fotos her. Im FBI-Computer gab es ein umfangreiches Dossier über ihn, und seine Prozessakten hätten eine mittlere Gemeindebibliothek gefüllt.

Er war Ukrainer, der auf dubiose Weise zu erheblichem Reichtum gekommen war. Man vermutete ihn als Drahtzieher hinter kriminellen Geschäften mit Giftmüll, aber für eine Verhaftung hatten die Beweise nie ausgereicht, oder sie waren aus irgendwelchen Gründen als nicht gerichtsverwertbar abgelehnt worden.

Das Giftmüllgeschäft war zur Zeit eine Domäne der Ukrainer, und sie verteidigten sie mit Klauen und Zähnen. Die Sache war ganz simpel und hatte auch höhere Gewinnspannen als der Rauschgifthandel. Man ließ sich für die Entsorgung von Giftmüll bezahlen, aber anstatt diesen wirklich auf teure Deponien zu bringen, ließ man ihn einfach in einem angemieteten Lagerhaus vor sich hin modern. Wenn der Schlamassel bemerkt wurde, waren die Täter längst über alle Berge und versuchten dieselbe Masche unter neuem Namen in einer anderen Stadt.

Ugarimov hatte sich ganz nach oben geboxt, und es war ein offenes Geheimnis, dass er seine Finger inzwischen auch in anderen dubiosen Geschäften gehabt hatte. Jetzt hatte seine Glückssträhne offensichtlich ein Ende gefunden.

„Was haben Ihre Ermittlungen bisher ergeben?“, fragte ich Captain Webbs, der mir ins Schlafzimmer gefolgt und hinter mir stehengeblieben war. Ich drehte mich zu ihm um, und er zuckte die breiten Schultern.

„Ein paar Ratten haben sich gegenseitig ausgelöscht. So sehe ich das.“

„Ich wollte einen Bericht, nicht Ihre Meinung über Mister Ugarimov.“ Ich sah ihn an und fügte hinzu: „Sie scheinen noch etwas mehr über Ugarimov zu wissen.“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

So als wollte er eine Fliege erschlagen.

„Was man so hört.“

„Und - was hört man?“

„Das steht doch alles in Ihren Akten. Er war ein Gangster, der es inzwischen weit genug gebracht hatte, um andere Gangster für sich arbeiten zu lassen. Und sich eine Wohnung wie diese hier zu leisten.“

„Ist übrigens seine Zweitwohnung“, warf Lew ein.

Webbs hob die Augenbrauen. „Ach...“

„Ja, kaum zu glauben”, sagte Lew.

„Und was ist das für eine Hütte, wo er tatsächlich wohnt?”, fragte Webbs.

„Er wohnt eigentlich in Paterson, New Jersey“, ergänzte Lew Parker. Ugarimov war also kein Bürger des Staates New York. Das allein schon machte seinen Tod zu einem Fall, der in unsre Zuständigkeit fiel, selbst wenn er nicht eine bekannte Größe des organisierten Verbrechens gewesen wäre.

Webbs begriff das auch sofort.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Also euer Fall”, stellte er fest.

„Unser Fall”, bestätigte Lew.

Ich hielt es nicht für notwendig, mich da einzumischen und das auch noch einmal zu bekräftigen, auch wenn die Tatsache, dass der Tote kein Bürger des Staates New York war, es zwar rechtfertigte, dass sich das FBI einschaltete. Aber das es gleich eine Spezialabteilung wie das Special Cases Field Office sein musste, erklärte sich damit noch lange nicht.

Webbs schien das egal zu sein.

Glücklicherweise.

Ich hasste Diskussionen um die Zuständigkeit.

Aber sie kommen leider immer wieder vor.

„Schon in Ordnung“, knurrte Webbs, dann erklärte er: „Der Security-Mann unten an der Pforte spricht von zwei Heizungsmonteuren, die hier hinauf wollten. Er hat sich telefonisch erkundigt - die beiden wurden tatsächlich erwartet. Merkwürdig war nur, dass eine halbe Stunde später nochmal zwei Monteure auftauchten. Die haben die Sauerei dann entdeckt.“

„Dann waren die beiden ersten also falsch“, stellte ich fest.

„Anzunehmen. Die Mörder sind richtig professionell vorgegangen und haben offenbar auch Schalldämpfer benutzt. Jedenfalls hat niemand Schüsse gehört. Und gute Schützen waren sie auch. Sie haben verdammt gut getroffen.”

„Tatzeit?“, fragte ich.

„Heute morgen, so gegen neun Uhr. Bei allem anderen müssen Sie schon auf das Labor warten.“

Ich nickte.

„Verstehe.”

„Haben Sie sonst eine Frage?”

Natürlich hatte ich das, auch wenn Webbs wohl langsam die Lust verging, den Antwort-Onkel zu spielen. Aber das war im Moment nunmal seine Rolle in diesem Spiel. Und die konnte ich ihm nicht ersparen. Inschallah...

Ich fragte: „Gibt es brauchbare Beschreibungen der beiden falschen Monteure?“

Webbs hob die Augenbrauen. Sie bekamen einen ziemlich steilen Steigungswinkel. Fast wie bei Mister Spock. Oder irgendeinem Teufel oder Dämon.

„Der Pförtner ist bei uns auf dem achtzehnten, er hilft bei der Erstellung von Phantombildern.“

„Gut.“

„Wer war die Frau?“, fragte Lew.

Er meinte die Frauenleiche, die in der Tür zum Badezimmer lag.

Webbs kratzte sich am Kinn und die Augenbrauen senkten sich wieder. „Reese Panadero. lebte seit drei Monaten in dieser Wohnung.“

„Und die beiden Leibwächter?“, fragte Lew.

„Keine Ahnung. Sie hatten keine Papiere bei sich.“ Webbs grinste schief. „Aber das kriegen wir auch noch raus.“

„Bestimmt”, sagte ich.

„Ja, oder wollen Sie das lieber alleine machen?”

„Nein, nein”, versicherte ich. „Die Amtshilfe der City Police können wir gut gebrauchen.”

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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