Читать книгу Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten - Alfred Bekker - Страница 38

3

Оглавление

Director Jay Chang Lee war Chef des Special Cases Field Office New York, einer Spezialeinheit des FBI, für die ich seit geraumer Zeit arbeite. Ein Mann so porentief rein und ehrbar, dass es schon fast nicht auszuhalten war.

Die Tugend in Person, so hätte man ihn auch nennen können.

Absolut korrekt.

Absolut integer.

Absolut ausgewogen.

Und absolut besonnen.

Und selbstverständlich war er in allem absolut der Beste in der ganze Abteilung und hatte immer absolut Recht.

Sie ahnen es schon.

Diese Sorte Vorgesetzte hat auch erhebliche Nachteile, wie Sie sich unschwer vorstellen können.

Mein Partner Lew brachte es mal auf den Punkt, indem er sagte: „Man kommt sich neben ihm immer irgendwie schmutzig und unvollkommen vor.”

Aber das ist eben der Unterschied.

Der Unterschied, der dafür sorgt, dass Leute wie Lew und ich auf der Straße Dienst machen und jemand wie Director Lee eben der Chef ist.

Dass Director Lee noch wesentlich höher steigt glaube ich allerdings nicht.

Wieso nicht?

Ganz einfach. Von einer gewissen Hierarchiestufe an sind dann wieder die eher etwas unappetitlichen, schmierigen Typen gefragt. Und da hat so ein Ultra-Saubermann, gegen den die Glatze von Meister Propper wie eine ölige Fettpfütze aussieht, eben keine Chance.

Lee fixierte mich mit seinem Blick.

Sein unbewegliches Gesicht musterte mich, während ich in seinem Büro saß und ihm einen mündlichen Bericht der Ereignisse gab. Seine dunklen Augen unterzogen mich der gewohnten Musterung. Eigentlich sagt man Asiaten ja nach, dass sie einen nicht so direkt anstarren. Aber Director Lee sah nur asiatisch aus. Er war in den USA geboren und so amerikanisch wie man nur sein konnte. Vielleicht sogar noch amerikanischer als es jemand mit langer Nase und und runden Augen sein musste. Ich hatte oft den Eindruck, dass Director Lee in puncto Patriotismus etwas kompensieren zu müssen glaubte.

Aber wehe, man spricht sowas aus.

In diesem Punkt war Director Lee ganz sicher nicht reif für die Wahrheit, so unerschrocken er auch sonst Fakten ins Gesicht zu blicken pflegte.

Was die dunklen Seiten seiner eigenen Person betraf, galt das nicht.

Aber das hatte er wohl mit vielen von uns gemeinsam. Also konnte er in diesem Punkt mit meiner Nachsucht rechnen.

Bis zu einem gewissen Punkt zumindest.

Aber dazu später mehr.

Nur so viel: Er überschritt diesen berühmten Punkt irgendwann in einer Weise, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.

Aber der Reihe nach.

„Sie denken, es ist wieder derselbe?“, fragte er schließlich, nachdem er mir eine Weile schweigend zugehört hatte.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Wird sich herausstellen.“

„Sicher.”

„Um ehrlich zu sein, ich bin ziemlich ratlos. Was glauben Sie, wie oft ich mir schon das Hirn darüber zermartert habe, wer dieser Irre sein könnte.”

„Offenbar nicht oft genug”, sagte Director Lee nüchtern.

„Tja, das mag sein.”

„Denken Sie immer wieder über die Frage nach, wer so einen Hass auf Sie haben könnte...“

Ich hob die Augenbrauen und vollendete seinen Satz, wovon ich eigentlich wusste, dass Director Lee das nicht leiden konnte. „...dass er mehrere Mordanschläge auf mich verübt?“

Lee verstand es ausgezeichnet, seinen Ärger darüber zu verbergen. Es war unmöglich, zu wissen, was hinter seiner glatten Stirn vor sich ging, die sich niemals in Falten legte und was dieser gleichförmige Gesichtsausdruck zu bedeuteten hatte, von dem man immer im Zweifel blieb, ob es sich wirklich um ein Lächeln handelte oder um etwas ganz anderes.

„Wem sind Sie in letzter Zeit auf die Füße getreten?“, fragte Director Lee.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Zu vielen.“

„Irgendjemand davon präsentiert Ihnen jetzt die Rechnung.“

Es war nur einer von mehreren Anschlägen auf mein Leben gewesen, die ich überlebt hatte. Manchmal ließ sich der Täter eine Weile Zeit, ehe er wieder zuschlug. Manchmal jahrelang. So lange, dass man schon glauben konnte, er hätte sein Ziel, mir eine Kugel in den Kopf zu jagen, inzwischen aufgegeben. Aber das hatte er nicht. Und das würde er auch niemals. Das hatte ich im Gefühl.

„Sir, darf ich vielleicht mal offen sprechen?“, sagte ich.

Director Jay Chang Lee hob die Augenbrauen, die bei ihm so gerade waren, als hätte jemand sie mit einem Kayal-Stift und einem Lineal gezogen. Aber bei ihm war das nur eine Laune der Natur.

„Bitte, tun Sie das, Murray. Was haben Sie auf dem Herzen?“

Unsere Blicke begegneten sich. Ich hatte dann oft das Gefühl, dass er zwar meine, ich aber nicht seine Gedanken lesen konnte. Natürlich war das alles nur Einbildung, aber das Gefühl war trotzdem real.

Ich sagte schließlich: „Was ich Ihnen jetzt sage, klingt vielleicht verrückt.“

Director Lee schien das nicht weiter abzuschrecken. Er sah mich mit seinem gewohnt regungslosen Gesicht an.

„Spucken Sie es trotzdem aus”, verlangte er.

Ich rieb mir das Kinn. Eine Verlegenheitsgeste. Und ich ärgerte mich darüber, sie gemacht zu haben, denn ich wusste, dass mein Chef sie richtig zu interpretieren wusste. Aber es war zu spät, um diese Bewegung noch mittendrin abzubrechen. Das hätte noch lächerlicher ausgesehen.

„Ganz, wie Sie meinen.“

„Also?“ Dieses Also hatte den Ton, den man in einem Verhör erwartet. Schien eine Berufskrankheit unseres Directors zu sein, die er einfach nicht ablegen konnte. Aber das ist bei mir vielleicht genauso. Also. Er sagte es mit der Schärfe einer Rasierklinge und einer unterschwelligen Sub-Botschaft, die nicht mehr, aber auch nicht weniger sagte als, dass es irgendwelche schrecklichen Konsequenzen nach sich ziehen würde, sollte man es wagen, irgendeine relevante Information zurückzuhalten. Director Lee hatte es drauf. Das Einschüchtern, meine ich. Das musste der Neid ihm lassen. Und das funktionierte nicht nur bei Verdächtigen. Bei Untergebenen klappte das mindestens genauso gut. Und ich war da leider keine Ausnahme.

Die wirklich guten Tricks funktionieren eben auch dann, wenn der Gegner sie durchschaut.

Wenn man dann derjenige ist, der darauf hereinfällt, ärgert man sich nochmal so heftig - und kann doch nichts machen.

Leider.

Ist Kismet.

Schicksal.

„Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Irre mich wirklich ERSCHIESSEN will, wenn Sie verstehen, was ich meine”, erklärte ich.

Director Lee schüttelte energisch den Kopf.

„Ehrlich gesagt: Nein.“

„Was ich damit sagen wollte ist: Es könnte auch sein, dass er mich nur erschrecken will..“

Die undurchdringlichen Züge von Director Jay Chang Lee ließen nicht erkennen, was er von meinen Worten hielt. Augen sind Fenster der Seele, sagt man. In dieser Hinsicht waren Mister Jay Chang Lees Augen vollkommen blind. Fenster, durch die man gar nicht erst hineinzusehen brauchte. Sie waren so vollkommen verhangen, wie bei meinen syrischen Großeltern, die immer der Auffassung gewesen zu sein schienen, dass niemand ihnen in die Wohnung zu blicken hatte und die eigenen vier Wände so etwas wie ein abgeschottetes Heiligtum waren.

„Sir, der Killer hat bis jetzt immer nur Leute in meiner Umgebung umgebracht. Er schießt gut. Er macht sich keine Mühe seine Täterschaft zu verschleiert, indem er verschiedene Waffen benutzt.“

„Er will, dass man ihn als denselben Täter identifiziert? Denken Sie das?“

„Ja. Aber wissen Sie, wenn dieser Kerl wirklich mir eine Kugel in den Kopf jagen wollte, dann hätte er es, glaube ich, längst getan.“

Jay Chang Lee rieb sich das Kinn.

Ein Zeichen dafür, dass er nachdachte.

Und ein Zeichen dafür, dass er im Moment nichts sagen, sondern einfach nur einen Augenblick nachdenken wollte. Man störte ihn besser nicht bei seinen tiefschürfenden Gedankengängen. Man wartete am besten einfach ab, bis diese tiefen Gedanken schließlich zu einem Resultat kamen, das sich verbal ausdrücken ließ.

Director Lee atmete tief durch und ließ die Hände in den weiten Taschen seiner Flanellhose verschwinden.

Dann sagte mein Chef plötzlich: „Vielleicht haben Sie Recht, Murray... Er will Ihnen zeigen, wie mächtig er ist. Dass er Sie ausknipsen kann, wann immer er will.“

Ich nickte. „So ähnlich.“

„Er zeigt Ihnen mit jeder dieser perversen Aktionen, dass er über Ihr Leben absolut gebietet, Murray. Er könnte Sie jederzeit töten. Noch hat er es nicht getan, aber Sie wissen natürlich, dass Sie gar nicht die Macht hätten, es zu verhindern, Murray.”

„Ja, leider...” murmelte ich. Und genau dieser Punkt machte mich nahezu rasend.

Director Lee fuhr fort: „Er wählt Orte aus, an denen Sie eigentlich nicht mit ihm rechnen dürften - und dann schlägt er erbarmungslos zu.”

„All die unschuldigen Toten...”, murmelte ich.

„Belastet Sie das?”

Ich hob die Augenbrauen.

„Was denken Sie denn, Director Lee! Glauben Sie, ich bin aus Holz?”

„Natürlich nicht.”

„Denken Sie vielleicht, Muslime werden mit dem Sprengstoffgürtel am Körper geboren und ein paar Tote mehr oder weniger machen ihnen nichts aus?”

„Murray...”

Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ist doch wahr”, knurrte ich und es wahr wohl unüberhörbar, wie gereizt ich war.

Director Lee nahm das zur Kenntnis - und blieb dabei kalt wie ein Fisch. Genau, wie man es von ihm erwartete.

Er sagte: „Jetzt werden Sie unsachlich, Murray. Die Sache scheint Sie doch mehr Nerven zu kosten, als Sie uns allen vielleicht weiszumachen versuchen.”

„Jetzt wollen wir mal nicht übertreiben.”

„Wieso übertreiben? Sie sind so geladen wie eine Hochspannungsleitung. Wehe, Ihnen kommt jemand zu nahe, dann kriegt er hunderttausend Volt ab und wird gegrillt wie auf dem elektrischen Stuhl.”

„Quatsch, ich bin vollkommen ruhig.”

„Sind Sie nicht.”

„Die Ruhe selbst!”

„Eine wandelnde Atombombe.”

Scheiße, ich begann zu ahnen, worauf das hinauslief. Und je mehr ich darüber aufregte, desto klarer würde Director Lee die Sache in seinem Sinn entscheiden.

Und das gefiel mir nicht.

Ich war nämlich weder irre noch arbeitsunfähig oder sonstwas. Es gab keinen Grund, mich vom Dienst zu suspendieren oder in Erholungsurlaub zu schicken. Ich wollte einfach nur weiter meinen Job machen. Routine, das erschien mir das Beste im Moment.

Wobei mein Job eigentlich kaum Routine zulässt. Aber das ist wiederum ein anderes Thema. Ein ganz anderes.

Ich musste erstmal eine ganze Ladung purer Luft hinausblasen. Luft, die sich in mir irgendwie angestaut hatte und die mich wahrscheinlich irgendwann ganz einfach zum Platzen gebracht hätte, hätte ich in diesem Moment nicht die Möglichkeit gehabt, sie loszuwerden.

Das Schlimme war: Director Lee hatte Recht. Diese Sache ging mir mehr an die Nieren, als ich wahrhaben wollte. Mehr als viele andere unangenehme Dinge, die ich in den letzten Jahren während meines Dienstes im Special Cases Field Office des FBI erlebt hatte.

Und genau das war wohl auch letztlich der Grund, warum ich so absolut empfindlich reagierte, obwohl ich durchaus sagen kann, dass das ansonsten gar nicht meine Art ist. Meine Mutter zum Beispiel hält mich heute noch für einen richtigen Phlegmatiker. Es gibt eben immer unterschiedliche Facetten.

Eine Pause folgte.

Und dann kam der Hammer.

Lee sprach den Punkt an, auf den das ganze Gespräch wohl von Anfang an hatte hinauslaufen sollen - zumindest wenn es nach Lees Regie ging. Und danach ging es immer. Bei allem, was innerhalb der Abteilung geschah. Es gab keinen Furz, der nicht kontrolliert und von ihm genehmigt gewesen wäre.

„Können Sie arbeiten?“, fragte Mister Jay Chang Lee.

Jetzt war es also raus. Können Sie arbeiten? Eine Frage, die schon wie ein Urteil klang. Ein Urteil, das da lautete: Reif fürs Irrenhaus.

Ich antwortete und versuchte innerliche Überzeugung vorzutäuschen. Aber das geht eigentlich immer schief. Man kann nur gut lügen, wenn man die eigene Lüge glaubwürdig findet. Zumindest für einen kurzen Moment. Oder sich zumindest vorstellen kann, dass diese Lüge auch der Wahrheit entsprechen könnte. Aber so konnte das nichts werden. Und ich wusste das.

„Sicher“, behauptete ich.

Überzeugend klag das nicht.

Ganz und gar nicht.

Director Lee durchbohrte mich förmlich mit seinem Blick.

„Ich meine, unter diesen Bedingungen“, fügte er noch hinzu.

Diese Bedingungen! Zum Teufel mit diesen Bedingungen!

Ich zuckte mit den Schultern. „Wieso nicht? Ich werde ja jetzt vermutlich erstmal wieder eine ganze Weile Ruhe vor dem Kerl haben?“

„Seien Sie sich nicht zu sicher...“

„Ein bisschen Zeit wird er sich wohl lassen...“

„Nein, das meine ich nicht.“

Ich sah auf. „Nicht?“

„Ich meinte, dass es ein Kerl ist. Da sollten Sie sich nicht zu sicher sein.“

„Ach so.”

Ich hatte eigentlich erwartet, dass er jetzt etwas von Erholung, Urlaub, Suspendierung, Innendienst, psychologischer Behandlung und so weiter sagte.

Aber das tat er nicht.

Diese Stufe der Eskalation wollte er sich offenbar noch aufsparen. Oder er schätzte mich als stabil genug ein, um den Dienst ganz normal fortzusetzen.

So aufgefasst, war Director Lees Schweigen zu allem weiteren vielleicht sogar eine Art von Kompliment. Die Art von Kompliment, die man von einem Perfektionisten wie Lee eben erwarten konnte. So richtig herzlich und warmherzig kam er eben nunmal nicht rüber.

Vielleicht ahnte er im tiefsten Inneren seiner Seele auch, dass er vielleicht all das, was er mir nicht vorgeschlagen hatte, selbst viel nötiger hatte als ich. Ich fragte mich nicht zu erstenmal, ob diese glatte, harte Fassade der Perfektion und Tugendhaftigkeit vielleicht wirklich nichts weiter war als eben eine Fassade. Und dass da dahinter gar nichts weiter war oder irgendwas Weiches und vielleicht sogar Faules. Dinge, die zu gut sind, um wahr zu sein, will man einfach nicht glauben.

„Sie können gehen, Murray.”

„Danke, Sir.”

Bevor ich das Büro des Chefs verließ, fragte er mich dann doch noch etwas. Ich hatte gerade die Türklinke angefasst, um den Raum zu verlassen. Director Lee hatte wirklich einen außergewöhnlichen Sinn für’s Timing.

„Wie kommen Sie mit Ihrem Partner klar, Murray?“

„Mit Lew Parker?“

„Ja.“

„Wir kommen super klar.“

„Freut mich.“

Ich hatte die Tür schon mit einem Fuß durchschritten, da drehte ich ich noch einmal um.

„Haben Sie das gefragt, weil Lew Jude oder weil er schwul ist?“

Director Jay Chang Lee hatte bereits hinter seinem Schreibtisch platzgenommen.

Er sah auf.

Für einen kurzen Moment glaubte ich, den Ausdruck von Überraschung in seinem Gesicht erkennen zu können.

Oder zumindest so etwas wie die Ahnung von Überraschung.

Vielleicht war es auch nur Einbildung.

„Ich habe gefragt, weil ich wissen wollte, wie es mit Ihnen beiden läuft.“

„Und ich hatte schon geglaubt, dass Sie deswegen fragen, weil Sie glauben, dass jeder, der ein Muslim ist oder auch nur einen halben Tropfen arabischen Blutes in den Adern fließen hat, intolerant, schwulenfeindlich und antisemitisch beziehungsweise antizionistisch ist und dass ein schwuler Jude als Partner so etwas wie der ultimative Toleranztest für mich sein könnte. Ob ich wirklich mehr auf dem Boden der amerikanischen Verfassung als auf dem des Korans stehe.“

„Ihr Glaube ist Ihre Privatsache, Murray.”

„Ach wirklich, ist er das?”

„Ja.”

„Und warum fragen Sie mich dann sowas?”

„Weil ich sowas jeden frage, Murray.”

„Na dann...”

„Und im Übrigen pflege ich mir beim Fragen von Niemandem Vorschriften machen zu lassen. Auch nicht von Ihnen, Murray. Und wenn ich bei Ihnen da irgendeine empfindliche Stelle getroffen habe, dann tut es mir keineswegs leid.”

Mister Jay Chang Lee blieb so kalt wie ein zu hoch eingestellter Gefrierschrank.

Das traf es sehr exakt.

Und es war keineswegs da erste Mal, dass er so auf mich wirkte.

Nein, das war einfach seine Art.

Freundlich formuliert hätte man auch ‘sachlich’ dazu sagen können.

Man hätte...

Aber warum hätte ich freundlich sein sollen, Director Lee war es ja schließlich nicht. Jedenfalls nicht in der Zeit, in der ich in seiner Abteilung war. Man sagt immer, Gegensätze ziehen sich an. Tun sie aber nicht. Ich sage Ihnen, sie tun es wirklich nicht. Die Wahrheit ist: Sie stoßen sich ab. Mal mehr und mal weniger heftig, aber in der Regel doch deutlich spürbar. Und genau das war zwischen Director Lee und mir auch der Fall.

Lee hob die Augenbrauen. Die Art und Weise, wie er das machte, mochte ich nicht. Lee gehörte zu den Menschen, die nicht extra Worte machen mussten, um ihrem Gegenüber zu zeigen: Ich bin tausendmal schlauer als du.

Es gibt Leute, die brauchen dazu nur ihre Augenbrauen, um ihre Geringschätzung deutlich zu machen.

Und Lee war einer davon. Und bei ihm machte das auch viel Sinn, die Augenbrauen zu benutzen. Über eine nennenswerte Gesichtsmimik verfügte er ja schließlich nicht.

„Sie können gehen, Murray.“

„Genau genommen, bin ich schon weg.“

„Um so besser.“

„Na, sehen Sie!”

„Sie sind unverbesserlich, Murray.”

„Ich weiß, Sir.”

Lee sah mich an.

Lange.

Sehr lange.

Und wie gewohnt unangenehm.

Ein Blick, den ich nicht vergessen würde.

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

Подняться наверх