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„Das stinkt doch zum Himmel, Rudi!“, meinte ich, während wir im Wagen saßen, um uns mit dem Kollegen Gregor Lindeman zu treffen. Lindeman war Brakowskis Vorgesetzter gewesen, als dieser in eine Schießerei verwickelt worden war, bei der Brakowski einen Mann erschossen hatte, der für kurze Zeit als der Killer mit der Delle galt.

Dieses Treffen mit Lindeman war der indirekte Weg, den Kriminaldirektor Hoch vorgeschlagen hatte und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr musste ich insgeheim zugeben, dass es vielleicht besser war, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen und Brakowski frühzeitig aufzuscheuchen – was immer er auch zu verbergen haben und auf welche Weise er auch genau in diesen Fall verwickelt sein mochte.

„Bei allem Verständnis, Harry, bisher haben wir nichts, was wir Brakowski im juristischen Sinn vorwerfen können.“

„Ich habe das Gefühl, dass wir fast alle Teile dieses Puzzles vor uns auf dem Tisch liegen haben, aber wir haben sie bisher einfach noch nicht richtig zusammengesetzt!“, gab ich zurück.

„Das kommt schon noch, Harry! Und ich hoffe nicht, dass bis dahin noch irgendjemand eine Kugel im Kopf hat!“

„Abu-Khalil weiß bescheid“, legte ich mich fest. „Und was Abu-Khalil weiß, wusste offenbar auch Firat Amri!“

„Ich kann dir nicht ganz folgen, Harry!“

„Sie hatten dieselbe Quelle, Rudi!“

„Und wer sollte das gewesen sein?“

„Amadeo Felmy!“, sagte ich aufs Geratewohl. „Den kannten beide und wir haben nicht das geringste Anzeichen dafür, dass Abu-Khalil und Felmy sich wirklich verkracht hatten.“

„Und das geplante Buch?“, fragte Rudi.

Ich zuckte die Schultern. „Vielleicht musste Abu-Khalil das gar nicht fürchten. Ein paar Anekdoten über die Mafia-Clans, das empfinden manche von denen doch als eine Art Denkmal, vorausgesetzt es ist nichts dabei, wofür man sie noch belangen könnte.“

„Ja, so könnte es gewesen sein. Ich betone aber könnte, Harry.“

„Was ist mit Arthur Malkowski? Könnte der auch an der Sache dran gewesen sein und herausgefunden haben, wer der Killer mit der Delle ist? Vielleicht ist er während der Arbeit an dem Buch über Amadeo Felmy darauf gestoßen. Das Laptop und die Datei sind weg, es muss etwas damit zu tun haben, Rudi!“

„Warten wir mal ab, was Kolleg Lindeman sagt.“

Lindeman erwartete uns in seinem Büro auf seiner Dienstelle.

Er war ein freundlicher älterer Herr mit grauen Haaren und einem etwas zerzausten Schnauzbart.

„Setzen Sie sich. Kriminaldirektor Hoch hat mir schon im Groben gesagt, worum es geht“, sage Lindeman. „Wenn Sie einen Kaffee wollen....“

„Nein danke“, wehrte ich ab.

Lindeman grinste. „Das gehört zu den Vorzügen des Schreibtisch-Jobs, den ich seit einigen Jahren habe. Aber nachdem ich lange Zeit sozusagen in vorderster Front war, habe ich mir das verdient, wie ich finde.“

„Sie waren vor einigen Jahren der Vorgesetzte von Karlheinz Brakowski.“

„Ja, der Junge hat wirklich Karriere gemacht und ist irgendwann auch an mir vorbeigezogen. Aber ich muss ehrlich zugestehen, dass er einfach zu den Besten gehörte. Vor allem hatte er etwas, das mir fehlt. Zumindest in diesem Ausmaß...“ Lindemans Gesicht wirkte nachdenklich. Er stand auf, ging zur Kaffeemaschine, nahm einen Plastikbecher, füllte ihn voll und nippte daran.

„Was meinen Sie genau damit?“, hakte ich nach.

Lindeman setzte sich wieder. „Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Er war immer erfüllt von einer besonderen Art von...“

„.... Ehrgeiz?“

„Nein, das war mehr. Viel mehr! Ehrgeizig war jeder in unserer Abteilung. Das muss man auch sein. Schließlich ist es gar nicht so leicht, beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen, den langem Atem zu behalten. Aber wem sag ich das? Sie können sicher dasselbe Lied singen. Jeder von uns war erfüllt von dem Gedanken, unsere Stadt etwas sicherer zu machen und dafür zu sorgen, dass nicht ein paar starke Kriminelle sich über das Gesetz stellen können, indem sie sich die Fassade von sauberen Geschäftsleuten geben, obwohl in ihrem Business die Geschäftsbücher in Wahrheit mit Blut geschrieben werden. Aber bei Brakowski war noch so eine fanatische Entschlossenheit dabei, die ihn dazu befähigte, etwas hartnäckiger, etwas härter, noch etwas zielstrebiger zu sein als die anderen. Insofern wundert es mich nicht, dass er es ganz nach oben geschafft hat.“

„Er scheint es besonders auf diesen Killer mit der Delle abgesehen zu haben“, stellte ich fest.

Gregory Lindeman verzog das Gesicht. „Ja, diese eiskalte Bestie läuft wohl immer noch frei herum und mordet für jeden, der dafür genug bezahlt.“

„Aber Brakowski glaubte, diesem Killer auf den Fersen zu sein!“

„Ja, es handelte sich um einen Mann, dessen Identität wir nie wirklich klären konnten. Er lebte unter dem Name Paul Ahlborg in Wilmersdorf. Karlheinz war überzeugt davon, dass er der Killer mit der Delle ist.“

„Wie waren die genauen Umstände dieser Schießerei, die es dann gab?“, fragte ich.

Lindeman lächelte. „Sie haben doch auch Zugang zu den Akten, oder?“

„Da steht nicht viel drin.“

„Es gibt auch nicht viel zu sagen. Brakowski wollte Paul Ahlborg stellen, als der sich mit ein paar Gangstern aus dem Wedding traf.“

„Auftraggebern?“

„Vielleicht. Das Ganze war natürlich Wahnsinn und Karlheinz hat in diesem Fall völlig auf eigene Faust gehandelt. Bevor die Verstärkung eintraf, war alles vorbei. Brakowski war der einzige, der die Schießerei überlebt hatte. Nja, seine Ergebnisse auf dem Schießstand waren immer schon beeindruckend gewesen. Und so, wie ich höre, trifft das immer noch zu!“

„So?“

„Naja, ich treffe manchmal ein paar von den Kollegen, die damals dabei waren. Und die sagen mir, dass Karlheinz Brakowski immer noch Bestleistungen auf dem Schießstand erbringt, obwohl das in seinem jetzigen Schreibtischjob wohl nicht mehr so wichtig sein dürfte.“

„Nun, es scheint das als eine Art Sport zu begreifen!“

„Ja, vielleicht.“

„Hat Brakowski eigentlich auch mal über die Stränge geschlagen? Gesetze missachtet, Vorschriften einfach zur Seite gewischt...“

Lindeman nickte. „Da gab es ein, zwei Fälle wegen Misshandlungen, die bei Verhaftungen passiert sind – beziehungsweise passiert sein sollen. Es kam nie zu einem Prozess. Ich weiß noch, dass ich ihn mir mal deswegen zur Brust nehmen musste. Da hatte er einem Mann, von dem wir alle wussten, dass er ein stadtbekannter Dealer war, aber dem nie etwas nachgewiesen werden konnte, genug Drogen untergeschoben, um ihn für ein paar Jahre nach Moabit zu bringen. So etwas geht natürlich nicht.“

„Sie haben ihn gedeckt?“

„Sagen wir es so: Ich habe die Sache in Ordnung gebracht. Aber wenn ich daran denke, dann klingeln mir schon die Ohren! Vor allem, wenn ich daran denke, dass Karlheinz andernfalls nie so weit gekommen wäre.“

„Er weiß davon?“

„Nur ich und er. Aber ich würde das nicht ausgraben, um ihm zu schaden.“

„Eine letzte Frage, Herr Lindeman: Hat Brakowskis Jagdeifer in Bezug auf den Killer mit der Delle nach der Schießerei nachgelassen?“

„Allerdings! Das ist mir auch aufgefallen. Er hatte sich geradezu fanatisch in diesen Fall hineingesteigert, aber nach dieser Schießerei hatte er sich völlig verändert. Übrigens hat er unsere Abteilung dann auch wenige Monate später verlassen.“

„Gab es dafür einen Grund?“

Lindeman zuckte die Schultern. „Damals dachte ich, dass ihn die Schießerei vielleicht traumatisiert hatte.“

„Und heute?“

„Ich weiß es nicht, Herr Kubinke. Irgendwie umgab Karlheinz immer ein Geheimnis. Er ließ kaum jemanden an sich herankommen und nach diesem Vorfall war das völlig vorbei. Er hatte auch kaum noch jemanden, der ihm wirklich nahe stand. Seine wenige Freizeit hat er vermutlich allein auf seinem Motorboot verbracht.“

„Karlheinz Brakowski besitzt ein Boot?“, fragte ich.

„Ja. Früher jedenfalls, ob er es jetzt noch benutzt, weiß ich nicht. Ich bin einmal mitgefahren.“

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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