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Ich stellte meinen Wagen in eine der wenigen Parklücken, die ich noch finden konnte. Parkplätze sind in New York etwas, das wertvoller sein kann, als die dazugehörige Wohnung oder die Blechkiste, die dann schließlich auf dem kostbaren Stück Asphalt zu stehen kommt. Es ist einfach eine Frage von Angebot und Nachfrage. Und letztere ist nunmal viel größer als Ersteres.

Ich stieg aus, klappte die Tür zu. Um den halben Block musste ich bis zu meiner Wohnung laufen.

Ich stellte mir den Kragen meiner Jacke hoch.

Es versprach lausig kalt zu werden in dieser Nacht.

Der Wind pfiff durch die Häuserschluchten und vom Hudson zog Nebel aus. Feuchte Schwaden, die wie der eisige Dunst aus dem Totenreich daherkamen. So als ob die Geister all der Mafiaopfer, die in den letzten fünfzig Jahren in dem großen Fluss mit Betonfüßen beschwert und versenkt worden waren, beschlossen hatten, ausgerechnet jetzt aus dem trüben Gewässer emporzusteigen.

Ich ging um die Ecke. Neben mir die Wand eines Brownstone-Hauses, wie sie für die Gegend so typisch waren. Fast fünfzig Meter hatte ich bis zum Eingang des Mietshauses noch vor mir, in dem ich mich einquartiert hatte.

Es war keine besondere Wohnung.

Eine, in der man schlafen konnte. Sonst nichts. Aber ehrlich gesagt, für sonst etwas brauchte ich sie auch nicht. Der Job fraß neunzig Prozent meiner Zeit und wenn ich mich verabredete, dann bestimmt nicht bei mir zu Hause.

Längerfristige Beziehungen sind wahrscheinlich auch für Leute wie mich nichts, die mit ihrem Job verheiratet sind und sich einer Sache gewidmet haben. Dem Kampf gegen das Verbrechen nämlich. Ist aber auch möglich, dass ich Unsinn rede.

Unsinn, weil ich vielleicht einfach nur noch nicht die Richtige getroffen habe.

Aber mir ist andererseits schon klar, dass meine gegenwärtige Tätigkeit beim Special Cases Field Office keineswegs besonders familienfreundlich ist.

Ich ging noch in den Laden, der kurz hinter der Ecke kam und 24 Stunden geöffnet hatte.

Der Laden war klein. Und es erstaunte mich immer wieder, wie viel Zeug man doch auf wie wenig Platz unterbringen kann. Aber das war die besondere Stapelkunst von Donna, der Inhaberin. Donna hatte freundliche blaue Augen und ein rundes Mondgesicht. Sie war schätzungsweise dreißig und irgendwas und die gute Seele der Straße. Wenn jemand wie ich mitten in der Nacht von einem Einsatz kam, weil sich Drogendealer und solche Leute leider nicht an die Bürozeiten des Field Office halten, dann konnte ich hier noch einen Coffee to go oder einen Schokoriegel kaufen. Oder auch ein Comic-Heft. Denn ganz ehrlich, wenn man vielleicht einen Tag lang sich in seinem Wagen den Arsch plattgesessen hat, um darauf zu warten, dass irgendein fieses Drogengeschäft doch noch über die Bühne geht, von dem ein Informant behauptet hat, dass es der Deal des Jahrhunderts werden soll, dann kann man hinterher nichts anders mehr lesen, als Blasentexte. Die permanente Aufmerksamkeit bei solche Einsätzen, gepaart mit stundenlanger, scheinbarere Untätigkeit ist nämlich eine fatale Mischung.

Ich kaufte also bei Donna einen Schokoriegel, weil dies mal wieder ein Tag gewesen war, an dem ich kaum zum Essen gekommen war.

„Hi, Donna.“

„Hi.“

„Na, laufen die Geschäfte?“

„Könnte besser gehen.“

„Tja...“

„Machst du eine Abmagerungskur, Murray, oder wieso kaufst du in letzter Zeit so wenig Schokoriegel?“

„Habe ich die vielleicht nötig?“

„Naja.“

„Nun erlaube mal!“

Ich bezahlte.

Dabei brauchte ich relativ lange, um das Geld herauszufingern. Mir fehlten zehn Cent.

Dann sah ich den roten Punkt tanzen. Der Laserpointer einer Zielvorrichtung. Der Schuss ließ das Schaufenster zerspringen. Donna taumelte zurück. In ihrer Schläfe war ein rotes Loch. Ihr Mondgesicht hatte sich zu einer Fratze des Schreckens verzogen. Ein zweiter Schuss traf sie hinter dem Ohr. Sie war noch nicht auf den Boden gesunken, da ließ der dritte Schuss den Schädel platzen. Blut und Hirn spritzten bis zur Decke.

Ich hatte längst die Waffe herausgerissen.

Ohnmächtige Wut erfasste mich.

Draußen herrschte das übliche Gemisch aus Licht, Dunkelheit, aufblitzenden Scheinwerfern, Neonreklame und Finsternis.

Woher die Schüsse gekommen waren, konnte ich nicht erkennen.

Wie auch?

Ich stürzte aus dem Laden hinaus.

Rannte dabei einen alten Mann fast über den Haufen.

„Vorsicht!“, rief der.

Die Schüsse waren aus einer Waffe mit Schalldämpfer abgefeuert worden.

Schussgeräusche waren nicht zu hören gewesen. Und deshalb konnte der alte Mann auch nichts davon gehört haben. Und dass die Scheibe zerborsten war, schien ihm nicht weiter aufgefallen zu sein. Aber seine Brille war auch so dick wie ein Flaschenhals und abgesehen davon starrte er damit unablässig auf den Boden, weil er wohl sehen wollte, wo er hintrat.

Liegt ja auch genug Scheiße auf der Straße.

Ich stürzte hinaus.

Wenig später hörte ich den heiseren Schrei des alten Mannes. Er hatte offenbar noch nie eine Leiche ohne Kopf gesehen.

Ich ließ den Blick schweifen.

Was ich tat, war verflucht gefährlich. Das wusste ich wohl.

Ein roter Strahl tanzte durch die Luft. Dünn wie ein Zwirnsfaden aus purem, gebündeltem Licht.

Ich warf mich zur Seite, rollte mich am Boden ab und nahm hinter einem parkenden Fahrzeug Deckung. Kugeln zertrümmerten in den nächsten Augenblicken dessen Scheiben.

Der Schütze musste sich irgendwo auf der anderen Straßenseite befinden.

Wahrscheinlich feuerte er vom zweiten oder dritten Stock aus. Von einem Fenster aus, wo man einen direkten Blick in Donnas Laden hatte.

Der Killer hatte einfach auf mich gewartet und dann zugeschlagen!, so ging es mir durch den Kopf.

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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