Читать книгу Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021 - Alfred Bekker - Страница 35

Vierzehntes Kapitel: Neue Wege

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„Man mag dich in Zukunft die Meisterin des Wasserzeichens nennen“, sagte Meister Wang, nachdem er die fertigen Blätter einzeln ins Licht gehalten hatte. Die Werkstatt war immer noch ein Provisorium. Aber immerhin gab es ein Schöpfbecken und gute Siebe. Und vor allem auch genug Lumpen, um daraus Papier machen zu können. Bei der Presse musste man sich behelfen – und das würde wohl auch auf absehbare Zeit so bleiben. Die zu trocknenden Blätter wurden wie gehabt zwischen je zwei Lagen aus Filz gelegt, die dann mit Steinen beschwert wurden.

Li hatte ein Wasserzeichen entworfen, das die Kuppelform des Felsendoms nachzuzeichnen suchte.

Meister Wang ließ das Blatt, das er gerade in der Hand hielt, dann plötzlich sinken. Er stützte sich an der Wand und wirkte aschfahl. Schon seit einigen Tagen hatte Li bemerkt, dass es ihrem Vater nicht allzu gut ging, auch wenn er selbst das immer bestritten hatte, wenn sie ihn darauf ansprach. Aber er hatte matt und schwach gewirkt.

Er hielt sich nun kurz den Bauch.

„Was ist mit dir, Vater?“

„Das wird das Essen der Araber sein. Das ist mir noch nie gut bekommen... Eine fade Küche ohne Geschmack! Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn sie alles so lange garen, bis es sich völlig zersetzt hat. Das Element des Feuers lockt geheime Kräfte hervor, wenn es in Maßen angewendet wird – aber es vertreibt diese guten Kräfte auch...“

Er versuchte seinen Zustand zu überspielen und vielleicht wäre ihm das bei jemand anderem auch gelungen. Schließlich behielt sein Gesicht auch jetzt einen Ausdruck von Gelassenheit und Ruhe, auch wenn er etwas blass wirkte und seine Augen auf eine ungesunde Weise zu glänzen begonnen hatten.

Aber Li konnte er nichts vormachen. Sie kannte ihren Vater gut genug, um zu wissen, wie es ihm wirklich ging.

„Du solltest etwas ausruhen“, sagte sie.

„Gao steht schon seit Tagen kaum noch auf – und wie soll denn sonst die ganze Arbeit geschafft werden?“

„Wenn wir sie schaffen, dann wird nur Firuz den Nutzen daraus ziehen.“

„Wir auch!“, widersprach Meister Wang. „Papier zu machen ist das einzige, was wir können. So lange wir noch in Xi Xia waren – und selbst in Samarkand! - habe ich immer geglaubt, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass jedermann die Wichtigkeit dieses Handwerks erkennt. Aber je weiter westlich man reist, desto weniger scheint sich diese Erkenntnis verbreitet zu haben...“

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Am nächsten Tag ging es Meister Wang so schlecht, dass er nicht aufstehen konnte. Er phantasierte im Fieber und schien unter schrecklichen Leibschmerzen zu leiden.

„Das muss das Fieber sein, das zur Zeit in der Stadt grassiert“, meinte Li, als sie ihren Vater auf seinem Lager im Stall elend daliegen sah. „Ich werde zu Bruder Anastasius ins Muristan gehen, vielleicht wissen die ein Mittel gegen diese Krankheit!“

„Hast du nicht gesagt, das Muristan sei ein Hospital für christliche Pilger?“, murmelte Meister Wang und seine Stimme war dabei kaum hörbar. „Die Christen verstehen noch weniger von der Medizin als die Muslime... Was für eine Hilfe kann man da erwarten?“

„Ich werde es trotzdem versuchen!“

„Du wirst dir nur selbst den Tod holen – weil diese Fieberarten ansteckend sind... Bruder Anastasius wird schon gewusst haben, weshalb er dir geraten hat, dort nicht hinzugehen. So hast du es mir doch... berichtet...“ Meister Wang sank auf sein Lager zurück und atmete schwer. Er schloss die glasigen Augen und hielt sich wieder den Leib.

„Ruh dich aus, Vater“, sagte Li.

„Mir ist so kalt“, murmelte er vor sich hin und Li holte eine zusätzliche Decke, die eigentlich für die Pferde bestimmt war und und bedeckte ihn damit. Dan sah sie zu Gaos Lager hinüber, der sich in eine Ecke zurückgezogen hatte. Er lag auf dem Stroh, zusammengekrümmt und mit dem Gesicht zur Wand. Li war aufgefallen, dass er schon eine geraume Weile nicht mehr gehustet hatte. Eigentlich gab es selbst in der Nacht kaum eine Stunde, da man nicht seinen rasselnden Atem hörte.

Eine furchtbare Ahnung beschlich Li. Sie ging zu dem Lager des Gesellen, kniete nieder und fasste ihn an der Schulter. Sie drehte ihn herum. Ein Schwall von blutigem Schleim bedeckte den Mund und Kleidung und auch den Boden. Seine Augen waren starr und tot.

Der Schrei blieb Li in der Kehle stecken. Sie war eine Moment lag wie gelähmt. Dann schloss sie Gao die Augen.

Mochte Allah es ihm lohnen, dass er die Offenbarung seines Propheten erkannt hatte – und mochte er ihn in sein Paradies aufnehmen, wie es jedem Muslim versprochen wurde.

Lis Lippen beteten. Tränen rannen ihr über das Gesicht.

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Innerhalb der nächsten Tage kam das Leben in der Stadt fast ganz zum erliegen. Das Fieber griff um sich und zwang viele Menschen auf ihr Lager. Man konnte ungehindert durch die Straßen gehen. Viele Händler hatten ihren Verkauf eingestellt und fluchtartig die Stadt verlassen, um sich nicht selbst anzustecken und auf den Friedhöfen von Juden, Christen und Muslimen fanden jetzt täglich Beisetzungen entsprechend der jeweiligen Gepflogenheiten statt. Da Gao Muslim geworden war, wurde er zusammen mit ein paar anderen niederen Bediensteten und Sklaven in einer kurzen Zeremonie beerdigt. In Tücher gehüllt – wozu einige der Lumpen genommen wurden, die eigentlich zur Papierherstellung angeschafft worden waren, wurde er unter die Erde gebracht.

Li stand etwas abseits und sah dabei zu. Meister Wang war zu schwach gewesen, um dabei sein zu können.

„Wer weiß, wie lange man überhaupt noch jemanden bestatten können wird, wenn erst einmal die Totengräber vom Fieber dahingerafft worden sind!“, sagte Meister Wang später dazu, als Li ihm von der Zeremonie berichtete.

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Es hieß, dass alle Hospitäler Jerusalems hoffnungslos überfüllt wären und sich bereits ein großer Teil der Pfleger selbst angesteckt hatte. Die Symptome waren immer dieselben. Zuerst ein paar Tage Mattigkeit, dann starke Fieberschübe und Leibschmerzen und Verstopfung.

Auch das Haus von Abu Khalil blieb nicht verschont. Der zwölfjährige Ahmad erkrankte an dem Fieber ebenso wie Fadia. Als Li zum Muristan ging, so wie sie es ihrem Vater versprochen hatte, wies man sie dort gleich an der Tür ab.

„Dein Leid mag so groß sein, wie es will“, sagte einer der Mönche zu ihr, die hier versuchten, die Versorgung der Kranken aufrecht zu erhalten. „Wir können niemandem mehr helfen – und wahrscheinlich nicht einmal uns selbst.“

Auch die Nächstenliebe der Christen hatte offenbar da ihre natürlichen Grenzen.

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Die Tage gingen dahin und auch Li spürte eine lähmende Mattigkeit in sich – so wie viele, die selbst nicht alle von der Krankheit ergriffen wurden, aber sie anscheinend von dem üblen Hauch, der sie verbreitet hatte, ebenfalls eines Teils ihrer Kräfte beraubt wurden.

In der Papiermacher-Werkstatt wurde jetzt ebenso wenig gearbeitet, wie in den Schmieden und bei den Zimmerleuten und Fassmachern. Der Großteil der Gäste, die in Abu Khalils Herberge bewirtet worden war, hatte mitsamt ihren Tieren und Waren die Stadt inzwischen verlassen. Wer immer nicht aus irgendeinem Grund dazu gezwungen war, in der Stadt zu bleiben, machte sich so schnell wie möglich auf den Weg. Andere verließen ihre Häuser nicht mehr oder sammelten sich in den Moscheen, Kirchen und Synagogen der Stadt, um jenen Gott, um dessen richtige Verehrung immer wieder so heftig gestritten wurde, um Hilfe zu bitten. Ragnar der Weitgereiste und seine Männer machten sich offenbar für ihre Abreise bereit, denn sie hatten Vorräte eingekauft.

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Firuz ließ sie zu sich rufen. Li hatte ihn seit Tagen nicht gesehen. Er wirkte hohlwangig und blass. Allerdings glaubte Li nicht, dass er schon selbst vom Fieber befallen worden war. Eher sah er aus, wie jemand, der seit Tagen nicht geschlafen hatte.

Etwas zögernd betrat Li den Raum – schon deshalb, weil sie nicht gerne mit ihm allein war.

„Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dich nicht anrühren“, versprach er. „Nicht eine Dschinn-Frau!“

„Was?“

„Ich glaube nicht an Dschinns, solange mir keiner leibhaftig begegnet ist. Aber die frommen Koran-Gelehrten in der Stadt, streiten darüber, ob das nicht der Grund für die Seuche sein könnte!“

„Aber – das ist doch...“

„Dies ist der Grund dafür!“, sagte Firuz. Er hielt ein Blatt in ihre Richtung, das unschwer als eines jener Papiere zu erkennen war, das sie gefertigt hatte. Sie ging jetzt ohne Furcht auf ihn zu. Dabei vermied sie es – ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit - den Blick zu senken, sondern sah ihn die ganze Zeit über an. Er sollte sie nicht für schwach halten oder ihre anerzogene Höflichkeit als ein Zeichen dafür missdeuten, dass sie bereit war, sich ihm auch als Frau zu unterwerfen.

„Sieh es dir an!“, forderte er. „Halte es ins Licht. Vielleicht fällt dir etwas auf!“

Sie nahm das Blatt, hob es ins Licht und sah das Wasserzeichen. Es bestand aus einem Vers aus dem Koran. Li hatte ihn so gut und so kunstfertig es ihr möglich gewesen war nachgeformt.

„Was ist falsch daran?“, fragte sie. Sie kannte zwar die Buchstaben, aber auf Grund ihrer geringen Kenntnisse in der Sprache des Propheten, wusste sie nicht einmal um die Bedeutung dieser Zeile.

„Komm, ich will es dir zeigen“, sagte Firuz und führte sie zu einem Tisch, auf dem ein Koran lag – aufgeschlagen an jener Stelle, wo der betreffende Vers zu finden war. „Siehst du die roten Alifs?“, fragte Firuz.

„Ich habe sie ausgelassen, weil die roten Alifs nur Lesehilfen sind. Sie gehören nicht zum heiligen Text, den Mohammed empfing!“

„Von wem hast du solche Weisheit?“

„So hat man es mir in Samarkand gesagt, wo ich für Koran-Exemplare der Medressen ähnliches Papier gestaltet habe!“

Firuz atmete tief durch. Li hatte ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen. Er schien nicht einmal wütend darüber zu ein, dass Li die roten Alifs weggelassen hatte, weil ein Wasserzeichen eine möglichst auf das Wesentliche reduzierte Form haben sollte. Firuz war einfach von einer tiefen Traurigkeit und Abgeschlagenheit erfüllt, wobei Li zu spüren glaubte, das dahinter noch etwas anderes steckte. „Es mag sein, dass die Koran-Gelehrten hier in Jerusalem nicht dieselben Kenntnisse haben, wie die Gelehrten in Samarkand, Buchara oder Bagdad. Ich mache dir auch keinen Vorwurf, sondern eher mir selbst, denn ich hätte auf diese Kleinigkeit achten sollen. Tatsache ist, dass jetzt darüber gestritten wird, ob dein Weglassen der Alifs einem falschen Zitieren des Koran gleichkommt. Und ein Falschzitieren des Koran ruft einer weit verbreiteten Meinung nach Dschinne herbei, deren Fluch man nicht wieder los wird...“ Er ließ das Blatt los. Es glitt zu Boden. „In absehbarer Zeit glaube ich nicht, dass hier in Jerusalem irgendeine Abschrift des Koran auf deinem Papier geschrieben werden wird, Basma...“

„Und wenn man ein Rechtsgutachten in dieser Sache einholt? Wenn man sich an den Kalifen wendet...“

Firuz lachte heiser. „An welchen denn? Den Schwächling in Bagdad, der nichts mehr zu sagen hat – oder den Kalifen in Kairo, der frommer als der Prophet selbst sein will und Juden und Christen in Zukunft Glocken tragen lassen will? Glaubst du, irgend jemanden interessiert es hier, was Gelehrte andernorts wissen? Die Menschen haben Angst vor dem Fluch einer schrecklichen Krankheit, die sie nicht erklären können, denn selbst unsere besten Ärzte wissen nicht alles! Und jetzt geh. Die Lumpen, die wir gesammelt haben, können wir als Almosen für die Armen geben, damit Allah uns gnädig ist und Fadia nicht stirbt...“

„So schlimm steht es um sie?“

Er nickte nur stumm. Offenbar war er ihr stärker verbunden, als Li es bisher dem äußeren Anschein nach für möglich gehalten hatte.

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Am nächsten Morgen wachte Li in aller Frühe auf. Sie war schweißgebadet. Ein wirrer Albtraum hatte sie heimgesucht – oder eine düstere Ahnung. Die Sonne war gerade aufgegangen und die ersten Strahlen schienen in den Stall hinein. Ragnar und seine Normannen holten ihre Pferde aus dem Stall und sattelten sie. Wenig später hörte Li, wie sie den Innenhof verließen. Ein halbes Dutzend Reiter, die ihren Pferden die Sporen gaben und auf die an der Küste ein Schiff wartete, das sie nach Konstantinopel brachte.

Dieser Ort erschien einmal mehr wie ein Traum.

Es musste das westliche Gegenstück zum herrlichen Bian sein, von dem ihr Vater immer so voller Ergriffenheit und Bewunderung geschwärmt hatte. Aber es schien wohl ihr Schicksal zu sein, eines Tages die Augen zu schließen und keine der beiden erhabendsten Städte dieser Welt gesehen zu haben, die zusammen die zwei gleichschweren Gewichte einer großen Waage bildeten.

Li stand auf und ging zum Lager ihres Vaters. Er atmete nicht mehr und schien friedlich eingeschlafen zu sein.

In diesem Moment hörte sie Schritte und ein knarrendes Geräusch. Ein Pferd schnaubte, als die Stalltür geöffnet wurde und jemand eintrat. Li drehte sich um – noch völlig unter dem Eindruck der schrecklichen Gewissheit, die sie nun hatte. Sie war in Zukunft allein und vollkommen auf sich gestellt. Nur mit Mühe konnte sie ihre Tränen zurückhalten.

Es war Jarmila, die den Stall betreten hatte.

Sie blickte zuerst Li an, dann glitt ihr Blick zu Meister Wang. „Nicht nur du hast in dieser Nacht einen geliebten Menschen verloren“, sagte sie.

„Aber...“ Li war einen Moment lang etwas verwirrt. Dann ahnte sie, wovon Jarmila sprach. „Fadia?“

„Ja. Firuz wacht an ihrem Bett. Das hat er schon die ganzen letzten Tage getan und ich glaube, er wird eine ganze Weile an nichts anderes denken können, als an seine Trauer. Aber es wird der Tag kommen, da er sie vergessen wird – und dann gehört sein Herz allein mir.“

„Jarmila, ich...“

„Spar dir deine Worte, Basma! Alles, was du sagen könntest, wäre unpassend und falsch. Hilf mir lieber ein Pferd zu satteln.“

„Wie bitte?“

„Der Normanne wartet am Davidstor auf dich, wenn du dich beeilst. Er wird dich mit nach Konstantinopel nehmen.“

„Warum sollte er das tun?“

„Weil ich ihm dafür einen der Steine gegeben habe, die Firuz aus Indien mitgebracht hat. Und weil er weiß, dass er in mir immer eine Fürsprecherin haben wird, wenn er in ein paar Monaten oder Jahren erneut nach Jerusalem kommt und mit Firuz ein Geschäft machen will!“

Li schluckte. Sie blickte zu ihrem toten Vater, während Jarmila bereits eine Decke auf einen der Pferderücken legte. „Nun hilf mir endlich, du Närrin! Du wirst nur diese eine Möglichkeit zur Flucht haben! Oder ist es dir lieber so lange zu warten, bis dich entweder das Fieber mit seinem üblen Atem angehaucht hat oder man dich totschlägt, weil sich irgendwann bei allen herumgesprochen haben wird, dass du eine böse Dschinn-Frau bist!“

„Ich kann meinen Vater so nicht liegen lassen.“

„Um ihn wird man sich kümmern“, sagte Jarmila. „Aber du solltest nicht an die Toten denken, sondern an die Lebenden! Und jetzt hilf mir! Schlimmer als eine verfluchte Dschinn-Frau ist ein dummer Dschinn, der anscheinend von dir Besitz ergriffen hat!“

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Einen Augenblick lang zögerte Li. So viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Es gab Momente, in denen sich alles änderte und nichts von dem, was einem zuvor gewiss erschienen war, seine Gewissheit behielt. Dies war wohl so ein Augenblick. „Vater...“, murmelte sie und berührte leicht seine Wange. Tränen glitzerten in ihren Augen. Dann stand sie auf und half Jarmila beim Satteln des Pferdes.

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll“, sagte Li schließlich, bevor sie sich in den Sattel schwang.

„Du brauchst mir gar nicht zu danken“, erwiderte Jarmila. „Ich habe das alles nämlich nicht für dich getan – sondern um meinetwillen.“

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Ragnars Männer warteten, wie Jarmila es gesagt hatte, an den Mauern des Davidsturms. Offenbar hatte Jarmila verhindern wollen, dass irgendjemand sah, wie sie zusammen mit den Normannen die Stadt verließ.

Bruder Anastasius hatte sich bei der Gruppe eingefunden. Allerdings ritt er auf einem Esel. „Gerade so, wie es sich für jemanden geziemt, der es dem Beispiel unseres Herrn gleichtun will“, sagte er dazu.

„Ich möchte keine Zeit mehr verlieren“, erklärte Ragnar der Weitgereiste. „Der üble Atem der Pestilenz scheint hier aus allen Erdspalten hervorzuquellen, sodass man sich auf Dauer wohl nicht davor schützen kann!“

Einmal noch, als sie bereits die Stadttore ein ganzes Stück hinter sich gelassen hatten, zügelte Li ihr Pferd und drehte sich um. Sie sah zur Kuppel des Felsendoms und hörte den Muezzin die Gläubigen zum Gebet rufen.

Sie dachte an ihren Vater, an Gao, an ihr vergangenes Leben, an Samarkand und an die Steppen von Xi Xia. Sie dachte auch an einen Ritter aus einem Land, in dem es Menschen mit grünen Augen gab. All diese Erinnerungen mischten sich und erschienen ihr auf seltsame Weise unwirtlich und fern. Sie hielt die Tränen zurück. Nein, jetzt war keine Zeit dazu sich oder das Schicksal zu bedauern oder einen Gott dafür zu verfluchen, dass er ihr nicht geholfen hatte.

Bruder Anastasius lenkte seinen Esel neben ihr Pferd.

Er deutete zu einer Gruppe von Menschen, die sich auf die Stadt zu bewegten. Schon an den grauen Bußgewändern und den blauen Gürteln war zu erkennen, dass es sich wohl um christliche Pilger handeln musste. Der Wind trug ihre Gesänge an Lis Ohr.

„Präge dir gut ein, was du jetzt siehst!“, sagte Bruder Anastasius. „Es gibt Menschen, die bereit sind, tausende von Meilen zurückzulegen, nur um einmal jener Stadt ansichtig zu werden, in der du gelebt hast!“

„Ich habe dort alles verloren, was mir etwas bedeutete“, sagte Li. Aber sie war in Gedanken gewesen und hatte deswegen die Sprache des Han-Volkes benutzt, sodass der Mönch sie nicht verstehen konnte.


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