Читать книгу Ruhrpott, Venedig, Tanger - tot! 3 Krimis - Alfred Bekker - Страница 13

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Das Haus, zu dem die Adresse gehörte, die der Portier Linda aufgeschrieben hatte, war ein Bau aus den dreißiger oder vierziger Jahren und ganz im französischen Kolonialstil gestaltet. Es war zweigeschossig und wirkte recht großzügig, aber auch heruntergekommen. An der Fassade war lange nichts mehr gemacht worden. Linda sah den Landrover am Straßenrand parken. Sie bezahlte den Taxifahrer. "Soll ich warten?", fragte dieser, aber sie schüttelte den Kopf.

"Nein, danke." Taxen gab es an jeder Straßenecke. Oder zumindest jemanden, der sie schnellstens besorgen konnte. Das hatte Linda inzwischen begriffen. Der Wagen fuhr also davon und Linda trat an die Tür. Nach kurzem Zögern ergriff sie den schweren Metallring, der durch die Nase eines Messinglöwen gezogen war und klopfte damit mehrmals energisch an die dicke Holztür. Es gab einen dumpfen, nachhallenden Klang. Linda fühlte unwillkürlich ein Frösteln. Nichts geschah. Niemand machte auf. Aber dieser Schweizer namens Harald Storm musste zu Hause sein, denn schließlich stand ja sein Wagen vor der Tür. Linda klopfte noch einmal. Dann hörte sie Schritte.

Mit einem Ruck ging dann die Tür auf und sie blickte in die gefurchten Züge eines Mannes, dessen Alter irgendwo in den Fünfzigern liegen musste. Er war hager, hatte einen dunklen Schnauzbart und trug einen längsgestreiften Djellaba in bräunlichen Farbtönen.

Wahrscheinlich war er eine Art Hausdiener. Er sagte kein Wort, stattdessen sah er Linda nur fragend an.

"Ich möchte zu Mr. Storm", sagte sie: "Harald Storm."

"Mr. Storm ist nicht zu sprechen, Madame. Tut mir leid."

Er wollte die Tür schon wieder schließen, aber Linda hatte gerade noch rechtzeitig ihren schlanken Fuß in den Türspalt gestellt. Der Hausdiener schien überrascht zu sein. Das hatte er nicht erwartet. Auf seiner Stirn zeigten sich ärgerliche Falten.

"Bitte", sagte Linda verzweifelt. "Ich muss Mr. Storm sprechen! Er ist meine letzte Hoffnung!"

"Bitte gehen Sie Madame..."

"Hören Sie, ich weiß, dass Mr. Storm hier ist!"

"Das mag sein. Aber das heißt nicht, dass er mit Ihnen sprechen möchte. Also seien Sie jetzt vernünftig. Mr. Storm ist beschäftigt und hat ausdrücklich darum gebeten, nicht gestört zu werden." Linda fühlte schiere Verzweiflung in sich aufsteigen. Dieser Storm war die einzige Spur, die sie zu Patrick bringen konnte. Der einzige Anhaltspunkt. Und selbst, wenn er nicht wusste, wo Patrick sich jetzt aufhielt oder was ihm geschehen war, so konnte er ihr vielleicht wichtige Hinweise geben.

"Gehen Sie jetzt", sagte der Hausdiener noch einmal, sehr eindringlich. Der letzte Rest an höflicher Zurückhaltung war jetzt von ihm abgefallen. Linda zog ihren Fuß zurück.

Dann durchschnitt eine andere Stimme wie ein Messer den kurzen Augenblick der Stille, der dann folgte. Der Hausdiener drehte sich herum zu jemanden, den Linda nicht sehen konnte.

"Mr. Storm?", rief sie, denn sie wusste, dass das ihre letzte Chance war. "Mr. Storm, ich muss Sie sprechen. Ich bin eine Freundin von Patrick Allen..."

Plötzlich war die schwere Holztür ganz weit auf. Der Hausdiener war zur Seite getreten und Linda stand jetzt einem hochgewachsenen Mann gegenüber, dessen meergrüne Augen sie kritisch musterten.

"Sie sind Storm?"

"Ja", nickte er. "Was wollen Sie?"

Der Diener verschwand indessen irgendwo im Hintergrund.

Storm ließ nicht für eine Sekunde den Blick von Linda und sie fühlte sich von seinen wachen, intelligenten Augen fast durchbohrt.

"Im Hotel MARCO POLO sagte man mir, dass Sie Patrick Allen kennen...", begann Linda und kam sich ziemlich ungeschickt dabei vor. Storm zeigte keinerlei Reaktion. "Ich bin seine Verlobte und Patrick hat sich seit zwei Monaten nicht mehr gemeldet. Das kam mir seltsam vor. Deshalb bin ich ihm nachgefahren, hier her nach Tanger." Linda hörte sich selbst reden und sah dabei, dass sich eine kleine Veränderung in Harald Storms Gesicht vollzog. Um Storms Mundwinkel spielte jetzt ein etwas gezwungen wirkendes Lächeln.

"Kommen Sie herein", sagte er. Seine Stimme klang auf einmal sehr freundlich und viel weicher als zuvor. "Es tut mir leid, dass Jaffar - mein Hausdiener - Sie so unfreundlich behandelt, aber ich hatte ihm gesagt, dass er alle Besucher abwimmeln soll..."

"Ja, ich verstehe..."

Sie trat ein. Storm führte sie durch hohe, weitläufige Räume, deren Wände mit Wandteppiche verziert waren. Sie hörte ihre Schritte auf dem kalten Stein, mit der Boden gefliest war. Es war überraschend kühl und dunkel hier. Lindas Augen mussten sich erst einige Augenblicke daran gewöhnen. Dann kamen Sie in einen großen Raum mit vielen Fenstern, durch die man in einen Innenhof blicken konnte. Der Innenhof war eine Art Garten mitten in der Stadt. Das Plätschern eines Springbrunnens war bis ins Haus zu hören. Dieser Garten wirkte wie ein kleines, fast märchenhaftes Paradies, auch wenn er leicht verwildert war - aber Linda hatte jetzt keinen Sinn für solche Dinge.

"Setzen Sie sich", sagte Storm und deutete auf eine Sitzgruppe mit tiefen Ledersesseln.

Linda setzte sich.

Jaffar, der Diener betrat den Raum. Er fragte Storm etwas auf Französisch, was Linda nicht verstand. Dann fragte Storm: "Möchten Sie Tee?"

"Ich möchte nicht. dass Sie sich irgendwelche Umstände machen."

"Das sind keine Umstände, Miss..."

"Jordan. Linda Jordan."

Storm nickte nachdenklich, während er sich ebenfalls setzte.

"Ja", sagte er und kratzte sich dabei nachdenklich an dem hervorspringenden Kinn. "Diesen Namen hat Patrick erwähnt..."

Linda atmete schnell.

"Dann ist es also wahr! Sie kennen Patrick!"

"Ja."

"Wo ist er?"

Schweigen.

Storm musterte sie, dann blickte er zu Jaffar, dem marokkanischen Diener, dessen Gesicht Ratlosigkeit ausdrückte. Schiere Ratlosigkeit. Unbehagen schlich sich in Lindas Empfindungen. Erst klammheimlich, dann immer deutlicher. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass ihr etwas verschwiegen wurde.

"Sie wissen es", stellte Linda fest. "Sie wissen, wo Patrick ist, aber warum zum Teufel wollen Sie es mir nicht sagen!"

Sie hatte es fast geschrien und war selbst erstaunt über die Heftigkeit, mit der sie diese Worte Storm

entgegengeschleudert hatte.

Storm hob die Augenbrauen. "Ich sollte Ihnen vorher vielleicht etwas erklären", begann Storm dann.

"Was gibt es da zu erklären?" Linda begriff nicht. "Wo ist Patrick?"

"Er wohnt hier im Haus, aber..." Er stockte und schwieg einen Moment. Es war ein unheilvolles Schweigen, das Linda nicht gefiel.

"Was ist mit ihm?", hakte sie nach.

Storm sah sie nicht an. Er wandt sich wie jemand, der eine unangenehme Nachricht möglichst schonend beizubringen versuchte. Linda hatte nichts gegen Gentlemen, aber jetzt wollte sie die Wahrheit wissen.

"Ich will ihn sehen", erklärte sie und damit stand sie auch schon. Sie blickte kurz zu Jaffar hinüber, der auf einmal sehr angespannt wirkte.

"Es geht ihm nicht gut", sagte Storm. "Vielleicht können Sie nachher zu ihm, wenn es ihm wieder etwas besser geht..."

"Ich will ihn jetzt sehen..."

Linda ging mit schnellen Schritten durch den Raum.

"Patrick!", rief sie. Wenn er hier war, dann konnte er sie auch hören.

"Warten Sie!", wies Storm sie an. Er hatte sich ebenfalls erhoben und kam auf sie zu. Er hob die Schultern und sagte dann: "Also gut. Ich wollte Ihnen den Anblick ersparen. Aber sie wollen es ja nicht anders. Kommen Sie!"

Und ehe sie sich versah, hatte Storm sie bei der Hand genommen und zog sie hinter sich her. Er führte sie die Treppe hinauf in das weitläufige Obergeschoss. Das Haus kam Linda riesig vor.

Sie gingen den Flur entlang und blieben dann vor einer Tür stehen.

"Gehen Sie hinein!", forderte Storm und deutete dabei mit der flachen Hand in Richtung des Knaufs. "Bitte!"

Linda atmete tief durch, dann öffnete sie und trat ein. Das Herz schlug ihr dabei bis zum Hals. Auf einem breiten Doppelbett lag ein Mann. Er lag auf dem Rücken und schnarchte. In der Rechten hielt er eine Rotweinflasche. Ein Teil des Inhalts war auf das Bett geflossen und hatte die Decke besudelt. Es war Patrick, aber Linda musste schon zweimal hinsehen, um ihn wiedererkennen zu können. Er war abgemagert. Mindestens fünf oder sechs Kilo hatte er verloren und unter seinen Augen befanden sich dunkle Ringe. Seit Tagen schien er sich nicht rasiert zu haben und die Sachen, die er trug waren mit Essensresten und Rotweinflecken übersät. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich auszuziehen, bevor er sich ins Bett gelegt hatte.

"Mein Gott", flüsterte Linda.

Sie ging zu dem Bett hin, beugte sich über den Schlafenden und nahm ihm die Flache aus der Hand. Dann fasste sie Patrick bei den Schultern und versuchte, ihn zu wecken.

"Das dürfte keinen Zweck haben", hörte sie Storm sagen, der jetzt ebenfalls eingetreten war. "Lassen Sie ihn seinen Rausch ausschlafen. Ich glaube, dann hat es mehr Sinn..."

Linda versuchte noch einmal, ihn wachzurütteln, aber außer einem Grunzlaut kam nichts über Patricks Lippen.

Sie erhob sich.

Der Anblick ihres Verlobten war ein Schock für sie gewesen, den sie erst verdauen musste. Es war nicht nur die Tatsache, dass er betrunken dalag, sondern das Gesamtbild des Verfalls, das er in diesem Augenblick abgab. Patrick sah aus wie einer, der völlig auf den Hund gekommen war und Linda fragte sich verzweifelt, wie das hatte kommen können.

"Kommen Sie", sagte Storm. "Im Moment können Sie nichts für Ihren Verlobten tun."


Ruhrpott, Venedig, Tanger - tot! 3 Krimis

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