Читать книгу Ruhrpott, Venedig, Tanger - tot! 3 Krimis - Alfred Bekker - Страница 35

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Es war mitten in der Nacht, als Linda erwachte. Ein kühler Wind blies von draußen ins Zimmer. Sie hatte das Fenster offengelassen und die Vorhänge wehten jetzt hin und her.

Nahezu kreisrund stand der Mond am Himmel und ließ sein fahles Licht durch die Fenster scheinen.

Es war Vollmond.

Ein Geräusch, das wohl unten von der Straße herkam, ließ Linda auffahren.

Patrick! Das war ihr erster Gedanke, aber dann erinnerte sie sich daran, dass sie selbst ihren Verlobten ja in seinem Zimmer eingeschlossen hatte. Er konnte es also unmöglich sein. Linda stand auf.

Im Augenblick konnte sie ohnehin nicht schlafen. Es gingen ihr einfach zu viele wirre Gedanken im Kopf herum.

Sie trat in ihrem weißen Nachthemd hinaus auf den Balkon.

Die frische Brise wirkte belebend. Als sie dann hinabblickte, glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen. Eine Gestalt ging da die Straße entlang und als sie aus dem Schatten heraustrat, sah sie, dass es Patrick war.

Das ist unmöglich!, ging es ihr durch den Kopf. Aber es war eine Tatsache. Irgendwie hatte er die verschlossene Tür überwunden und jetzt ging er starr und etwas automatenhaft daher. Er war angezogen und trug ein Hemd und eine Hose. Aber beides wirkte, als ob er es nur provisorisch übergestreift hatte. Das Hemd steckte nicht richtig im Hosenbund und die Schuhbänder waren offen.

"Patrick!", rief sie.

Aber Patrick reagierte nicht. Er ging unbeeindruckt weiter und Linda war klar, dass sie jetzt handeln musste. Sie durfte es nicht ein zweites Mal zulassen, dass Patrick in seinem schlafwandlerischen Zustand durch die Gassen Tangers wankte... Schon hatte er die Straßenecke erreicht. Linda überlegte kurz. Um Harald zu alarmieren blieb ihr jetzt keine Zeit. Sie ließ den Blick schweifen und dann sah sie die Feuerleiter, die von ihrem Balkon aus hinab in die Tiefe führte. Kurz entschlossen kletterte sie hinunter. Ihre Bewegungen waren schnell und geschickt.

"Patrick!" Kaum hatten ihre nackten Füße den Boden erreicht, setzte sie zu einem kleinen Spurt an. Patrick war indessen bereits um die Ecke gebogen. Als Linda dort anlangte, blieb sie stehen, rang nach Luft und sah sich um.

Sie sah Patrick gerade noch in eine enge Nebenstraße einbiegen. Das Tempo in dem er ging schien er etwas erhöht zu haben. Es war gespenstisch. Wie eine an unsichtbaren Fäden gezogene Marionette ging er seines Weges, von irgend etwas wie magisch angezogen.

Linda folgte ihm.

Sie erreichte die Nebenstraße. Die Häuser waren hier eng nebeneinander. Straßenlaternen gab es nicht. Und aus den Häusern drang kein Licht, denn um diese Zeit war dort niemand mehr auf den Beinen. Der Mond leuchtete zwar recht hell, aber die Gasse lag im Schatten der Häuser. Linda musste sich erst etwas an diese Finsternis gewöhnen.

"Patrick!", rief sie noch einmal. Sie hatte geglaubt, vor sich die Bewegung eines schattenhaften Umrisses gesehen zu haben, aber als sie dann weiterging, schien da nichts mehr zu sein.

Die Finsternis hatte Patrick verschlungen.

Vorsichtig ging Linda weiter.

Ein furchtbares Geräusch ließ sie dann förmlich erstarren.

Es klang wie ein Röcheln oder Ächzen. Linda spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Vielleicht war es der Wind gewesen, der durch die zum Teil baufälligen Häuser strich.

Oder ein Tier. Streunende Katzen und Hunde gab es genug in Tanger...

Aber insgeheim wusste sie, dass das nicht der Fall war.

Es war sinnlos, sich etwas einreden zu wollen.

Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen . Zu ihrer rechten lag eine halb verfallene Villa, die notdürftig durch ein Gerüst abgestützt worden war. Das Haus war offensichtlich unbewohnt. Einstmals war es sicher sehr prächtig gewesen, aber das lag wohl schon Jahre zurück.

Von dort war das Geräusch gekommen. Und dort musste auch Patrick irgendwo sein.

Linda nahm all ihren Mut zusammen und versuchte, sich nicht von ihrer Furcht bestimmen zu lassen. Sie musste dieser Sache auf den Grund gehen. Was auch immer Patrick hier draußen tat - sie wollte es jetzt wissen.

Linda umrundete das baufällige Haus und bog in eine weitere Nebenstraße ein. Eine mannshohe Mauer trennte den verwilderten Garten von der ungepflasterten Straße. Aber auch diese Mauer war längst verfallen. An einigen Stellen hatte sie Lücken, die groß genug waren, um mit einem Auto hindurchzufahren. Es sah so aus, als würde das Mauerwerk von den Bewohnern dieser Gegend als Steinbruch benutzt.

Linda nahm durch eine dieser Lücken eine Bewegung war.

Im fahlen Mondlicht sah sie eine Gestalt.

"Patrick!"

Sie lief auf ihn zu, während er wie angewurzelt dastand.

Ihre Hände berührten seine Schultern. "Patrick, was tust du hier?"

Ein Ruck ging durch seinen Körper.

Er fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht und sah Linda dann erstaunt an. Er schien aus dem tranceartigen Zustand erwacht zu sein, in dem er sich bis jetzt befunden hatte.

"Wo... wo bin ich?"

"Patrick! Wie bist du aus dem verschlossenen Zimmer gekommen?"

Linda sah ihn schlucken, sein Gesicht drückte Ratlosigkeit aus. "Ich weiß es nicht, Linda. Ich bin so verwirrt... Ich kann mich nicht erinnern, hier her gegangen zu sein!"

Patrick sah wie entgeistert auf seine Hände.

Er hatte große, kräftige Hände.

Patrick schloss sie zu Fäusten und sein Gesicht wirkte angestrengt.

"Es ist alles gut", sagte Linda und schlang ihre Arme um ihn. Seine Verkrampfung löste sich und auch er legte zärtlich seine Arme um sie.

"Ja", murmelte er halblaut, während seine Hand über ihren Kopf strich, dann abwärts über das Haar bis zur Schulter.

Dann spürte Linda, wie er ihren Hals berührte...

Und im selben Moment fiel ihr Blick auf einen regungslosen Körper, der ein paar Meter entfernt zwischen dem wuchernden Unkraut lag. Das Mondlicht beleuchtete das starr in den Himmel blickende Gesicht des Toten und Linda stieß einen Schrei des blanken Entsetzens aus.


Ruhrpott, Venedig, Tanger - tot! 3 Krimis

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