Читать книгу Galgen und Revolver: Cowboy Western Doppelband 2 Romane - Alfred Bekker - Страница 11
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Ich sah die Station am Morgen, ungefähr eine Stunde nach Sonnenaufgang. Sie bestand aus ein paar flachen Adobelehmhütten, eine hässlicher als die andere, zwei Korrals und einem Maisfeld westlich der Gebäude. Im Hof neben dem Brunnen stand eine ungefähr fünfundfünfzigjährige Frau von hagerer, krummrückiger Gestalt mit einem Gesicht, das an einen Geier erinnerte, und Warzen am Kinn. Sie trug das graue Haar straff zurückgekämmt, was den Eindruck unterstrich, dass sie ein gestrenges Weib sein musste.
„Ein Reiter, Buz!“, rief sie mit schriller, durchdringender Stimme.
Ich hielt auf die Zügelstange neben dem Brunnen zu und brachte Fox zum Stehen.
Mit einem Gewehr im Anschlag trat der Stationer aus dem Haus. Er mochte zwei bis drei Jahre älter als die Frau sein, hatte eine mittelgroße Gestalt und breite Schultern, einen Stiernacken und einen struppigen Bart, der das Gesicht völlig verdeckte. Strähniges Haar hing ihm bis auf die Schultern. Tückisch blitzten die kleinen Augen mich an.
Der Mann und die Frau trugen schäbig gewordene Kleidung, die Frau ein Kattunkleid, der Mann kariertes Hemd und Cordhose.
„Was wollen Sie?“, bölkte er mich an.
„Ist das hier keine Raststation, wo ein Reiter und sein Pferd etwas für ihr Wohl tun können?“, fragte ich zurück.
Rechts und links des Stationshauses tauchten die Söhne der beiden auf. Auch sie hielten ihre Gewehre in den Händen. Der ältere von ihnen mochte dreißig sein, der jüngere vielleicht fünfundzwanzig. Es handelte sich um finstere, bärtige Kerle. Der ältere hatte eine hochgewachsene Gestalt und sah eher dem Stationer ähnlich, der jüngere war hager und krummrückig, wie die Frau, und hatte etwas Schlangenhaftes an sich.
Eine feine Sippschaft, dachte ich, stieg aus dem Sattel und ließ den Zügel los. „Könnten Sie etwas Wasser in die Tränke laufen lassen?“
Die Frau schaute in die leere Rinne bei der Zügelstange. „Hier wird nichts verschenkt, Mister!“
„Mein Name ist Carringo. Ich bin Sicherheitsagent der Wells Fargo aus Prescott.“
Die Frau fuhr herum und starrte den Mann an der Tür an.
Buz Williamson ließ das angeschlagene Gewehr sinken und trat näher heran. Unter seinen ausgelatschten Stiefeln knirschte der Sand.
„Ein Schnüffler der Wells Fargo?“, fragte der ältere Sohn.
„Halt's Maul!“, herrschte der Alte ihn an, ohne hinter sich zu blicken. Am Brunnen blieb er stehen. „Was wollen Sie?“
„Zunächst mal Wasser für das Pferd. Das sagte ich doch.“
„Wir verschenken nichts!“, rief die Frau gehässig.
Ich legte eine Münze auf den Brunnenrand. „Genügt das?“
Mit der Gewehrmündung schob Williamson die Münze auf die andere Mauerseite, griff nach ihr, biss darauf und betrachtete sie. „In Ordnung. Gib ihm einen halben Eimer, Lora!“ Die Frau drehte an der Kurbel der auf die Brunnenmauer montierten Seilwinde. Im Schacht schlug ein Zinkeimer scheppernd gegen die Wände. Die Frau hängte den auftauchenden Eimer ab, schüttete ihn halb aus und goss den Rest in die Tränke. Fox soff das kühle, klare Wasser. „Ihr seid ziemlich teuer“, sagte ich ruhig.
„Unser Wasser braucht niemand zu kaufen!“, zeterte die Alte mit dem Warzenkinn.
Die beiden Söhne näherten sich von den Ecken. Alle vier starrten mich finster an und wünschten mich offenbar in die Hölle. Das war eine Sippschaft, der man bei Nacht in der Wildnis besser nicht begegnete. Wie sie an einen Vertrag mit der Wells Fargo gelangt waren, gab mir Rätsel auf.
„Ich würde auch gern eine Tasse Kaffee trinken und etwas essen.“ Mein Blick fiel auf das Gatter, in dem sie Hühner hielten. Es stand im Schatten eines Schuppens, der offensichtlich auch als Remise diente.
„Kaffee haben wir nicht!“, erklärte die Frau schroff.
,,Und ein Wells Fargo Agent zu sein, kann jeder behaupten“, sagte der ältere Sohn.
Ich zeigte meinen Ausweis.
Der Alte kniff die Augen zu winzigen Schlitzen zusammen, ging ein Stück um den Brunnen herum und reckte den Hals, als könne er nur schwer lesen.
„Carringo. Er heißt Carringo und ist tatsächlich Sicherheitsagent der Wells Fargo.“
„Von mir aus kann er der Kaiser von China sein“, erklärte die Frau giftig. „Hier hat er nichts verloren.“
Ich steckte den Ausweis ein. „Hier fuhr vor ein paar Tagen ein Frachtwagen vorbei, der Saatgut geladen haben sollte.“
Sie starrten mich finster an. Was sie dachten, ließ sich diesen verkniffenen Gesichtern nicht entnehmen.
„Na und?“, herrschte der Alte mich schließlich an. „Natürlich fahren hier hin und wieder Wagen vorbei. Schließlich haben wir einen Pachtvertrag mit der Wells Fargo abgeschlossen!“
Die Söhne grinsten höhnisch.
„Der Wagen sollte nach Willow fahren, traf dort aber nicht ein“, setzte ich hinzu.
Williamson legte das Gewehr auf den Brunnenrand.
Fox hatte das Wasser gesoffen und schnaubte.
„Du kannst nichts mehr kriegen, die Leute sind zu teuer“, sagte ich.
Die Williamsons blickten auf den Hengst, und der Alte sagte: „Ihre Zugehörigkeit zu der Wells Fargo hat mit unserem Wasser absolut nichts zu tun.“
„Wir haben keinen Verpflegungsvertrag mit der Gesellschaft“, ergänzte die Frau.
„Aber wenn eine Kutsche hier die Pferde wechselt, müssten Sie doch die Fahrgäste bewirten und folglich darauf eingerichtet sein. Mit Kaffee und so weiter.“
„Heute erwarten wir keine Kutsche“, entgegnete die Frau. Sie war von einer bestrickenden Liebenswürdigkeit, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.
„Können Sie mir verraten, wie der Mann heißt, der mit dem Saatgutwagen hier hielt?“
„Pete Bain“, erwiderte der Alte unwillig.
„Und wie lange hielt er sich hier auf?“
Die beiden Söhne rückten dichter an den Vater heran.
„Er aß und trank etwas und erhielt frische Pferde. Dann ist er weiter. So läuft das immer.“
„Warum erzählst du dem Schnüffler das alles?“, herrschte die krumme Frau ihren Mann an. „Ich denke, der ist ein Agent? Soll er doch selbst herausfinden, was er wissen will!“
„Wissen Sie, ob der Wagen noch etwas anderes geladen hatte, was vielleicht nicht extra in den Frachtpapieren erwähnt wurde?“ Ich schaute von einem zum anderen.
„Bildet der sich vielleicht ein, wir würden die Wagen durchstöbern?“ Der jüngere Sohn legte den Kopf schief.
Auf den beiden Brunnenseiten rückten die Kerle mit den Gewehren in den Händen näher.
„Und überhaupt gefallen uns die blöden Fragen nicht!“, stieß Les, der ältere, hervor.
„Verdrück dich in den Sattel, Freundchen!“ Stan, der jüngere, schob sich noch näher heran. „Wir haben keine Zeit für einen lausigen Schnüffler, kapiert?“
„Warum seid ihr eigentlich so unfreundlich? Ich arbeite für die Gesellschaft, mit der ihr einen Pachtvertrag habt, und ich stelle ein paar Fragen, weil Wells Fargo Eigentum verschwunden ist. Alles in allem eine völlig normale Sache. Also, warum stellt ihr euch deswegen so an? Sind euch die Fragen unangenehm?“
Die Kerle stutzten. Les schaute über die Schulter.
„Was meint er damit, Dad?“
„Er will andeuten, dass wir was zu verbergen hätten“, sagte die Frau wütend.
Auch der Alte umging den Brunnen. Seine Söhne lehnten die Gewehre gegen die Brunnenmauer. Les spuckte in die Hände.
„Wirklich, Schnüffler, willst du das?“
„Ich stelle Fragen, und dazu bin ich berechtigt“, erwiderte ich eisig. „Wenn ihr mir keine Auskunft gebt, werde ich das den Agenturleitern in Willow und Prescott melden. Und die melden es ihrerseits an die Zentrale weiter.“
„Jetzt droht er uns“, sagte die Alte. „Wie lange wollt ihr euch das noch mitanhören. Buz? Hast du etwa Angst vor diesem dahergelaufenen Burschen?“
„Also los, Mister, schwingen Sie sich in den Sattel!“ Buz Williamson drängte das Pferd zurück. „Sie stehlen uns die Zeit, das sollten Sie allmählich merken.“
Les umging den Hengst und baute sich hinter mir auf. Stan rückte neben den Vater.
„Ich muss trotzdem noch Fragen stellen“, beharrte ich. „Und ich rate Ihnen, zu antworten!“
„Er droht schon wieder!“, rief die Warzenalte über den Brunnen hinweg.
„Was ist dieser Fahrer für ein Mensch?“, wollte ich wissen.
„Nun reicht’s aber wirklich!“, erklärte Les hinter mir. „Was soll denn der Schwachsinn, Dad?“
Buz Williamson nahm den Zügel und wollte ihn mir in die Hand geben.
Ich zögerte erst, griff aber, dann doch zu. „Hat Bain Alkohol getrunken?“
„Hier nicht.“
„War er sehr alt? Oder vielleicht krank?“
„Mann, hau ab!“, schnaubte Stan. „Du gehst uns auf den Nerv, Mister. Los, in den Sattel.“ Drohend näherte sich der Kerl.
Ich wandte mich um, so dass Fox hinter mir stand und ich beide Söhne und den Allen sehen konnte. „Wollt ihr auf mich losgehen, weil ich ein paar harmlose Fragen stelle?“ Ich sah sie kalt an. „Und das auch noch für denselben Geldgeber, dem ihr auch dient?“
Sie stutzten und schauten abwartend zu dem Alten.
„Der Vertrag mit der Wells Fargo berechtigt niemanden, uns von der Arbeit abzuhalten!“, meldete sich die hässliche Frau von der anderen Brunnenseite wieder zu Wort.
„So ist es!“ Der Alte schien erleichtert über die Hilfe der schlagfertigen Frau.
„Der Wagen ist also von hier weggefahren, und der Kutscher wollte nicht zu einer Farm oder einer Ranch? Oder sagte er etwa, dass er von der Straße abbiegen müsste?“
„Er fuhr von hier weg und sagte gar nichts“, erwiderte der Alte unhöflich. „Und uns interessiert es auch nicht, was er vorhat und welchen Weg er nimmt. Das ist seine Sache.“
„Helft ihm endlich in den Sattel!“, keifte die Alte am Brunnen. „Und dann kümmert euch um das Vieh. Jetzt hält uns der Kerl schon fast eine Stunde auf!“
„Dass ihr in allem so maßlos übertreiben müsst.“ Ich stieg auf, weil ich keine Lust hatte, mich mit den Kerlen herumzuprügeln. Der Alte drängte den Hengst, von der Tränke und der Zügelstange zurück.
Les versetzte Fox einen Schlag auf die Hinterhand.
Ich zog den Zügel an und dirigierte das Pferd so scharf zur Seite, dass Les einen Huftritt gegen den Oberschenkel empfing und brüllend zu seinem Gewehr humpelte.
„Lass es stehen!“, brüllte der Alte.
Ich galoppierte bereits auf der Overlandstraße weiter nach Norden und tauchte im Buschland zwischen der Station und dem nächsten Felsmassiv unter.
Die seltsame Familie mit ihrem unverständlichen Verhalten beschäftigte mich ziemlich. Über diese Leute musste ich unbedingt Erkundigungen einziehen, wo immer es nur ging.