Читать книгу Galgen und Revolver: Cowboy Western Doppelband 2 Romane - Alfred Bekker - Страница 8

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Ich stand am Fenster im Marshal’s Office, als der traurige Zug Prescott erreichte.

„Straße frei!“, schrie einer der beiden vorausreitenden Soldaten. „Weg da, es gibt nichts zu sehen!“

Die Dielen knarrten unter Chacos Stiefeln. Als er neben mich trat, brach sich ein Sonnenstrahl auf dem Marshalstern an seinem Poncho.

Hinter den Vorausreitern gerieten die kleinen Wagen ins Blickfeld. Ich erkannte die ausgemergelten Gestalten, die man auf den Ladeflächen, wie Vieh zusammengepfercht, transportierte. Alte und junge Männer, Frauen und Kinder saßen dicht gedrängt zwischen den Bordwänden. Die hohlen Gesichter mit den hohen Backenknochen und den tiefliegenden, leicht geschlitzten Augen verrieten die Strapazen, die hinter ihnen lagen, aber auch Hunger und quälenden Durst.

„Papagos“, sagte ich leise. „Die haben mit ihrem Widerstand der Armee schwer zugesetzt. Wahrscheinlich die letzten, die die Kämpfe überlebten.“

Chaco nickte düster. „Und vermutlich auf dem Weg nach Oklahoma. Ins Reservat.“

Noch vor dem Office hielten die sechs Wagen mitten auf der Straße im glühenden Sonnenlicht an.

Menschen strömten aus den Häusern und liefen in der Hauptstraße von beiden Seiten aus zusammen.

Die Soldaten bildeten einen großen Ring um die alten Gefährte und hielten Gewehre drohend in den Händen.

„Alles Zurückbleiben!“, befahl der Offizier, der entlang der Reiterkette nach vorn strebte.

„Der sieht übel genug aus“, murmelte Chaco.

Ich öffnete die Tür und trat auf den Gehsteig hinaus. Chaco folgte mir. Wieder brach sich das Licht der hoch am Himmel stehenden Sonne auf seinem Stern.

Der Major sah uns, umritt die Männer vor seinem Treck und zügelte das Pferd. Er musterte uns, vor allem Chaco neben mir und grinste dreckig.

An mich gewandt, fragte er: „Ist das wirklich der Marshal dieser Stadt?“

„Ich denke schon“, entgegnete ich.

„Chaco Gates“, setzte mein Amigo hinzu.

„Kent.“ Der Major tippte flüchtig mit dem Gewehrlauf an seinen Hutrand. „Wir wollen die Pferde wechseln. Und meine Leute brauchen Wasser.“

„Ihre Gefangenen sicher auch“, sagte ich.

Kents Grinsen verstärkte sich. „Nein, die nicht. Das sind hartgesottene Wilde, die es auch so ganz gut aushalten. Vielleicht ein paar Liter Milch für die Kinder.“

„Wir haben genug Wasser, um auch die Indianer versorgen zu können“, erklärte Chaco hart.

„Es sind meine Gefangenen, Marshal. Und die brauchen kein Wasser. Das läuft denen nur alles ins Stroh, wenn Sie wissen, was ich meine. Und dann stinken diese Rothäute noch mehr. Das möchte ich meinen Männern nicht zumuten.“

„An was Sie alles denken“, sagte ich höhnisch.

Hinter uns drängte sich die Menschenmenge ebenso wie auf der anderen Straßenseite zusammen.

„Eine Schande ist das!“, rief eine Frau empört.

Kent wuchs im Sattel und kniff die Augen zusammen. „Das sind unsere Feinde, Madam! Räudige Wilde, die Ihnen die Kehle durchschneiden würden, wenn sich dazu eine Gelegenheit bieten sollte.“

„Es sind wehrlose Gefangene!“, beharrte die Frau. „Und Gefangene behandelt man anders. Als Offizier sollten Sie das eigentlich wissen!“

„Sehr richtig!“, stimmte ein älterer Mann zu.

Kent lenkte sein Pferd herum und ritt weg.

Das Murren der Menschen nahm zu. Ich musste mich nach hinten stemmen, um nicht vom Gehsteig auf die Fahrbahn geschoben zu werden.

„Hört auf“, verlangte Chaco. „Die schießen auf uns, wenn es ihnen einfällt!“

An der nächsten Ecke verlangte Kent inzwischen wieder Milch. Eine Frau mit einer Kanne und einem Becher betrat die Straße. Mehrere Soldaten stiegen von den Pferden. Zwei gingen an den Wagen entlang und verteilten spartanische Rationen an die kleinsten Kinder der Indianer. Andere schirrten die Pferde aus.

Major Kent tauchte auf der anderen Straßenseite auf seinem großen Pferd wieder auf.

„Stallmann, wir brauchen Wechselpferde!“, schrie er durch die Straße.

Chaco verließ den Gehsteig und wollte zu den Wagen.

Mehrere der noch auf Pferden sitzenden Bewacher sprangen ab, und versperrten dem Marshal mit vorgehaltenen Gewehren den Weg.

„Ich will sie nur mal ansehen“, sagte Chaco.

„Hier gibt's nichts anzusehen!“, blaffte der Mann in der Mitte, der Chaco an eine Klapperschlange erinnerte.

„Aber ich bin der Marshal.“

„Und wenn du der Gouverneur von Arizona wärst, gingen dich unsere Gefangenen einen Dreck an“, sagte der nächste grinsend.

Kent kehrte zurück. „Was ist hier los?“

„Dieser Sternträger will die Rothäute ansehen, Sir!“

Kent zügelte sein Pferd. „Sie sind wirklich der Marshal hier?“ Er schüttelte den Kopf. „Ist doch nicht zu fassen!“

„Der würde ganz gut auf einen unserer Wagen passen!“, höhnte ein Soldat auf der anderen Straßenseite.

Chaco trat zurück.

An der Straßenecke vor der City Hall tauchten die ersten Schulkinder auf, deren Unterricht gerade zu Ende ging.

Ich verließ den Gehsteig ebenfalls, trat neben Chaco und sagte: „Mister Kent, die Kinder kommen aus der Schule.“

„Na und?“

„Sollen die wirklich mitansehen, dass Indianer wie Vieh behandelt werden?“

Duncan und ein paar andere Männer erfassten die Situation bereits und liefen den lärmenden Schulkindern entgegen, um sie abzudrängen.

„Meine besten Männer sind unter den Pfeilen, Lanzen und Äxten dieser roten Teufel gefallen, mein Lieber. Ich sehe nicht die mindeste Veranlassung, das Pack anders zu behandeln. Und jetzt ziehen Sie sich endlich mit Ihrem komischen Marshal zurück.“

Ich wusste, dass mit diesem arroganten Kerl nicht zu reden sein würde, und stieß Chaco an.

„Im übrigen schadet es den Kindern nicht, wenn sie beizeiten erkennen, dass Rothäute Ungeziefer sind“, fuhr Kent fort. „Ungeziefer, das es auszumerzen gilt. Je früher, desto besser!“

„Lass ihn, Chaco.“ Ich wandte mich ab.

„Jagt diese Schinder doch aus der Stadt!“, rief eine helle Frauenstimme.

Kent ritt zum Saloon an der Plaza, stieg dort vom Pferd und verschwand unter dem Vordach.

Hinter den Wagen tauchten ein halbes Dutzend Frauen auf, die kleine Pakete bei sich trugen und zu den Wagen eilten.

Ein Pfiff rief ein halbes Dutzend Soldaten schneller hinter der Wagenkolonne zusammen, als die Frauen diese erreichten.

„Lasst uns durch, wir wollen den armen Leuten etwas zu essen geben!“, rief eine ältere Frau.

Ich eilte mit Chaco zu dem rasch sich bildenden Pulk, dem sich immer mehr Menschen zugesellten.

„Zurück!“ Einer der Soldaten richtete das Gewehr über die Köpfe und feuerte in die Luft.

Das Krachen raste donnernd durch die Stadt.

Kent tauchte vor dem Saloon auf, schwang sich in den Sattel und galoppierte heran.

Chaco und ich waren schneller bei den Frauen und wollten ihnen helfen, eine Gasse zwischen die Soldaten zu schlagen. Wir gelangten jedoch nicht weit genug. Eine Frau warf ihr Paket über die Köpfe weg, doch es landete noch vor dem letzten Wagen im Staub.

Ich konnte schon fast nach der hinteren Bordwand greifen, als die Soldaten von beiden Seiten nach mir griffen. Ich riss mich los, wirbelte herum und wollte den Uniformierten rechts von mir zur Seite stoßen. Doch der andere hielt mich fest. Mein Hemd spannte sich auf der Brust. Die Knöpfe rissen ab. In der Sonne glitzerten die Medaillons, die ich trug.

Auf dem Wagen richtete sich ein Papago auf, starrte darauf und rief: „Bruder!“

Die Soldaten drängten mich zurück. In Staub gehüllt, schloss sich die Mauer.

Ich starrte hinüber zu dem Indianer. Er stand immer noch auf dem Wagen. Sein lederhäutiges, ausgemergeltes Gesicht erweckte den Eindruck, als wäre er ein steinalter Mann. Ich nahm jedoch an, dass er wenig älter als ich selbst war.

Ein Reiter schlug den Papago mit dem Gewehrkolben zusammen.

Kent zügelte vor mir so hart das Pferd, dass das Tier mit einem schrillen Wiehern auf die Hinterhand stieg. Vor mir wirbelten die eisenbeschlagenen Hufe und schlugen krachend gegeneinander.

Ich blieb stehen.

Kent beruhigte das Pferd. Fuchsteufelswild blickte er mich an. „Wollen Sie sich mit Gewalt mit der Armee anlegen, Mister?“

Ich war in Gedanken noch bei dem Papago, der mich Bruder genannt hatte, und ich ahnte, dass sich eine neue Spur in meine Vergangenheit öffnete.

„Ich will mit einem der Indianer reden!“, verlangte ich schroff.

„Bei Ihnen stimmt was im Kopf nicht mehr, wie?“ Kents böses Gesicht verzerrte sich zu einem gemeinen Grinsen.

Seine Soldaten hatten die Frauen indessen endgültig in die Flucht geschlagen.

Chaco tauchte bei mir auf und flüsterte: „Gib’s auf. Sie sind formal im Recht.“

„Los, haut ab!“, befahl der Sergeant. Er und seine Leute nahmen die Gewehre quer und hielten sie mit beiden Händen fest. Wie eine Barriere rückten sie gegen uns vor und schoben uns bis zur Veranda des erstbesten Hauses zurück.

„Hast du den Papago gehört?“ Ich stieg die beiden Stufen hinauf.

»Ja.“

„Der erkannte die Medaillons auf einen Blick.“

„Der Major lässt dich trotzdem nicht mit ihm reden. Dem kannst du auch nichts erklären. Als normaler Mensch ist er auch nicht zu bezeichnen.“

Kent sprengte auf seinem großen Pferd rund um den abgeriegelten Transport und schrie: „Wenn sich noch einmal jemand den Wagen nähert, gebe ich Feuerbefehl!“

„Das bringt der glatt fertig“, murmelte Chaco. „Los, wir gehen zu Manuela. Es ist Essenszeit. Jellico ist auch aus der Schule zurück. Sie warten sicher schon auf uns.“

Nachdem sich alle Menschen wieder unter den Vordächern befanden und die Postenkette um die sechs Wagen wie ein Wall stand, ritt der Major zum Silver Bell Saloon zurück, saß dort ab und ging ins Haus.

Der bärbeißige Sergeant stand jetzt beim letzten Wagen, blickte aber zu mir herüber.

„Den würde ich nicht fragen, ob er dich mit dem Indianer reden lässt“, flüsterte Chaco. „Der wartet geradezu darauf, dir eine Abfuhr zu erteilen!“

„Ich sehe es.“

„Dann lass uns jetzt gehen.“

„Aber es ist vielleicht eine einmalige Chance, etwas zu erfahren, was sonst für immer im dunkeln bleibt.“ Ich wollte einfach nicht glauben, dass es unmöglich sein sollte, mit einem gefangenen Indianer zu sprechen, der sich nur zehn Yards von mir entfernt befand.

Da erhob sich der Krieger wieder und schaute sich suchend um. Er sah mich nicht gleich. Ein Soldat schlug ihn zusammen, so dass er zwischen die anderen auf die Strohschütte fiel.

Zwar verließ ich den Gehsteig, doch der Sergeant und seine Männer richteten die Gewehre auf mich und repetierten sie.

Ich blieb wie angewurzelt stehen.

„Noch einen Schritt!“, rief der Sergeant. „Dann hörst du das Knallen nicht mehr, Freundchen!“

Schritt um Schritt trat ich zurück. Chaco zog mich am Ärmel.

„Gehen wir!“

Galgen und Revolver: Cowboy Western Doppelband 2 Romane

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