Читать книгу Galgen und Revolver: Cowboy Western Doppelband 2 Romane - Alfred Bekker - Страница 16
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Willow tauchte in einer Senke im Buschland vor uns auf. Das kleine Nest bestand ausnahmslos aus Kistenholzbrettern und erweckte einen armseligen Eindruck.
Der Farmer zügelte das Pferd am Korral neben der Wells Fargo Station, stieg ab und schirrte sein Tier sofort aus.
Vor der Station stand ein gesatteltes Pferd, dem ich zunächst keine große Beachtung schenkte.
„So, das war’s wohl. Ich pumpe mir im Mietstall einen Sattel für den Rückweg, Mister. Aber damit haben Sie ja nichts zu tun.“
„Vielen Dank noch.“ Mir fiel ein, dass ich immer noch nicht wusste, wie der wortkarge Mann hieß, aber ich sagte nichts.
Der Farmer führte sein Pferd schräg über die Straße und schenkte mir keinen weiteren Blick.
„Merkwürdiges Volk in dieser Gegend“, murmelte ich, ritt bis vor die Agentur und stieg ab.
„Da ist der Kerl ja!“, rief eine Stimme, die ich zu kennen meinte, hinter dem offenstehenden Fenster.
Aufschauend sah ich Les Williamson, den älteren Sohn des Stationers in der Wildnis.
„Das ist der Kerl, der angeblich Sicherheitsagent sein will, Mister Homer!“
Die Tür schwang auf, pendelte herum und donnerte gegen die Wand. Die Fensterscheiben klirrten.
Ben Homer trat heraus. Der hiesige Agenturleiter war ein korpulenter Fünfundvierziger, ein friedfertiger. ausgeglichener Mann, den so rasch nichts aus der Ruhe bringen konnte. Das passte mit seiner Eigenart zusammen, Konflikten möglichst aus dem Wege zu gehen. Er kleidete sich städtisch und korrekt und trug keinen Hut auf der Halbglatze. Von seinem angegrauten Haar zog sich ein buschiger Backenbart nach unten, was sein Gesicht mehr breit als lang aussehen ließ und den friedlichen Eindruck seines Wesens unterstrich.
„Carringo.“ Ich tippte an meinen Hut.
„Ben Homer.“ Der Agenturleiter gab mir die Hand. „Mister Williamson beschwert sich über Sie!“
„Tatsächlich.“ Ich grinste den jungen Kerl an. „Warum denn das?“
„Er meint, Sie hätten sich auf der Station seines Vaters anmaßend benommen.“
„So? Die haben mich zu dritt mit Gewehren bedroht und gesagt, ich würde ihnen die Zeit stehlen.“
„Wir empfangen Fremde immer vorsichtig“, sagte Williamson sofort. „Das ist da draußen auch nötig, wenn man nicht unversehens ins Gras beißen will.“
„Hat er sich denn nicht sofort ausgewiesen?“ Ben Homer runzelte die Stirn.
„Na, und wenn schon! Das gibt ihm noch lange nicht das Recht, überall herumzuschnüffeln!“
„Sie haben herumgeschnüffelt?“ Homer blickte mich wieder an. Er wollte offensichtlich gern vermitteln, aber Williamsons Ton war dazu nicht angetan.
„Ich stand nur im Hof“, erklärte ich. „Weiter hätten die mich auch nicht gehen lassen. Seltsam ist, dass man als Angestellter der Wells Fargo auf einer Station der Wells Fargo das Wasser fürs Pferd bezahlen muss und für sich selbst nichts erhält.“
„Sie mussten das Wasser für Ihr Pferd ...“ Homer blieb der Mund offenstehen.
„Wir haben nichts zu verschenken“, knurrte Williamson. „Und überhaupt, dass Sie wegen der Lappalie gleich Prescott verständigen und einen Schnüffler anfordern mussten, finden wir reichlich übertrieben, Mister Homer!“
„Was ich für nötig halte, bestimme ich selbst!“, brauste der Agenturleiter jetzt auf.
„Dann konnten Sie wenigstens einen Agenten anfordern, der uns nicht wie Banditen behandelt und sich dann obendrein einbildet, Frühstück zu kriegen!“
Homer starrte mich an.
Ich winkte ab. „Es war richtig, dass Sie Prescott umgehend verständigt haben. Übrigens, den Wagen konnte ich finden. Allerdings ohne Pferde, ohne Ladung und ohne Kutscher. Da steht er.“ Ich deutete zum Korral neben dem Haus.
Homer trat vor.
„Wenn das so einfach ist, hätten wir auch selbst danach suchen können“, erklärte Williamson. „Aber uns sagt man ja nichts, wenn was im Busch ist!“
„Wo fanden Sie ihn denn?“ Homer schien für Williamsons Ausfälle auf einmal kein Ohr mehr zu haben.
Ich berichtete von der zufälligen Entdeckung des Wagens.
Auf der anderen Seite ritt der Farmer vorbei und verließ die Stadt.
„Er half mir.“ Ich deutete hinter dem Reiter her. „Für drei Dollar.“
Williamson lachte rau auf. „Zufällig gefunden! Sie denken wohl, wir hier ziehen die Hose mit der Zange an, was? Wer weiß, ob der Wagen überfallen wurde.“
„Was soll denn das nun wieder heißen?“ Homer trat zurück.
„Er möchte mir gern was ans Zeug flicken.“ Ich lächelte Williamson beinahe freundlich an. „Nicht wahr, junger Mann, das möchten Sie doch?“
Der Ton ließ den raubeinigen Kerl mit Unsicherheit reagieren.
„Warum denn das?“, fragte der Agent immer noch verblüfft. „Was soll Mister Carringo denn mit der Geschichte zu tun haben, Williamson? Können Sie mir das mal erklären, verdammt?“
„Na ja, ist doch verdächtig, in einem Wald zufällig etwas zu finden“, maulte der Kerl. „Auf Boden, der beinahe hart wie Stein ist und wo andere lange vergebens nach Spuren suchen!“
„Mir fiel noch etwas auf“, fuhr ich fort. „Der Wagen wurde vermutlich anderswo überfallen.“
„Woanders als Sie ihn fanden?“, fragte Homer.
„Genau. Dort wurde er nur versteckt.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Er stand mitten im Unterholz. Rundherum beinahe fest eingekeilt.“
„Na und?“, mischte Williamson sich wieder ein.
„Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass er dort nicht umgeladen wurde.“
„Natürlich!“ Homer schlug sich gegen die Stirn. „Wäre er dort überfallen und umgeladen worden, hätte ...“
„Umgeladen?“, warf Williamson ein.
„Denken Sie vielleicht, die Räuber hätten das Saatgut weggetragen?“ Homer tippte sich an die Stirn. „Also da wäre das Unterholz wenigstens auf einer Wagenseite niedergewalzt gewesen. Da, wo der zweite Wagen stand.“
„Ach so.“ Williamson schaute ziemlich dumm drein. „Dann wurde er eben anderswo überfallen. Ist mir auch egal. Jedenfalls war das Zeug solchen Aufwand nicht wert.“
„Welchen Aufwand was wert ist, haben Sie und Ihre Sippe zum Glück nicht zu bestimmen“, sagte ich ziemlich schroff. „Und jetzt rekonstruieren wir noch mal, wie sich der Aufenthalt des Fuhrwerks auf Ihrer Station abspielte.“
„Da hören Sie es, Mister Homer. Dauernd diese dämlichen Fragen, die wir ein paar dutzend Male beantwortet haben.“
„Den Teufel habt ihr!“, entfuhr es mir unwirsch. „Sagen Sie mir, wann der Kutscher genau bei Ihnen ankam, wie lange er blieb und wann er seinen Weg fortsetzte!“
Les fluchte unflätig.
„Warum wollen Sie denn darauf nicht antworten?“ Homer runzelte die Stirn.
„Das sind Verdächtigungen. Verdammt, hören Sie das wirklich nicht, oder wollen Sie nicht, Homer? Der Kerl will andeuten, dass der Wagen gar nicht überfallen wurde. Nicht unterwegs. Er unterstellt uns, wir hätten Bain verschwinden lassen und die Fuhre kassiert!“
Ich blickte den wütenden jungen Burschen scharf an.
„Na, stimmt das vielleicht nicht?“, schrie Les Williamson mich an.
„Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet“, stellte ich kühl fest.
„Nun sagen Sie es schon, Les!“, verlangte Homer. Um seine Worte zu unterstreichen, stampfte er mit dem Fuß auf die Bretter.
„Ich denke gar nicht daran! So was brauchen wir uns als ehrliche Leute von einem dahergelaufenen Kerl nicht gefallen zu lassen!“
„Seltsame Leute, die da für die Wells Fargo arbeiten“, sagte ich. „Die geben einfach keine Auskunft. Ich bin gespannt, was die Zentrale dazu sagt.“
Williamson lief im Gesicht rot an. „Anschwärzen will er uns obendrein noch, dieser Halunke!“ Er stieß Homer jäh gegen die Wand und griff mich an.
Darauf wartete ich eigentlich schon eine ganze Weile, und so konnte der Angriff, wie schnell er auch vorgetragen wurde, mich nicht überraschen. Ein Sprung zur Seite rettete mich vor dem ersten Schlag. Williamsons Faust ging ins Leere. Und weil er damit nicht rechnete, flog er hinterher. Ich traf ihn hinterm Ohr, dass er Gleichgewichtsstörungen kriegte, zur Seite taumelte und vom Gehsteig stürzte.
Menschen sammelten sich rasch an.
„Jetzt kriegt Williamson die Fuhre, die er schon lange verdient!“, brüllte eine begeisterte Stimme.
Der Kerl sprang hoch und mit einem Satz über die beiden Stufen auf den Gehsteig. Ich duckte mich seitwärts und rammte ihm die Schulter entgegen. Als er mit rudernden Armen wieder rückwärts taumelte, verpasste ich ihm noch einen Kinnhaken.
Les flog diesmal rückwärts in den Straßenstaub und rollte gegen die Hufe seines Pferdes.
Das Tier wieherte und drängte nach der Seite.
Ich folgte dem Halunken.
Les kroch wie eine verwundete Schlange über den Boden, griff nach dem Steigbügel seines Pferdes und zog sich daran auf die Beine. Keuchend lehnte er an seinem Sattel in der Sonne.
„Soll dir jemand helfen?“, fragte der vorlaute Mann.
Mehrere begannen höhnisch zu lachen.
„Das zahle ich dir heim!“, stieß Les gepresst hervor.
Ich stieg wieder hinunter, packte ihn am Kragen, zog ihn herum und sagte: „Solltest du mir noch einmal drohen, liegst du die nächsten drei Tage beim Doc im Bett, falls es hier einen gibt. Sonst irgendwo anders. Aber du reitest dann sicher nicht so schnell wieder heim, mein Junge!“
„Mein Gott, mein Gott!“, jammerte der Agent.
Die Männer auf der Straße ließen ihrem Hohn freien Lauf.
Ich wandte mich wieder ab, behielt den Kerl aber im Auge. Immerhin trug er noch seinen schweren Colt in der Halfter, und ich traute ihm jede Schandtat zu.
„Sollen wir dir helfen?“, tönte es aus der zweiten Reihe der Schaulustigen.
Das ironische Gelächter verstärkte sich.
Homer verließ den Fußweg, band Williamsons Pferd los und führte es zur Straßenmitte. „Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, zum Teufel?“
Les kniete, kroch neben das Pferd, griff wieder nach dem Steigbügel und zog sich daran auf die Füße.
„Mann, ist der fertig!“, rief der Vorlaute.
Les quälte sich in den Sattel und sank auf den Pferdehals.
„Trag ihn heim!“ Homer schlug dem Tier auf die Hinterhand.
Schnaubend setzte sich der Braune in Bewegung und trug die zusammengesunkene Gestalt an dem wieder aufgefundenen Frachtwagen vorbei und aus der Stadt hinaus.
Hohngelächter verfolgte Les bei seinem unrühmlichen Abgang. Einige Männer liefen sogar ein Stück hinter dem Reiter her, als wollten sie ihn noch möglichst lange im Blickfeld behalten.
Der Agent trat kopfschüttelnd neben mich. „Mussten Sie ihn denn so vermöbeln?“
„Ich nehme an, das hatte er dringend nötig. Leider weiß ich jetzt immer noch nicht, wann Bain mit seinem beladenen Fuhrwerk die Station der Williamsons verlassen hat.“
Homer blickte mich an. Seine Augen zogen sich ganz allmählich zusammen. „Was denken Sie?“
„Ich möchte nicht mutmaßen. Können wir ins Haus gehen?“
„Selbstverständlich!“
Homer wandte sich um, eilte zur Tür und ging hinein.
Ich folgte ihm.