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Als Thomas Bernrieder die Sägemühle seines Vaters erreichte, stellte er den Wagen direkt vor dem Wohnhaus ab und sprang aus der Tür.

Aus dem Haus hörte er Stimmen.

Wenn der Vater extra beim Ramayer anrief, um ihn zu erreichen, dann musste wirklich etwas sehr Wichtiges geschehen sein.

Augenblicke später betrat er das Haus und gelangte dann in die Stube.

Seppl Bernrieder und seine Frau Clara saßen dort und unterhielten sich.

Sie verstummten, als der Sohn den Raum betrat.

"Mei, da bist ja endlich!", stieß die Bernriederin hervor.

Thomas hob die Schultern. "Was ist denn geschehen?", erkundigte er sich.

Doch noch ehe der Sägemüller oder seine Frau antworten konnten, öffnete sich die Tür des Nachbarraums. Ein hochgewachsener Mann in dunkelbrauner Mönchskutte trat heraus. Sein Haar war grau, aber noch immer voll. Die Haut wirkte wettergegerbt. Das Alter dieses Mannes war schwer zu schätzen. Thomas erkannte den Mann in der Mönchskutte sofort.

Es war Pater Munsonius, ein Einsiedlermönch, der in der Gegend lebte.

Franz Josef Bernrieder - Thomas' Großvater - hatte oft von dem Einsiedler erzählt, ihn manchmal auch mit zu sich nach Hause auf die Sägemühle eingeladen. Aus den Erzählungen wusste Thomas, wie verbunden sich sein Großvater mit Pater Munsonius fühlte.

Der Pater wandte sich an den Sägemüller.

"Er ist friedlich eingeschlafen", war der Einsiedler überzeugt. "Und das kann gewiss net von jedem behauptet werden, der die Augen für immer schließt, um vor den Herrgott zu treten."

Einige Augenblicke herrschte Schweigen.

Dann entfuhr es Thomas: "Reden Sie von unserem Großvater?"

Pater Munsonius nickte. "Ja, Thomas. Dein Großvater ist von uns gegangen..." Er legte dem jungen Burschen tröstend die Hand auf die Schulter. Thomas schüttelte nur stumm den Kopf. Der Großvater tot? Gewiss, er hatte ein beachtliches Alter erreicht. Fast neunzig Jahre war er inzwischen geworden, auch wenn ihm das niemand angesehen und er bis vor ein paar Jahren sogar noch hier und da in der Sägemühle ausgeholfen hatte. In den letzten Jahren hatte er sein Pensum auf einen täglichen Spaziergang zum nahen Hochwald reduziert.

Aber nie hatte man den Eindruck gehabt, einen hinfälligen Greis vor sich zu haben. Mit seinem Tod hatte Thomas einfach nicht gerechnet.

"Er hatte ein erfülltes Leben, wie sonst nur wenige auf Gottes Erdenrund", hörte Thomas den Pater sagen. "Daran solltest du denken."

Thomas fühlte einen dicken Kloß in seinem Hals.

Er war unfähig, auch nur eine einzige Silbe herauszubringen.

So nickte er nur stumm.

Erinnerungen stiegen in ihm empor. Von Kindheit an war der Großvater für Thomas eine wichtige Bezugsperson gewesen.

Pater Munsonius wandte sich an Seppl Bernrieder, den Sägemüller. Auch der blickte ziemlich betroffen drein. Er starrte ins Nichts, während seine Frau das Gesicht für einige Augenblicke in den Händen barg.

"Es war gut, dass du mich noch hast rufen lassen", erklärte der Pater.

"Es war der Wunsch meines Vaters", erwiderte der Bernrieder-Seppl. "Immer wieder hat er mich geradezu beschworen, den Munsonius herzubringen, damit er mit dem die letzten Dinge besprechen könne..."

Und genau das hatte Seppl Bernrieder getan.

Pater Munsonius lebte in einer Berghütte am Rande des Hochwaldes. Kein Auto konnte bis dorthin fahren. Das letzte Stück des Weges musste man wohl oder übel zu Fuß gehen.

Außerdem besaß der Einsiedler kein Telefon. So hatte Seppl Bernrieder seinen Gehilfen Cornelius aus dem Schlaf geklingelt und ihn gebeten, den Pater herbeizuholen.

Schließlich hatte der Sägemüller seinen sterbenden Vater auch nicht allein lassen wollen.

Einen Arzt hatte Seppl ebenfalls herbeigerufen.

Aber Dr. Martin Eder, der junge Arzt, der sich im nahen Ort Kayserstein niedergelassen hatte, war ausgerechnet an diesem Abend zu einem Notfall auf einem abgelegenen Gehöft gerufen worden.

In diesem Moment fuhr ein Wagen vor. Das musste er sein.

Augenblicke später stand der junge Arzt in der Tür.

"Sie kommen zu spät", erklärte Seppl Bernrieder mit ernstem Gesicht.

"Das tut mir leid", erklärte der junge Arzt mit tonloser Stimme.

Dann folgte er dem Sägemüller ins Totenzimmer.

"Der Großvater war schon den ganzen Nachmittag so eigenartig schweigsam", stellte die Sägemüllerin jetzt fest. "Dass er sich schon am frühen Abend zu Bett legen wollte, ist auch net gerad seine Art gewesen." Sie seufzte hörbar. "Und dann hat er schließlich verlangt, Sie zu holen, Pater Munsonius. Vielleicht stand er seit dem Tod seiner Frau Ihnen näher als sonst irgendeinem Menschen."

"Ja", nickte der Pater. "Wir kennen uns eine halbe Ewigkeit. In der Schule haben wir net in einer Bank sitzen dürfen, weil der Lehrer gemeint hat, dass wir zuviel miteinander redeten." Ein mildes Lächeln umspielte den Mund des Einsiedlers. Einige der tiefen Furchen, die sich durch sein wettergegerbtes Gesicht zogen, glätteten sich dabei. In seinen Gedanken schien der Mönch in die Vergangenheit zurückzuwandern.

"Werden Sie die Totenmesse für ihn lesen?", fragte die Bernriederin.

"Nun, ich bin zwar geweihter Priester, aber net der zuständige Gemeindepfarrer und..."

"Bitte!", beschwor ihn die Bernriederin. "Sie wissen ganz genau, dass sich mein Schwiegervater nix so sehr gewünscht hätte wie das. Und was Ihren Amtsbruder angeht, den Pfarrer im Dorf... mei, das wird doch wohl zu regeln sein!"

Dass der Dorfpfarrer und der alte Einsiedler sich nicht immer ganz grün waren, war ein offenes Geheimnis in der Gegend. Aber durfte das wirklich bei dieser Sache eine Rolle spielen?

Pater Munsonius nickte.

"Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde das schon regeln."


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