Читать книгу Falscher Stolz und dumme Streiche: Heimatroman Doppelband 2 Romane um Liebe, Berge, Heimat - Alfred Bekker - Страница 11
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Genau an jenem Tag, an dem Thomas und Andrea eigentlich zum Tanzen hatten gehen wollen, fand die Beerdigung des Franz Josef Bernrieder statt.
Fast das gesamte Dorf drängte sich in der uralten Kirche des kleinen Ortes Kayserstein und nahm von dem beliebten alten Bernrieder Abschied.
Die Tage gingen dahin, und da es bei den Bernrieders im Augenblick viel zu regeln gab, was mit dem Tod des Großvaters in Zusammenhang stand, hatte Thomas wenig Zeit für seine Andrea.
Erst in der darauffolgenden Woche gingen Thomas und Andrea dann zum Dorftanz nach Kleinwanger, dem Nachbarort. Eine zünftige Musi spielte auf und immer wieder drehten die beiden sich über den Tanzboden, bis sie schließlich ganz erschöpft waren.
"Mei, ich glaub, ich kann net mehr!", sagte Andrea. "Mir ist schon ganz schwindelig!"
Thomas lächelte. "Dann lass uns hinaus gehen und etwas frische Luft schnappen!"
"Nix dagegen, Thomas!"
Und so gingen sie ins Freie.
Die Sterne am Himmel funkelten wie kostbare Edelsteine und der Mond bildete ein großes, hell leuchtendes Oval. Sie gingen ein paar Schritte den holperigen Weg entlang, der zum Festzelt führte.
Thomas legte behutsam den Arm um Andreas' Schulter.
Das Madl seufzte dabei und schmiegte sich an ihn.
"Mei, bin ich froh, dass wir zwei uns gefunden haben", stieß Andrea dann hervor.
Thomas strich Andrea über das Haar. "Mir geht es genauso", meinte er.
Sie sahen sich dann einige Augenblicke lang schweigend an.
Andrea bemerkte, wie sich das Mondlicht in seinen Augen spiegelte. Ihre Blicke verschmolzen miteinander. Andrea fühlte einen wohligen Schauer über ihren Rücken laufen, dann trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss.
Andrea schlang ihre Arme um Thomas.
"Mei, ich möchte dich für immer so festhalten", sagte sie, als sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten.
"Und ich hätt wirklich net das geringste dagegen einzuwenden", erwiderte er.
Sehr spät erst brachte Thomas Bernrieder Andrea nach Hause.
Die beiden verabschiedeten sich mit einer innigen Umarmung.
Dann trat Andrea ins Haus und versuchte dabei, so wenig Krach wie möglich zu machen. Sie hörte noch, wie Thomas' Wagen davonfuhr. Die Eltern waren längst zu Bett gegangen. Andrea zog die Schuhe aus, schlich durch die Schankstube und verzichtete dabei sogar darauf Licht zu machen. Schließlich gelangte sie in den privaten Teil des Hauses, durchquerte die Stube und ging die Treppe ins Obergeschoss hinauf, wo sich ihre eigene Kammer befand.
Auf dem Flur ließ der Anblick einer sich lautlos fortbewegenden und mit einem Nachthemd bekleideten Gestalt das Madl kurz erschrocken zusammenfahren.
Dann atmete Andrea erleichtert aus.
"Mei, du bist es Petra!"
Petra, ihre jüngere Schwester hatte sich ebenfalls erschrocken.
"Ich hab schon gedacht, dass ein Einbrecher im Haus ist!", gestand das Madl.
"Gut, dass du noch keinen Alarm geschlagen hast!"
"Das kannst wohl laut sagen, Andrea!" Dann nahm Petra ihre Schwester am Arm und zog sie mit sich. Ein paar Meter waren es nur bis zu Petras Kammer. Sie machte die Tür auf und zog Andrea mit hinein.
"Was soll das denn werden?", fragte Andrea sichtlich erstaunt.
"Nun erzähl schon, wie ist es gewesen!", verlangte ihre jüngere Schwester zu wissen.
Andrea unterdrückte ein Gähnen.
"Mei, ich bin wirklich hundemüde. Den ganzen Abend haben wir uns auf dem Tanzboden gedreht, bis mir ganz schwindelig war und dann..."
"Und dann?", hakte die Schwester nach.
Andrea stemmte die schlanken Arme in die Hüften.
"Geh, Schwesterherz, findest net, dass du ein bisserl neugierig bist?"
"Mei, man wird ja wohl mal fragen dürfen", erwiderte Petra mit schmollendem Gesicht. Genau das war ihre Masche.
Andrea kannte ihre Schwester gut genug, um sich zumindest vorzunehmen, nicht darauf hereinzufallen. Aber zumeist blieb es bei dem Vorsatz. Petra wusste halt, wie man am Ende das bekam, was man wollte.
"Petra, ich erzähl dir morgen bestimmt alles..."
"Jedes Detail?"
"Naja, fast jedes."
"Hat der Thomas dir eigentlich schon einen Heiratsantrag gemacht?"
Jetzt hatte Petra den Bogen überspannt. Andrea warf den Kopf in den Nacken und wandte sich zur Tür. "Ich wüsste net, was dich das angeht!"
"Also noch net!", schloss Petra messerscharf.
"Es gibt doch keinen Grund, das zu überstürzen, finde ich."
Petra zuckte die Achseln. "Ich woaß net..."
"Was woaßt net?", hakte Andrea nach.
"Mei, wenn ich den Richtigen gefunden hätte, den würde ich festhalten und dafür sorgen, dass er mir net wieder durch die Lappen geht! Schau dir die Burschen in der Umgebung doch an! Die Traumtypen sind ja wohl stark in der Minderzahl, wenn ich das recht beurteile!"
Andrea lächelte geheimnisvoll.
"Es war jedenfalls ein sehr schöner Abend... Aber heute kein weiteres Wörtl mehr darüber!" Sie unterdrückte erneut ein Gähnen. "Ich muss jetzt wirklich in die Kissen, sonst komme ich morgen früh net aus den Federn."
Andrea hatte die Tür zum Flur bereits geöffnet, da hielten Petras Worte sie ein letztes Mal zurück.
"Hast übrigens schon davon gehört, wer jetzt wieder im Dorf ist und die Praxis vom alten Kötterer übernommen hat?"
Andrea atmete tief durch und drehte sich halb zu ihrer Schwester herum. Sie flüsterte: "Ja, davon hat ja wohl jeder hier in der Gegend schon gehört!"
"Der Eder-Martin! Jetzt nennt er sich Dr. Martin Eder - so steht es an seiner Praxistür. Als der Eder-Martin damals wegging hätte ich net im Traum gedacht, dass einer wie er nochmal den Weg zurück nach Kayserstein findet, wenn er erstmal studiert hat."
"Hat er aber."
"Bist du inzwischen schon einmal bei ihm gewesen, Andrea?"
"Nein, bin ich net!", sagte Andrea mit einem deutlich gereizten Unterton. "Und nun lass mich schlafen."
"Warum eigentlich net? Du und der Eder-Martin, ihr wart doch früher..."
"Früher war früher, Schwesterherz!", schnitt Andrea ihr das Wort ab. "Mit der Gegenwart hat das alles nix mehr zu tun."
"Wirklich net?"
"Geh, Petra!"
Andrea verließ den Raum, während sie von ihrer Schwester noch ein geflüstertes "Gute Nacht!" vernahm. Müde ging sie wenig später in ihre eigene Kammer. Vor ihrem inneren Auge erschien ganz kurz das Gesicht des Eder-Martin. Ja, bevor der Martin das Dorf verlassen hatte, da hatte sie einmal kurzzeitig für ihn geschwärmt. Aber das war vorbei. Im Augenblick war ihr Herz vollkommen besetzt. Net ein winziger Winkel war da noch für einen anderen frei. In dem Punkt war Andrea sich vollkommen sicher.