Читать книгу Falscher Stolz und dumme Streiche: Heimatroman Doppelband 2 Romane um Liebe, Berge, Heimat - Alfred Bekker - Страница 15
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"Komm, Bub, du musst mir helfen!", forderte Sepp Bernrieder an seinen Sohn gewandt, der sich ziemlich erstaunt den großen Transporter für Holzstämme ansah.
"Warum hast denn die Zugmaschine wieder vor die Ladung Baumstämme gesetzt?", fragte Thomas irritiert. "Ich dachte, dass diese Stämme heute zersägt werden sollten!"
Er hatte draußen das Motorengeräusch gehört und war deswegen aus dem Haus getreten.
"Diese Stämme will ich zu unserer Wiese am Hochwald bringen", meinte er.
"Zu dem Stückerl, das wir dem Ramayer verpachtet haben!"
"Hatten!", korrigierte der Sägemüller. "Ich hob dir doch erzählt, dass ich den Vertrag fristlos gekündigt hab!"
Thomas trat etwas näher und nickte dann. "Freilich, davon hast mir erzählt. Aber ich hab dir auch meine Meinung dazu gesagt!"
"Und ich dir die meine!", erinnerte ihn sein Vater. "Nur wegen so einem G'spusi von meinem Sohn kann ich doch net auf mein Recht verzichten!"
"Der Großvater..."
"Nun fang net wieder damit an, Thomas! Die Sache ist ausdiskutiert - und zwar endgültig. Der Großvater lebte net mehr in unserer Zeit!"
"Und was hast nun mit den Baumstämmen vor?"
Dem Thomas schwante bereits Übles.
"Mei", druckste der Bernrieder herum und hob die Schultern.
Er nahm den Filzhut vom Kopf und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. "Der Ramayer, dieser Dickschädel, der ignoriert meine fristlose Kündigung einfach. Es hat sich nix geändert! Noch immer steht das Stückerl Land voll von Autos. Und da hab ich mir halt gedacht, dass ich meinen berechtigten Forderungen etwas Nachdruck verleihe."
"Nachdruck verleihen? Was soll das heißen?", hakte Thomas nach.
"Ich will die Stämme auf der Wiese ablegen..."
"...so dass es net mehr möglich ist dort zu parken! Das ist es doch, worauf du hinaus willst!", stellte der Thomas entsetzt fest. "Etwas in der Art habe ich schon befürchtet!"
"Mei, was heißt denn hier 'befürchtet'?", erwiderte der Bernrieder. "Soll das etwa heißen, dass du mir net helfen willst?"
"Geh, Papa, das ist doch Schikane, was du vorhast!"
"Und dass der Ramayer so tut, als würde der Vertrag noch gelten - ist das vielleicht keine Schikane?"
"Papa!"
Der Bernrieder machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich versteh schon! Auf dich kann ich jetzt net zählen!" Er wandte sich herum und rief Xaver und Cornelius herbei, die beiden Gehilfen aus der Sägemühle. Augenblicke später saßen die drei im Führerhaus der Zugmaschine. Die Ladung Baumstämme setzte sich in Bewegung.
Thomas starrte dem gewaltigen Gefährt fassungslos nach und schüttelte dabei stumm den Kopf.
So ein verbohrter Sturkopf!, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf. Musste er denn derart halsstarrig auf seinem Standpunkt bestehen und jetzt sogar zu Mitteln greifen, die so rabiat waren, dass man nur das Schlimmste befürchten konnte...
Thomas fühlte sich ohnmächtig.
Was sollte er nur tun?
Gerade jetzt, da seine Liebe zu Andrea Ramayer aufgekeimt war, musste dieser Hader zwischen den beiden Familien aufkommen.
Familien, die sich über Generationen hinweg in guter Nachbarschaft geübt hatten.
Unterdessen war Clara Bernrieder, die Frau des Sägemüller aus dem Haus getreten. Sie lief zu ihrem Sohn. Ihr Gesicht drückte Sorge aus.
"Thomas!", rief sie aus. "Du bist noch hier..."
"Ja sicher! Glaubst vielleicht ich fahr mit dem Vater zum Ramayer hinaus und helfe ihm, die Wiese, die der als Parkplatz nutzt, mit dicken Baumstämmen vollzulegen?" Thomas schüttelte den Kopf. "Den Schmarrn soll er allein hinter sich bringen! Aber auf meine Hilfe kann er dabei net zählen!"
Clara Bernrieder seufzte.
"Ich habe alles mitbekommen... Und eigentlich habe ich gehofft, dass du doch mit ihm gehst!"
"Geh, Mutter! Warum denn das?"
"Weil du vielleicht das Schlimmste verhindern könntest! Stell dir vor, der Ramayer sieht deinen Vater, wie er die Baumstämme ablegt! Mei, Mord und Totschlag gibt das am Ende!"
Thomas atmete tief durch. Er fühlte seinen Puls bis zum Hals schlagen.
"Hättest du ihn denn net davon abhalten können?"
"Er hat doch auch net auf mich gehört, als er dem Ramayer die Kündigung zustellte."
"Wahrscheinlich sehen wir uns alle bald vor Gericht wieder!"
"Thomas! Ich bitte dich! Nimm den Wagen und fahr hinterher! Ich weiß, was für große Stücke dein Vater auf dich hält und für wie wichtig er deine Meinung in jeder Frage nimmt!"
"Nur leider wohl net in dieser", gab Thomas zurück. Er überlegte kurz, dann nickte er. "Gut, Mutter. Ich werd' mein bestes versuchen..."
Thomas lief kurz entschlossen zu dem Geländewagen, der neben der Sägemühle geparkt war. Während er einstieg und sich ans Steuer setzte, dachte er: Es ist doch zu dumm! Der Vater rechnet mir vor, wie viel Geld er durch den Pachtvertrag mit dem Ramayer verloren hat - aber jetzt ist niemand mehr in der Sägemühle!
Wahrscheinlich würde der Betrieb den ganzen Morgen über stillstehen!
Thomas fuhr los.
Nein, hier ging es wohl nur noch darum, Recht zu bekommen und sich durchzusetzen, wurde dem Sohn des Sägemüllers klar.
Er dachte an Andrea. Das feingeschnittene Gesicht des hübschen Dirndls erschien vor seinem inneren Auge. Ihr bezauberndes Lächeln, die leuchtenden Augen...
Thomas hatte das Gefühl, noch nie so verliebt gewesen zu sein wie zur Zeit. Und er war wild entschlossen, sich das nicht zerstören zu lassen. Auch nicht durch die Rechthaberei seines eigenen Vaters!
Der Thomas fuhr sehr schnell.
Eigentlich viel zu schnell für die sich in engen Serpentinen durch die Berglandschaft ziehenden Straßen.
Plötzlich musste er stark in die Bremsen treten. Mit quietschenden Reifen kam der Geländewagen zu stehen, rutschte etwas.
Eine Herde Schafe überquerte die Straße.
Die Tiere drängten sich über die schmale Fahrbahn. Das Blöken war geradezu ohrenbetäubend, übertönte selbst das Motorengeräusch des Geländewagens. Ein Hirtenhund kläffte wild herum und versuchte, seine Herde zusammenzuhalten. Durch die Masse der Tierleiber hindurch watete der Schäfer. Thomas kannte ihn von frühester Jugend an. Es war der Scharbacher-Peter. Er fuchtelte aufgeregt mit den Armen.
Thomas ließ die Seitenscheibe des Geländewagens herunter.
"Geh, Bernrieder, was ist denn in dich gefahren! Fährst hier wie ein Formel 1-Fahrer durch die Berge und ich kann sehen, wie ich meine Tiere wieder beruhige!"
Thomas zuckte mit den Schultern.
"Tut mir leid, Scharbacher, aber ich hab's ziemlich eilig!"
"Ein bisserl musst dich schon gedulden! Die Tiere sind jetzt ganz durcheinander."
Es dauerte länger, als es Thomas lieb war. Normalerweise wäre es eine Kleinigkeit für ihn gewesen, den Holztransporter mit dem Geländewagen einzuholen. Aber so sah die ganze Sache natürlich schon anders aus. Thomas blickte auf die Uhr.
Wahrscheinlich hatte sein Vater die Wiese beim Ramayer schon erreicht und hatte schon damit angefangen, die Stämme abzuladen.
Als endlich die Tiere von der Straße heruntergescheucht worden waren, konnte Thomas endlich weiterfahren.
Wahrscheinlich ist sowieso alles umsonst, überlegte er.
In der Ferne tauchte schließlich der Gasthof ZUM GIPFEL auf. Daneben die Wiese, auf der zu späterer Tageszeit zahlreiche Gästeautos zu parken pflegten. Aber an diesem Tag würde das wohl kaum noch der Fall sein.
Thomas stoppte den Geländewagen und sprang heraus. Gerade in diesem Moment wurden die dicken Baumstämme vom Transporter heruntergelassen. Das Grundstück war abschüssig, so rollten sie ein stückweit, ehe sie liegen blieben.
Seppl Bernrieder stand mit triumphierendem Gesichtsausdruck daneben, während sich seine beiden Gehilfen schulterzuckend und etwas ratlos ansahen.
"Hier wird so schnell kein Wagen mehr parken!", meinte der Sägemüller lauthals. Dann bemerkte er Thomas und ging auf ihn zu.
"Kommst ein bisschen zu spät, um mir noch helfen zu können", meinte er.
Thomas wollte etwas erwidern, aber er hatte auf einmal das Gefühl, einen dicken Kloß im Hals zu haben. Nicht ein einziges Wort brachte er heraus.
Stattdessen meldete sich Cornelius, einer der beiden Gehilfen des Sägemüllers zu Wort. Er deutete in Richtung des Wirtshauses und raunte: "Der Ramayer ist im Anmarsch!"
Seppl Bernrieder wirbelte herum und sah dem wutentbrannt auf ihn zustrebenden Wirt entgegen.
"Soll er nur kommen", murmelte Seppl Bernrieder. "Einfach ignorieren kann er vielleicht das Kündigungsschreiben, bis ein Richter es ihm um die Ohren schlägt! Aber net diese Baumstämme!"
Der Ramayer näherte sich schnell.
Er stieg über den ersten der Stämme hinüber, tat dies aber dermaßen hastig, dass er dabei beinahe zu Fall kam.
Schließlich blieb er stehen.
"Bernrieder! Was fällt dir ein, dieses Stückerl Land als Abladeplatz für Baumstämme zu benutzen!"
"Es ist mein Land und ich kann es nutzen, wie ich es will! Und wenn es mir gefällt, dann lass ich es sogar gänzlich brach liegen."
"Damit das Holz hier herumliegt, verfault oder von den Borkenkäfern aufgefressen wird?"
Der Bernrieder lachte dröhnend. "Das lass einmal meine Sorge sein, Ramayer!"
"Ich werde die Forstbehörde informieren und mich an das Gericht wenden!", ereiferte sich der Wirt. Sein Kopf war hochrot angelaufen.
"Tu das nur!", giftete der Sägemüller zurück. "Dies ist mein Land und ich kann hier tun und lassen, was ich will!"
Thomas lief zu seinem Vater. "Geh, Papa, so lass doch den Schmarrn. Das Ganze kann man doch auch anders lösen."
Der Bernrieder wirbelte zu seinem Sohn herum.
"Halt dich daraus, Bub, wenn du net auf meiner Seite bist! Kein Wörtl von dir mehr! Hast gehört!"