Читать книгу Falscher Stolz und dumme Streiche: Heimatroman Doppelband 2 Romane um Liebe, Berge, Heimat - Alfred Bekker - Страница 17
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Noch am selben Tag fuhr der Ramayer in die nächste größere Stadt, um einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Die Sache wollte er nicht auf sich beruhen lassen.
Am Nachmittag fuhr Andrea nach Kayserstein, um ein paar dringende Besorgungen zu machen. Es waren nur Kleinigkeiten, für die es sich nicht lohnte, bis in die Stadt zu fahren. So war im Wirtshaus ZUM GIPFEL beispielsweise der Senf ausgegangen.
Und das ausgerechnet heute niemand mehr eine Weißwurst bestellen würde, darauf hatte es die Ramayerin nicht ankommen lassen wollen.
Andrea parkte den Wagen vor dem Laden vom Franzl Ingerer, der so gut wie alles führte, was man sich nur denken konnte.
Das Geschäft war angefülllt mit einem pittoresken Sammelsurium. Angefangen von Lebensmitteln, frischem Käse von Bauern aus der Umgebung bis zur Tageszeitung oder einem Paar Socken konnte man hier alles bekommen. "Wenn wir hier in Kayserstein einmal wieder eingeschneit sind, so wie vor dreiundzwanzig Jahren, dann werdet Ihr's schon sehen, was ihr an mir habt!", so pflegte der Ingerer immer zu sagen, wenn sich einige der jüngeren Leute aus der Umgebung etwas über ihn und sein Geschäft lustig machten.
Andrea stieg aus dem Wagen und ging gerade auf die Ladentür zu, da kam gerade ein junger Mann heraus, den sie nur zu gut kannte. Zwar hatte sie ihn einige Jahre lang nicht gesehen, aber ihr kam es so vor, als hätte er sich kein bisschen verändert. Vielleicht mit der Ausnahme, dass er früher nicht mit einer Arzttasche in der Hand und einem Stethoskop um den Hals herumgelaufen war.
"Andrea!", stieß der junge Mann etwas verdutzt hervor, dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht.
"Martin", murmelte Andrea - ebenso verdutzt wie ihr gegenüber.
Das war er also, der Eder-Martin, der vor kurzem als Dr. Martin Eder nach Kayserstein zurückgekehrt war und seine Praxis eröffnet hatte.
"Mei, es ist wirklich schön, dich wiederzusehen, Andrea", bekannte der junge Arzt. Und dann fügte er nach einer kurzen Pause noch hinzu: "Bist immer noch so bildschön wie damals!"
Andrea schluckte.
Die Art, wie der junge Arzt sie ansah, sorgte bei ihr für ein Gefühl des Unbehagens. Sie hatte nicht vor, jetzt wieder mit dem Eder-Martin anzubandeln. Für sie war dieses Kapitel ein für allemal abgeschlossen. Außerdem hatte sie nicht die geringste Neigung dazu, alte Wunden wieder aufzureißen. Denn für Andrea war es seinerzeit nicht leicht zu verarbeiten gewesen, dass Martin Eder Kayserstein verlassen und nichts mehr von sich hören lassen hatte.
Andrea atmete tief durch.
Es klang wie ein Seufzer.
"Warst wegen dem Ingerer hier?", fragte sie dann, um das Gespräch auf ein unverfängliches Terrain zu leiten.
Schließlich wusste sie, dass der Ingerer schon seit Jahren gesundheitlich sehr angeschlagen war und alle naselang einen Arzt benötigte.
Martin Eder nickte. "Ja, er hat mich gerufen."
"Ich hoffe, es ist nix ernstes!"
"Ernst war es mit dem Ingerer doch schon, bevor ich von hier wegging. Aber das alles hat ihn net umgeworfen! Ich nehme an, dass es diesmal net anders ist!"
Eine verlegene Stille entstand, die sich unangenehmerweise immer weiter in die Länge zog. "Ich muss ein paar Besorgungen machen. Denk dir, wir haben keinen Senf mehr im Wirtshaus."
"Ich hab gehört, der GIPFEL läuft besser denn je."
"Mei, wir wollen net klagen."
"Ich wäre bestimmt bald mal vorbeigekommen, um dich zu besuchen. Aber du weißt ja, wie das ist, wenn man etwas Neues aufbaut. Der Anfang in der Praxis war wirklich haarsträubend und ich bin noch net über den Berg. Übrigens suche ich immer noch eine Sprechstundenhilfe. Wüsstest du da net jemanden?"
"Ich werde mich umhören", versprach Andrea.
"Und es würde mich außerdem sehr freuen, wenn wir uns bald wiedersehen würden... Ich denke, wir zwei hätten uns gewiss eine Menge zu erzählen..."
"Es ist schon spät", wich das Madl aus. "Ich habe noch viel zu tun..."
Andrea ging an ihm vorbei. Sie hatte beinahe die Tür zum Laden des Ingerers erreicht, da ließ Martin Eders Stimme sie noch einmal stoppen.
"Andrea", sagte er. "Ich weiß wohl, dass es ein Fehler war, dir damals net auf deine Briefe zu antworten. Heute weiß ich das..."
Andrea drehte sich halb herum.
"Das ist alles Vergangenheit, Martin."
"Dann trägst du mir nix nach?"
Andrea schüttelte den Kopf. "Nein, das net..."
"Dann bin ich aber froh."
Ich hoffe nur net, dass du das jetzt in den falschen Hals gekriegt hast und glaubst, wir könnten dort weiter machen, wo wir einmal aufgehört haben!, ging es dem Madl durch den Kopf.
Einen Augenblick lang trafen sich die Blicke der beiden jungen Leute.
Immerhin hat er es geschafft, dich zu verwirren!, überlegte Andrea.
Aber im Moment hatte sie wirklich andere Sorgen, als sich mit einem verflossenen Schwarm näher zu beschäftigen.