Читать книгу Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 73

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Jeden zweiten Tag rief ich in Zürich an, um mich nach meinem Kontostand zu erkundigen. Tina würde sich über die Telefonrechnung freuen. Ende der Woche kam dann die Überweisung. Hunderttausend Franken. Das war mehr Geld, als ich je besessen hatte. Ein merkwürdiger Schauer überlief mich, als mir die Stimme auf der anderen Seite der Strippe bestätigte, dass das Geld tatsächlich eingezahlt worden sei. Der graue Mann hatte Wort gehalten. Und ich würde es auch tun.

Vermutlich blieb mir auch gar nichts anderes übrig, wenn ich noch eine Weile leben wollte. Und auf einmal bekam die ganze Sache einen üblen Beigeschmack. Man hat dich gekauft, sagte irgend etwas in mir.

Der graue Mann rief nicht mehr an. Mit wachsender Ungeduld schaute ich jeden Tag in den Briefkasten. Konnte ja sein, dass man mir das Material zuschickte. Die Waffe, ein Foto des armen Schweinehunds, den ich allemachen sollte und so weiter. Aber noch war nichts gekommen.

"Was ist eigentlich los mit dir?", fragte mich Tina irgendwann mal während dieser Zeit.

"Was soll denn los sein?", grunzte ich zurück.

"Du bist so... in dich gekehrt."

"Ich bin eben ein introvertierter Mensch. Vielleicht wäre ich unter anderen Umständen Mönch in einem buddhistischen Bergkloster geworden."

Es sollte witzig klingen.

Es klang aber nur irgendwie bescheuert.

"Du willst mich verarschen!", stellte Tina zielsicher fest.

"Würde ich nie tun!"

"Tust du dauernd."

"Ach, komm!"

"Na, ist doch wahr!"

Am nächsten Tag bekam ich Post. Ein weißer Umschlag, mit einem Computer-Etikett beklebt, auf das mein Name und Tinas Adresse aufgedruckt waren. Ich machte auf und schaute mir den Inhalt an. Es war ein Schlüssel. Ich kannte diese Art von Schlüssel. Sie gehörte zu den Gepäckfächern im Bahnhof.

Dabei war ein Zettel. Auf dem Stand: Bis 18 Uhr. Ich fuhr erst hin, als Tina nicht mehr in der Wohnung war. Vor dem Bahnhof stellte ich den Volvo im Parkverbot ab und hoffte, dass die alte Kiste noch da war, wenn ich zurückkam. Aber ich hatte keine Wahl. Alle regulären Plätze waren belegt.

Als ich die Bahnhofshalle betrat, hatte ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ich konnte noch nicht einmal genau sagen, warum eigentlich. Ich konnte mich nicht erinnern, ein solches Gefühl gehabt zu haben, als man uns in den Tschad geflogen hat.

Und damals war ich in Gefahr gewesen.

Jetzt war es jemand anderes.

Und wenn man dem glauben konnte, was der graue Mann mir erzählt hatte, dann waren wir alle in Gefahr und ich trug ein bisschen dazu bei, sie zu verringern. Wie auch immer.

Wahrscheinlich war es nur die halbe Wahrheit.

Ich ging zu den Gepäckfächern und öffnete schließlich dasjenige, dessen Nummer mit der auf meinem Schlüssel übereinstimmte.

Im Innern war ein kleines Diplomatenköfferchen. Ich nahm es an mich, drehte mich ein wenig zur Seite und ging dann mit schnellen Schritten davon.

Dabei fragte ich mich, ob sie mich wohl beobachteten. Ich hatte zwar nichts bemerkt, aber da ich es mit Profis zu tun hatte, musste das nichts heißen.

Als ich wieder hinter dem Steuer des Volvos saß, fühlte ich mich schon bedeutend wohler. An der Scheibe klebte ein Zettel. Glück gehabt!, dachte ich. Ein paar Mark fürs Falschparken waren nicht so unangenehm, als wenn einem die Karre abgeschleppt wurde.

Ich startete.

Und aus den Augenwinkeln sah ich den Koffer neben mir auf dem Beifahrersitz liegen. Ich öffnete ihn erst zu Hause.

Tina war bei der Arbeit. Ich konnte das in aller Ruhe machen, ohne dumme Fragen gestellt zu bekommen.

Da war einmal ein Futteral, das aussah wie die Umhüllung meines Rasierapparats.

Aber ich wusste nur zu gut, was darin war.

Ich öffnete und sah eine automatische Pistole samt Munition und Schalldämpfer. Ich nahm die Waffe heraus und lud sie durch. Dann nahm ich sie etwas genauer unter die Lupe. Die Seriennummer war abgefeilt. Die Leute, in deren Auftrag ich den Todesengel spielen sollte, hatten auch wirklich an alles gedacht.

Ich packte die Waffe wieder bei Seite und nahm dann den braunen Umschlag, Format Din A5. Als ich ihn öffnete, mit den Fingern hineinlangte und das Fotopapier spürte, hatte ich wieder das flaue Gefühl.

Ich nahm die Fotos heraus und sah in die trüben blauen Augen eines Mannes in den späten Fünfzigern. Er hatte nicht mehr viele Haare auf dem Kopf, aber die wenigen, die noch vorhanden waren, hatte er dafür wachsen lassen und sorgfältig auf der glatten Schädelfläche verteilt. Ich fragte mich, wie viel Pomade man wohl brauchte, um sie da oben auf der Halbkugel einigermaßen stabil kleben zu lassen.

Es war eine ganze Serie von Bildern.

Auf einem hatte er einen Bart, der ziemlich grau war. Und ein weiteres zeigte ihn zusammen mit Breschnew bei irgend einem offiziellen Anlass.

Der Untergang des roten Reiches hatte jemandem wie ihm nur Nachteile bringen können.

Ich ging die anderen Bilder durch.

Eines zeigte ihn zusammen mit seiner Familie, das sah ich mir etwas länger an.

Er hatte einen Sohn und eine Tochter, beide Anfang 30, so schätzte ich. Seine Frau war zierlich und hatte feine, sympathisch wirkende Gesichtszüge.

Ich hoffte, dass der Kerl allein reiste. Und wenn nicht, dann würde ich mir trotzdem Mühe geben, die Sache so zu drehen, dass ich keinen von ihnen erledigen musste. Das sollte eigentlich zu machen sein. Schließlich war ich ja kein Terrorist, der es in Kauf nimmt, hundert Menschen und vielleicht sogar noch sich selbst in die Luft zu sprengen, nur um vielleicht einen Politiker zu treffen.

Zwischen den Bildern war noch ein kleiner Zettel.

Andrej Andrejewitsch Krylenko Frankfurt am Main /Flughafen ab 15.4. aus Moskau

Besonders präzise war das nun wirklich nicht, aber wenigstens hatte ich noch einige Tage Zeit. Ich fluchte innerlich. Etwas mehr Vorbereitung hätte ich mir schon gewünscht. Es war schon ein teuflisches Spiel, auf das ich mich da eingelassen hatte. Da würde in gut einer Woche ein Mann den Flieger von Moskau nach Frankfurt besteigen und sein Tod war schon beschlossene Sache. Sogar schon angezahlt. Er würde ahnungslos in den Tod fliegen. Es war eigentlich nicht so sehr Mitleid mit Krylenko, das mich plötzlich zu plagen begann, sondern die plötzliche Erkenntnis, dass mir niemand garantieren konnte, dass ich nicht selbst drauf und dran war, etwas ähnliches zu tun, wie dieser Russe.


Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane

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