Читать книгу Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 78

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Ich ließ den Kopf des grauen Mannes zurück in das Gemisch aus Blut und Wasser sinken, wandte mich halb herum und blickte dann direkt in eine Revolvermündung.

Dahinter sah ich ein braungebranntes Gesicht, das jetzt angewidert verzogen war.

Blonde Haare umrahmten eine hohe Stirn. Und dann war da dieses geschmacklose Knitterjackett...

Es war der Mann, den ich als Erikson kennengelernt hatte.

Er hatte sich äußerst geschickt angeschlichen. Jedenfalls hatte ich nichts von ihm gehört.

Er hatte vermutlich genau wie ich das Ferienhaus in diesem Zustand vorgefunden, wahrscheinlich schon bei der Treppe gehört, dass oben jemand war. Ich. Aber jetzt war er doch überrascht, wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde - und den nutzte ich.

Ich wirbelte herum und ließ den Fuß hochschnellen. Es war nicht ganz ohne Risiko, aber ich traf seine Waffe so gut, dass sie im nächsten Moment durch den Raum segelte und dann krachend einen der Spiegelschränke blind machte, bevor sie zu Boden fiel. Ehe er seine Sinne wieder geordnet hatte, hatte ich bereits den zweiten Tritt angesetzt, diesmal mit dem anderen Fuß. Ich erwischte ihn genau am Solar Plexus und sah seine Augen aus ihren Höhlen heraustreten. Ihm blieb die Luft weg, während die Wucht des Fußtritts ihn durch die halboffene Badezimmertür hinausbeförderte. Er stolperte rückwärts und knallte ächzend gegen das Treppengeländer. Ich hatte Zeit, in aller Ruhe aus dem Bad herauszukommen und die Automatik aus der Jackett-Tasche herauszuziehen und zu entsichern. Ich hielt die Waffe auf seinen Kopf gerichtet und das schien einigen Eindruck auf ihn zu machen. Er atmete tief durch und sah mich an, als wäre ich ein Gespenst.

"Sie nennen sich Erikson", stellte ich fest. Es war keine Frage. Er antwortete mir trotzdem.

"Ja", nickte er.

"Wer sind Sie wirklich?"

"Was?"

Ich hob den Lauf der Automatik ein ein oder zwei Grad an.

"Sie sollten nicht versuchen, mit mir zu spielen", sagte ich ruhig. "Es könnte Ihnen schlecht bekommen."

"Ich bin Erikson. Das ist alles, was ich dazu sagen kann!"

"Lassen wir das."

Er schluckte und deutete dann mit der rechten in Richtung Bad.

"Waren Sie das?"

Es gefiel mir nicht, dass er anfing die Fragen zu stellen, gab ihm trotzdem Antwort.

Ich schüttelte den Kopf und sagte: "Nein."

"Ich glaube Ihnen nicht."

"Ich kenne nicht einmal den Namen des Mannes, der da den Kopf nicht ganz freiwillig in die Wanne gesteckt hat."

Erikson zuckte die Achseln und saß jetzt relativ entspannt auf dem Fußboden. "Kein Grund, ihn nicht umzubringen."

Ich zuckte die Achseln.

"Aber Sie kennen ihn", stellte ich fest. "Sie haben sich mit ihm getroffen."

Er sah auf und war eine flüchtige Sekunde lang erstaunt.

Aber keineswegs länger. Er machte plötzlich Anstalten, sich über jenes Maß hinaus bewegen, das ich ihm gestatten wollte, aber ein Wink mit der Automatik ließ ihn schnell wieder zu einem reglosen Stein werden.

Er hob die Hände.

"Schon gut, schon gut!"

"Ich werde Sie erschießen, wenn Sie mich dazu zwingen, Erikson."

"Ich weiß. Wahrscheinlich werden Sie mich so oder so erschießen. Oder was auch immer."

"Sie sind im Irrtum", erwiderte ich sachlich.

Er grinste matt und deutete flüchtig in Richtung Bad.

"Haben Sie das dem da auch erzählt."

"Ich habe ihm gar nichts erzählt. Das war leider nicht mehr möglich. Ich habe ihn so gefunden, wie er da jetzt liegt."

Er zog ungläubig die Augenbrauen hoch.

"Und wer war es dann?"

"Ein Mann namens Deschner. Sagt Ihnen der Name etwas?"

"Nein."

"Ein Killer, der mich umbringen sollte."

"Sie?"

"Ja."

Erikson lachte heiser.

"Warum das?"

"Vermutlich, um zu verhindern, dass ich einen Russen namens Krylenko umbringe."

"Krylenko?"

"Haben Sie es mit den Ohren, Erikson?"

"Ich frag' ja nur."

"Der Name sagt Ihnen also etwas."

"Ich wusste nicht, dass Sie derjenige sind, der von Harry angeheuert wurde."

"Harry?", fragte ich.

"Die Leiche im Bad."

"Wie ist sein vollständiger Name?"

"Ich habe keine Ahnung."

"Sie spielen mir ein bisschen oft den Ahnungslosen!"

"Es ist so, wie ich gesagt habe! Ich weiß es nicht! Ich kannte ihn nur als Harry. So hat er sich auch immer am Telefon gemeldet." Er seufzte und begann, nervös mit den Fingern auf dem angewinkelten Knie herumzuspielen. "In Wahrheit wird er ganz anders heißen."

"Was ist das für ein Verein, zu dem Sie beide gehören?"

Seine Augen wurden schmaler.

"Mir scheint, Sie wissen schon mehr, als für Ihre Gesundheit gut ist!", meinte er ziemlich großspurig.

Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

"Und mir scheint, dass Sie vergessen haben, wer von uns beiden im Moment eine Pistole hat."

Er sah mir direkt in die Augen. Ich hatte das Gefühl abtaxiert zu werden.

"Hören Sie", begann er dann und er machte ein Gesicht, als wollte er jetzt etwas wirklich Wichtiges sagen. "Wenn Sie vernünftig sind, dann..."

"Ich möchte wissen, was gespielt wird", erwiderte ich. "Bei dem Anschlag auf mich ist eine Frau umgekommen, die mir sehr nahe stand."

"Seien Sie froh, dass Sie noch leben!"

"Für wen arbeiten Sie?"

"Das spielt keine Rolle."

Ich kam etwas näher und beugte mich zu ihm herab. Dann setzte ich ihm die Pistole direkt zwischen die Augen.

Er blieb bemerkenswert ruhig. Vielleicht hatte ich noch nicht den richtig Dreh gefunden, um mit ihm umzugehen. Aber um lange herumzuprobieren hatte ich keine Zeit.

"Ich dachte, Sie seien neugierig darauf, zu erfahren, wer den Todesengel geschickt hat!", meinte er.

Ich nickte.

"Das auch."

"Wer sagt mir, dass Sie mich nicht erschießen, wenn ich Ihnen alles sage?"

"Niemand. Vertrauen Sie mir einfach."

Er begann etwas zu schwitzen.

Ein gutes Zeichen, fand ich. Aber nicht gut genug.

"So wie Harry?", murmelte er.

"So wie Harry", bestätigte ich. "Aber Harry hatte es mit jemand anderem zu tun."

"Sie meinen, ich habe Glück, dass ich an Sie geraten bin und nicht an diesen..."

"...Deschner." Ich zuckte die Achseln. "Aber das wird sich wohl noch herausstellen."

"Wir könnten uns einigen", schlug Erikson dann vor. "Ein Kompromiss."

"Der muss schon verdammt gut sein, damit ich mich darauf einlasse."

Erikson atmete tief durch.

"Ich werde Ihnen verraten, wer Sie umbringen will. Das wird Ihre Lebenserwartung ein bisschen erhöhen, würde ich sagen. Vorausgesetzt Sie machen sich augenblicklich aus dem Staub und verkrümeln sich im einsamsten Andental, das Sie finden können!"

"Was ist mit meinem Auftrag?"

"Vergessen Sie den Auftrag. Sie sind verbrannt. Sie scheiden aus."

"Das heißt, es sind mehrere für denselben Auftrag engagiert worden."

"Das weiß ich nicht."

"Ach!"

"Das zu organisieren war Harrys Job."

Ich sah ihn an.

"Wer ist es, der Deschner geschickt hat?", fragte ich dann.

Er schluckte. "Ich kann natürlich nicht garantieren, dass er wirklich dahintersteckt..."

"Ihr Gerede geht mir auf die Nerven, Erikson. Kommen Sie auf den Punkt."

Seine Pupillen waren ganz von weiß umgeben, als er mich mit offenem Mund anstarrte.

"Er heißt Michel Khalil", murmelte er schließlich.

Klang für mich wie eine Mischung aus Französisch und Arabisch. Ich tippte auf einen christlichen Libanesen. Also doch Naher Osten. Ich musste an diesen merkwürdigen Professor denken, den ich in Wien getroffen hatte.

"Für wen arbeitet Khalil?"

"Khalil arbeitet für sich selbst."

"Das glaube ich nicht."

"Sie sollten mir etwas mehr Vertrauen entgegen bringen", meinte er allen Ernstes.

"Und warum?"

"Weil Ihre Feinde auch meine sind."

Wenn man es genau nahm, dann war es genau umgekehrt. Aber wer wollte jetzt spitzfindig sein?

"Kann ich eine Zigarette rauchen?", fragte er.

"Wir gehen nach unten", meinte ich und nahm die Knarre von seinem Schädel. Ich konnte ihn immer noch umlegen, wenn er es herausforderte. Aber vielleicht hatte ich wirklich mehr von ihm, wenn ich mich mit ihm zusammentat.

Er steckte sich seine Zigarette in den Mund und zündete sie sich an. Ich war die ganze Zeit über auf der Hut. Vorhin hatte ich ihn auf ziemlich einfache, aber wirkungsvolle Art überrumpelt. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass er auch nur einen Gedanken daran verschwendete, mit mir dasselbe zu versuchen.

Im Wohnzimmer wies ich ihn an, sich in einen Sessel zu setzen. Er machte das auch, ohne zu murren.

"Wir sollten sehen, dass wir hier wegkommen", meinte Erikson verhältnismäßig sachlich.

Ich hob die Augenbrauen.

"So?"

"Was glauben Sie, was Ihr und mein Leben wert ist, wenn Khalils Leute uns hier aufstöbern?"

Ich zuckte die Achseln.

"Ich schätze, das wird noch eine Weile dauern."

"Ich hoffe, Sie haben recht. In der Küche ist ein Kühlschrank, da müsste noch Bier drin sein."

"Na und?"

"Kann ich mir eins holen?"

"Sie können auf Ihren vier Buchstaben sitzen bleiben, wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihnen ein Loch hineinbrenne."

Er atmete tief durch und fuhr sich dann mit einer flüchtigen Geste durch das nicht ganz so volle Haar.

"Was haben Sie eigentlich mit diesem Killer gemacht?",

erkundigte er sich beiläufig.

"Deschner?"

"Ja."

"Ich habe ihm den Bauch aufgeschlitzt."

"Alle Achtung."

"Das, was er mit mir vorhatte, war nicht sehr nett."

Erikson lächelte gequält.

"Wenn Sie meinen..."

"Erzählen Sie etwas über Khalil."

Ich hörte meine eigene Stimme diesen Namen aussprechen und hatte gleichzeitig das Gefühl, in dieser Sekunde neben mir selbst zu stehen. Verdammt! Ich hatte Eriksons Köder geschluckt.

Er hatte einen Namen fallenlassen und jetzt war ich neugierig und hing an seiner Angel.

"Khalil ist Libanese. Er vermittelt alles, womit sich Geld zu machen verspricht."

"Auch Killer?"

"Das nur in diesem speziellen Fall. Eigentlich ist er im Waffen-und Drogengeschäft einschlägig bekannt. Aber es gibt Dinge, die sind noch wertvoller."

"Und was zum Beispiel?"

"Ein menschliches Gehirn - vorausgesetzt, es handelt sich um ein überdurchschnittliches Exemplar."

"Was hat Khalil mit Krylenko zu tun?"

Erikson zögerte etwas. Indessen stellte ich den zweiten Korbsessel wieder hin und setzt mich.

"Khalil hat den Auftrag bekommen, dafür zu sorgen, dass Krylenko sicher an seinen Bestimmungsort gelangt."

"Und der wäre?"

"Tja, was glauben Sie wer alles wie viel dafür zahlen würde, um das herauszubekommen!" Der Schwede zuckte die Achseln. "Ich weiß es nicht."

Ich musterte ihn.

"Sie lügen."

"Nein, ich lüge nicht. Was glauben Sie, weshalb Krylenko erst nach Frankfurt kommt und nicht direkt dorthin fliegt, wo man ihn sehnsüchtig erwartet?"

"Seine eigenen Leute würden ihn abfangen", riet ich.

"Falsch", erwiderte er ächzend."Man will verhindern, dass jemand weiß, wohin seine Reise geht. Er muss sozusagen im Nichts verschwinden. Krylenko wird auch von Frankfurt aus nicht direkt zu seinem Ziel gelangen - oder glauben Sie, die Staaten, die Interesse an ihm haben, wollen sich eine Woche später am internationalen Pranger wiederfinden, wenn sich das vermeiden lässt?"

"Und für diese Vernebelung ist Khalil zuständig?"

"Ja", nickte er.

Vielleicht stimmte es, was er sagte.

"Mit anderen Worten: Khalil ist auch nichts weiter als ein Handlanger."

Erikson hob mit einer hilflos wirkenden Geste beide Hände.

"Ja, so ist es", gab er dann zu.

"Und für wen?"

"Ich sagte schon, dass ich es nicht weiß."

"Ach kommen Sie schon! Sie haben sicher eine Vermutung!"

"Es gibt mehrere Kandidaten, aber bei keinem von ihnen können wir uns wünschen, das ihm das Wissen von Herrn Krylenko zur Verfügung steht."

"Wer ist wir?"

Er zeigte die Zähne, während er lächelte.

"Sie und ich. Und der Rest der Menschheit - von ein paar Ausnahmen abgesehen."

"Ein bisschen genauer, bitte!", forderte er.

Aber er sagte keinen Ton mehr.


Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane

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