Читать книгу Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 83
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ОглавлениеEs war schon fast Mittag, als ich Bernd Dietrichs Bar einen Besuch abstattete. Ich trug dabei mein neues Rentner-Kostüm. Glamour hieß der Laden und ich hatte mich schon bei meinem ersten Besuch hier gefragt, wie Dietrich auf einen so unpassenden Namen gekommen war.
Als ich die Tür passiert hatte, sah ich, dass Dietrich in den letzten Jahren eine Menge investiert haben musste. Der Laden schien zu laufen, denn die Laser-Lichter, die ich sah, waren sicher alles andere als billig. Im Moment war hier natürlich noch nichts los. Eine Putzkolonne wienerte gerade den Fußboden und Lieferanten gingen aus und ein. Ich hoffte nur, dass ich Dietrich hier auch antraf.
"Hey, Sie!"
Ich drehte mich um.
Der Kerl, der mich da von hinten anquatschte, war mindestens zwei Köpfe größer als ich und schien mir gut trainiert zu sein. Täglich zwei bis drei Stunden im Fitness-Raum, so schätzte ich. Sein Gehirn hatte er vermutlich wesentlich weniger Trainingseifer angedeihen lassen, sonst hätte er einen anderen Job gehabt.
Er war Rausschmeißer. Dafür hätte ich die Hälfte der hunderttausend verwettet, die auf meinem Züricher Nummernkonto lagen. Man konnte es ihm buchstäblich schon an der Nasenspitze ablesen. Ich schätzte, dass seine Nase mal gebrochen gewesen war, so wie sie aussah.
Er kam etwas näher.
"Was ist?", fragte ich.
Er atmete tief durch und blies sich dann auf wie ein Heißluftballon.
"Was machen Sie hier?", knurrte er mit wichtiger Miene. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Sie..."
Ich schnitt ihm einfach das Wort ab.
"Ich muss mit Dietrich sprechen."
Er verschränkte die Arme vor der Brust und verzog das Gesicht. "Was wollen Sie von Dietrich?"
"Das werde ich ihm selbst sagen!"
Er schüttelte den Kopf und lachte heiser. "Es ist doch nicht zu fassen", meinte er. "Sie kommen einfach so daher und spielen hier den großen Mann." Er trat ganz dicht an mich heran und hatte seine Hand an meinem Jackettkragen.
"Ich sollte Sie achtkantig rausschmeißen!"
"Sie werden doch keinen alten Mann schlagen."
Er grinste breit.
"So alt sind Sie nun auch wieder nicht."
Ich registrierte, wie sich seine Muskeln und Sehnen anspannten. Vielleicht kam ich ihm als leicht zu verprügelnder Sparringpartner ganz recht. Allerdings wusste er weder etwas von der Automatik in meiner Jackentasche, noch davon, dass ich eine Nahkampf-Ausbildung hinter mir hatte.
"Was ist los?"
Eine klare, befehlsgewohnte Stimme zerschnitt die schlechte Luft im Glamour und rettete mich. Oder ihn.
"Ihr neuer Wachhund nimmt seine Aufgabe ein bisschen zu ernst", meinte ich und ging an dem Gorilla vorbei. Er versuchte nicht, mich aufzuhalten.
Dietrich war in den letzten Jahren ein wenig älter geworden, was ihm deutlich anzusehen war. Sein Haar war lichter geworden, die schwarze Farbe wohl nicht mehr echt.
Er sah mich mit gerunzelter Stirn an.
"Was wollen Sie?"
Dass er mich nicht erkannte, wunderte mich kaum.
"Papiere", sagte ich. Ich zog meinen Personalausweis aus der Tasche und hielt ihm das angeblich fälschungssichere Plastikding hin. "Sie haben das schon einmal für mich gemacht."
"Ich erinnere mich aber nicht an Sie."
"Es liegt Jahre zurück."
Dietrich nahm die Plastikkarte.
"Aber dies Ding hier kommt nicht von mir!"
"Nein, der Ausweis, den Sie mir damals vermittelt haben, lief ab und musste dann gegen diese neuen Karten eingetauscht werden."
Er grinste.
"So sind Sie doch noch an echte Dokumente gekommen."
"Ja."
"Warum wollen Sie dann neue?"
"Meine Sache."
Er zuckte die Achseln. "Sicher." Dietrich sah sich einen Augenblick lang das Lichtbild auf der Plastikkarte an. Dann sah er auf und grinste.
"Was soll ich mit ihm machen?", fragte der Muskelprotz in meinem Rücken.
Dietrich grinste mich an.
"Ich erinnere mich an Sie."
"Na, wunderbar."
"Sie sehen nicht gut aus."
"Man wird älter."
"Was haben Sie angestellt, dass Sie so eine Schmierenkomödie aufführen müssen?"
"Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten? Dann kann ich ihnen sagen, was ich will und Sie sagen mir, was das kostet."
Dietrich musterte mich eine Weile mit seinen wachen hellbraunen Augen.
"Die Preise sind in den letzten Jahren gestiegen", meinte er.
"Ich erwarte nicht, dass Sie mir Geschenke machen", erwiderte ich kühl.
Dietrich lachte heiser.
"Das sollten Sie auch nicht", murmelte er dann.
"Also gehen wir."
"Und sollten Sie auf die Idee kommen, mir Geld anzudrehen, das irgendwie nicht ganz in Ordnung ist, dann..."
"Ich werde mich an die Spielregeln halten", versicherte ich ihm.
Er nickte, dann wies er mich an, ihm zu folgen. Es ging durch einen engen, halbdunklen Korridor. Dietrich hatte einen ziemlich schnellen Schritt drauf, während ich in meinem Rücken den Atem des Gorillas hörte.
Dann öffnete Dietrich eine Tür, offenbar zu seinem Büro und blieb stehen. Er nickte dem Gorilla knapp zu und ich begriff erst einen Sekundenbruchteil zu spät, was das bedeutete. Der Kerl packte mich, drehte mir den Arm nach hinten und drückte mich ziemlich roh gegen die Wand. Er brach mir fast den Arm, als er mich filzte. Nach wenigen Sekunden zog er triumphierend meine Automatik aus der Jackentasche und schleuderte mich zu Boden. Dietrich fing die Waffe auf und schüttelte mit dem Kopf.
"So etwas mag ich nicht", meinte er.
"Tut mir leid."
"Es gibt eine Menge Leute, die etwas gegen mich haben. Und da muss ich vorsichtig sein."
Er fingerte am Magazin der Automatik herum und ließ die Patronen in seine Hand rieseln.
Dann sagte er: "Stehen Sie auf."
Ich gehorchte.
Dietrich drückte mir die Automatik in die Rechte und steckte mir dann die Patronen in die obere Jackett-Tasche.
"So fühle ich mich entschieden sicherer", grinste er.
Wir gingen ins Büro. Auch der Gorilla.
"Nun legen Sie schon die Karten auf den Tisch", verlangte Dietrich.
"Unter vier Augen", gab ich zurück.
Dietrich seufzte.
"Wie viel können Sie zahlen?"
Eine Antwort auf diese Frage war nicht ganz ungefährlich.
Dietrich kannte sich in der Branche aus, er wusste, wie im Moment die Preise waren. Wenn ich Pech hatte, nahm er mich aus wie eine Weihnachtsgans. Ich nannte ihm einen Betrag, der deutlich höher war, als das, was ich ihm damals gezahlt hatte.
Er nickte.
"Haben Sie eine Bank ausgeraubt?", lachte er und machte dem dem Gorilla ein Zeichen, den Raum zu verlassen, was dieser nach einigem Zögern auch machte.
"Nein. Mein Geld ist in Ordnung. Es liegt auf der Bank."
"Seriös geworden?"
"In dieser Hinsicht ja. Außerdem bemühe ich mich, einen Fehler immer nur einmal zu machen."
Er deutete auf einen der Ledersessel, die bei ihm im Büro herumstanden.
"Setzen Sie sich."
Ich nahm Platz und sagte ihm, was ich wollte. Drei Dokumentensätze, Pass, Führerschein und so weiter. Einen Deutschen, einen Französischen und einen Kanadischen. Ich legte ihm die Fotos auf den Tisch, dazu alle Daten, die ich sorgfältig auf verschiedene Zettel geschrieben hatte.
"Hm", brummte Dietrich und lehnte sich zurück. "Sie sind gut vorbereitet."
"Ist es machbar?"
"Alles ist machbar. Wann brauchen Sie die Sachen?"
"Gestern."
Er lachte kurz auf.
"Sie stecken in der Scheiße und haben immer noch Humor. Das hat mir schon damals an Ihnen gefallen."
Für seine Blumen konnte ich mir nichts kaufen. Ich wollte wissen, was Sache war. "Wie lange wird es dauern?", fragte ich also sachlich.
Er hob die Schultern. "Wenn Sie alles wirklich wasserdicht haben wollen, dann können wir das nicht übers Knie brechen."
Er beugte sich vor. "Ich habe Verbindungen zu einem korrupten KGB-Offizier. Der KGB hat seinerzeit massenweise Original-Ausweise der Bundesrepublik Deutschland gehortet. Man braucht nur noch Name und alles andere eintragen. Die Stempel sind auch Originale."
"Diese grauen Heftchen sind doch alle bald abgelaufen und werden nicht mehr verlängert."
"Sie gehen zum Ordnungsamt und lassen sich eine Plastikkarte dafür geben. Sie geben einfach an, dass Sie umgezogen seien und ansonsten..."
"Nein", sagte ich. "Der zweite Teil dauert mir zu lange."
"Schade."
"Haben Sie eine andere Lösung?"
"Sie könnten sich gegen das abgelaufene graue Ding in jedem deutschen Konsulat einen vorläufigen Personalausweis geben lassen."
"Vergessen Sie's."
Dietrich seufzte.
"Es soll also schneller und besser sein, ja? Eine Plastikkarte?"
"Richtig."
"Dann wird es teurer. Das mit dem KGB-Offizier wäre ein Sonderangebot gewesen. Sommerschlussverkauf aus Geheimdienstbeständen sozusagen."
Ich zuckte die Achseln und winkte ab.
Aber Dietrich ließ nicht locker.
"Außerdem ist das Resultat bei weitem nicht vergleichbar. Wenn Sie meine Lösung akzeptieren würden, hätten sie einen echten Ausweis. Keine Fälschung."
"Es dauert leider zu lange."
Er machte eine bedauernde Geste und versuchte ein geschäftsmäßiges Lächeln.
"Na gut, wie Sie meinen. Ein bis zwei Wochen wird es trotzdem dauern. Sie wollen ja schließlich nicht bei der ersten Flughafenkontrolle, die Sie passieren, wie schlechtes Obst aussortiert werden."
"Ich schreibe ihnen einen Barscheck aus."
Er sah mich seltsam an.
"Also..."
"Wenn keine Deckung da ist, dann werden Sie es vor Ablauf einer Woche zweimal gemerkt haben."
Er schüttelte den Kopf.
"Lösen Sie Ihren Scheck selbst ein", meinte er. "Ich will Bargeld." Er gab mir eine Karte, die er ziemlich umständlich aus seiner Jackentasche herauspulte.
"Was soll ich damit?", fragte ich.
"Das ist meine Privatadresse. Werfen Sie das Geld einfach in den Briefkasten."
"Gut."
"Aber unterstehen Sie sich, mich mit einem Besuch zu belästigen."
"Kein Gedanke."
"Wo kann ich Sie erreichen, wenn es soweit ist?"
"Nirgends", erwiderte ich. "Ich werde mich bei Ihnen melden."
Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und zuckte die Achseln. "Meinetwegen", grunzte er, während er sie sich anzündete. "Sie trauen niemandem, was?"
"Damit hat das nichts zu tun", meinte ich. "Ich weiß schlicht und einfach noch nicht, wo und ob ich zu erreichen sein werde."
Er grinste.
"Ich würde zu gerne wissen, was Sie diesmal angestellt haben", murmelte er dann glucksend.
Ich musste auf ihn aufpassen. Er war neugierig. Und das Hemd war ihm mit Sicherheit näher als die Hose. Wenn er kalte Füße bekam oder jemand mit genügend großen Geldbündeln wedelte, würde er mich an jeden ausliefern, der mich haben wollte. Inklusive die Polizei.
Ich erhob mich und wandte mich zum Gehen.
Dietrich blieb sitzen.
Bevor ich hinausging, drehte ich mich noch einmal halb herum und fragte: "Sind Sie eigentlich immer noch im Drogengeschäft aktiv?"
Ich sah das nervöse Zucken in Dietrichs Gesicht. Das schien ein Punkt zu sein, auf den er nicht angesprochen werden wollte.
Er runzelte die Stirn.
"Was soll das?" knurrte er.
"Nur so. Als wir uns das letzte Mal sahen, waren sie noch drin in der Szene."
"Woher..."
"Spielt doch keine Rolle. Ich wusste es. Damals schon. Nennen wir es Gerüchte mit ziemlich hohem Wahrheitsgehalt. Aber darum geht es nicht."
"Worum dann?"
"Sagt Ihnen der Name Khalil etwas?"
"Klingt türkisch oder so."
"Mehr nach oder so. Michel Khalil, Libanese."
Er zog an seiner Zigarette und schien nachzudenken.
Ziemlich lange, wenn man bedachte, dass er nur entscheiden musste, ob er von Khalil gehört hatte oder nicht. Aber statt mir zu antworten, stellte er mir eine Gegenfrage.
"Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich etwas über diesen Khalil weiß?"
"Weil ich ihn zumindest als eine so große Nummer einschätze, dass er jemandem wie Ihnen ein Begriff sein könnte!"
Dietrich stand auf und trat nahe an mich heran. Er packte seine Zigarette mit zwei Fingern und blies mir den Rauch ins Gesicht.
"Tut mir leid", sagte er dann gedehnt. "Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr im Geschäft."
Er ließ die Zigarette zurück zwischen die Lippen gleiten und steckte seine Hände dann in die weiten Taschen seiner dunklen Hose.
"Was Sie nicht sagen", murmelte ich. Ich glaubte ihm kein Wort.
Er hob die Schultern und schien wohl auch zu finden, dass das nicht sehr überzeugend geklungen hatte. Also schob er noch etwas nach. "Zu gefährlich", meinte er. "Türkische Banden und die Kolumbianer haben hier viel an Terrain gewonnen. Glauben Sie, ich versuche, mich mit aller Gewalt dazwischen zu drängen? Ich bin ja nicht lebensmüde. Außerdem habe ich das auch nicht mehr nötig. Es gibt auch andere profitable Geschäfte."
Ich nickte leicht.
"Und den Namen Khalil haben Sie noch nie gehört?", fragte ich dann mit einer unüberhörbaren Spur Sarkasmus in der Stimme.
"So ist es", erwiderte er.