Читать книгу Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket - Alfred Bekker - Страница 86

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Sein Kopf glich dem eines Falken. Er war ein Meter achtzig groß, ging auf zwei Beinen mit nach hinten knickenden Knien, die in vierzehigen Krallenfüßen endeten. Die oberen Extremitäten waren deutlich feingliedriger und endeten in einer Krallenhand mit vier Fingern.

Latan-Rai, seines Zeichens Oberbefehlshaber der ruhmreichen Flotte des Qriid-Imperiums, betrat den von einer Glaskuppel überspannten Raum. Man hatte von hier einen fantastischen Rundumblick über Qatlanor, die auf Qriidia gelegene Hauptstadt des heiligen Imperiums.

Hier war das Zentrum des Reiches. Milliarden von Qriid pilgerten zu den hohen Feiertagen hierher, um die Heiligtümer zu besuchen. Der Himmel Qriidias war durch seinen hohen Staubgehalt in der Atmosphäre stets rötlich.

Die Farbe des Blutes, mit der Gott seine Gebote an den Himmel geschrieben hatte, so hieß es im Buch der Weisen, der wichtigsten Überlieferung der Qriid-Religion.

Latan-Rais Kleidung war ebenfalls rot. Die Farbe der Flotte, deren Ziel es war, die Feinde des auserwählten Volkes zu vernichten.

An einer langen Tafel hatten sich die obersten Offiziere der Qriid-Streitmacht versammelt. Sie alle waren aufgestanden, sobald ihr Oberbefehlshaber den Raum betreten hatte. Ihre großäugigen Köpfe wandten den Blick in Richtung des Eingetretenen. Gemessenen Schrittes trat Latan-Rai vor. Erst nachdem er auf einem, an die vogelartige Anatomie der Qriid angepassten Sitz Platz genommen hatte, setzten sich auch die anderen wieder.

Ein Platz – er war gegenüber den anderen leicht erhöht – blieb frei.

Hier saß normalerweise der Aarriid, der Stellvertreter Gottes, dessen Führung sie sich bereitwillig anvertrauten. Es war das Recht des Aarriid, jederzeit an einer Sitzung des obersten Militärstabes teilzunehmen, sofern er dies wünschte.

Der letzte Aarriid hatte selten diesen Wunsch gehabt. Die Gesellschaft von Priestern war ihm deutlich lieber gewesen als die von Vertretern des pragmatisch eingestellten Militärs, für das die religiösen Motive des Krieges nur zweitrangig waren.

Zurzeit war der Stuhl des Aarriid nicht nur in diesem Raum verwaist.

Nach dem plötzlichen Tod des letzten Aarriid hatte die Zeit der Suche begonnen, in der es Aufgabe der Priesterschaft war, einen neuen Aarriid zu erwählen. Üblicherweise wurde dazu ein männliches Qriid-Kind nach bestimmten, nur den Priestern bekannten Merkmalen ausgewählt.

Formal herrschte der Aarriid dann mit absoluter Macht über das Reich der Qriid. Er war nicht nur Herrscher, sondern die rechte Hand Gottes, die in dessen Namen die Heiligen Gebote ausführte und in seinen Träumen die Macht des Geistes empfing.

Faktisch teilten sich Priesterschaft und Militär die Macht zumindest so lange, bis der Aarriid alt genug war, um tatsächlich politische oder religiöse Entscheidungen treffen zu können.

Latan-Rais offizieller Titel lautete Tanjaj-Mar, was Kommandant der Gotteskrieger bedeutete. Die Tanjaj waren die privilegierte Kriegerkaste der Qriid, die höchste Verehrung genossen. Ihre Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass den wahren Gläubigen ein genügend großer Teil der Galaxis als Siedlungsraum zur Verfügung stand.

Formal waren nur die Aarriid-Priester den Tanjaj übergeordnet. Faktisch herrschte ein schwankendes Gleichgewicht zwischen diesen beiden, die Qriid-Gesellschaft beherrschenden Kräften.

Im Augenblick allerdings neigte sich diese Waage eindeutig auf der Seite der Priesterschaft, der immer dann eine besondere Bedeutung zukam, wenn die Zeit der Suche anbrach. Von der Wahl der Priester hing alles ab. Solange kein Aarriid im Tempelkomplex von Qatlanor residierte, durfte der Heilige Krieg nicht fortgeführt werden, so lautete das Gebot.

»Die Lage ist äußerst ernst«, sagte Latan-Rai. »Für meinen Geschmack dauert die Phase des Friedens schon viel zu lange. Die Kampfkraft der Tanjaj schläft ein, und die Gläubigen drohen fett zu werden. Das Feuer des Glaubens kommt ihnen abhanden. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es zum Auftreten von ersten Zweiflern an den dem Gebot des permanenten Heiligen Krieges kommen wird!«, eröffnete Latan-Rai.

Es hatte vor dreihundert Qatlanor-Jahren eine Zeit der Suche gegeben, die fast ein halbes Jahrhundert gedauert hatte. Die Folge waren Ketzerbewegungen gewesen, die genau dieses Gebot in Frage gestellt hatten. Der Wohlstand der Gläubigen war in dieser Zeit stark gestiegen, aber die Ketzer hatten das Reich an den Rand des Abgrunds und der Spaltung gebracht hatten. Nur durch das blutige Eingreifen der Tanjaj war es gelungen, das Imperium geeint zu halten.

So etwas durfte nie wieder geschehen!

»Die Priesterschaft spielt mit dem Feuer, wenn sie versucht, ihren Einfluss dadurch zu stärken, dass sie die Inthronisierung eines neuen Aarriid verzögert«, meldete sich Dgor-Non zu Wort, ein uralter Tanjaj-General, dessen Schnabel bereits rissig und fleckig geworden war. Er genoss höchstes Ansehen im Kreis der Kommandanten. »Es liegt doch auf der Hand, dass unser Einfluss in Friedenszeiten zurückgeht – und genau das ist das Ziel der maßgeblichen Kräfte unter den Aarriid-Priestern. Und meiner Ansicht nach dient das Geheimtreffen im System 5147 einzig und allein dem Zweck, sich auf unsere Kosten mit den Menschen zu einigen.«

System 5147 – unter dieser Bezeichnung stand das von den Menschen Bannister genannte Sonnensystem in den Sternkatalogen der Qriid. Für so manchen Tanjaj stellte die Existenz der dortigen Menschsiedlungen eine reine Provokation dar – der sie auch noch tatenlos zusehen mussten, da es ihnen in der Zeit der Suche verboten war, den Krieg fortzuführen.

Keinen Qatlanor-Tag lang hätten sich die Menschen dort halten können, so lautete die allgemeine Überzeugung im Kommandantenrat. Aber ihnen waren die Krallenhände gebunden, solange die Priester sich nicht bequemten, endlich einen neuen Aarriid auf den göttlichen Thron zu setzen, auch wenn dieser in den ersten Jahren seiner Amtszeit nichts weiter als ein Spielball sein würde. Ein unreifes Kind, das Einflüsterungen keinen Widerstand entgegensetzen konnte.

»Und wir werden auch noch die Verpflichtung haben, das Schiff der Unterhändler zu eskortieren«, maulte ein weiterer Kommandant. »Es ist wie ein Hohn! Als ob sich die Priester heimlich über uns lustig machten.«

Empörtes Gemurmel entstand.

Latan-Rai hob die Krallenhand, woraufhin augenblicklich Ruhe einkehrte.

»Wer sagt uns, dass die Priester den Aarriid nicht längst gefunden haben?«, fragte er.

Alle Blicke waren auf den Tanjaj-Mar gerichtet, dessen muskulöse Fleischwülste über den großen, falkenhaften Augen sich zusammengezogen hatten. »Die Merillium-Preise steigen seit einiger Zeit kontinuierlich an. Die geweihten Händler werden von den Priestern überall dorthin geschickt, wo es zu haben ist. Und sie kaufen es in Massen und zu fast jedem Preis, der von ihnen verlangt wird.«

Das Mineral Merillium wirkte auf den Metabolismus eines Qriid als starkes Halluzinogen. Diese Substanz hatte für die Gläubigen eine besondere Bedeutung. Die massenhafte Einnahme von Merillium war Teil der Rituale, mit denen der neue Aarriid eingeführt wurde. Dem Glauben der Qriid nach kam es dadurch zu einer Geistverschmelzung aller gläubigen Qriid mit ihrem Aarriid. Gott sprach dann direkt zu seinen Gläubigen – so die Überlieferung...

So war der Merillium-Preis traditionell starken Schwankungen unterworfen. Die Einnahme des Minerals war außerhalb der Inthronisierungsrituale streng verboten, sodass dieses Mineral je nach Lebensdauer des amtierenden Aarriid manchmal für lange Zeitspannen völlig wertlos war. Schon wenn sich die Lebensspanne des Aarriid – die durch die Einnahme lebensverlängernder Substanzen um bis zu 40 Prozent höher war, als die eines gewöhnlichen Qriid – dem Ende näherte, stieg der Preis leicht an. Dasselbe galt, wenn der Aarriid starb und die Zeit der Suche begann. Überall im Imperium schwärmten dann die kleinen Sucher-Schiffe der Priesterschaft aus. Sie steuerten jede noch so unbedeutend erscheinende Kolonie der Vogelartigen an und ließen sich neu geschlüpfte Kinder zeigen. Sie suchten gewisse Merkmale, die in den geheimen Priesterschriften verzeichnet waren und niemals einem Außenstehenden verraten werden durften.

Nach welchen Gesichtspunkten die Priester letztlich den Aarriid bestimmten, lag vollkommen jenseits der Kontrolle aller Außenstehenden.

Irgendwann verkündete der amtierende Oberpriester, dass der von Gott erwählte Aarriid gefunden worden war, und die Feierlichkeiten konnten beginnen. Innerhalb kürzester Zeit war es dann im gesamten Qriid-Imperium unmöglich, noch eine Raumpassage zu buchen. Aber Milliarden von Qriid-Pilgern reisten nach Qatlanor und versuchten, dem neuen Aarriid bei dessen Inthronisierung im heiligen Tempelbezirk der Stadt so nahe wie möglich zu sein.

»Die Schiffe der Heiligen Händler steuern bereits Systeme außerhalb des Reiches an, um Merillium einzukaufen«, stellte Latan-Rai fest. »Ich nehme an, dass die Priesterschaft nur auf einen geeigneten Moment wartet, ehe sie den neuen Aarriid bekannt gibt. Sie sucht den taktischen Vorteil.« Der Kommandant der Tanjaj ließ ein durchdringendes Krächzen hören – der Qriid-Entsprechung eines zynischen Lachens.

»Dass es den Priestern um Dorton Laj in erster Linie um die Grundsätze des Glaubens geht, nehme ich ihnen schon lange nicht mehr ab. Ein Heide im frommen Priestergewand, der nach der absoluten Macht strebt – das ist unser ach so ehrenwerter Oberpriester!«

Noch nie zuvor hatte Latan-Rai derart offen seine Meinung über den amtierenden Oberpriester kund getan. Aber der Tanjaj-Mar traf auf viel Zustimmung unter den anderen Kommandanten.

»Das wäre Verrat am Glauben und am Imperium!«, rief einer der jüngeren Kommandanten.

Sein Name war Zorstan-Gas, und Latan-Rai hielt große Stücke auf ihn. In ferner Zukunft sah er in dem Jüngeren das Potential, einmal sein Nachfolger im Amt des Tanjaj-Mar zu werden. Schon jetzt betraute ihn der Oberbefehlshaber der ruhmreichen Flotte häufig mit Aufgaben, die sein besonderes Vertrauen erforderten.

So dachte Latan-Rai beispielsweise daran, Zorstan-Gas das Kommando über die Begleitflottille zu geben, die die Verhandlungsführer zu dem Geheimtreffen im System 5147 begleiten würde. Natürlich würde dann auch Zorstan-Gas selbst zur Delegation gehören und den Tanjaj-Mar jederzeit auf dem Laufenden halten.

Dgor-Non meldete sich noch einmal zu Wort.

»Wir müssen alle Eventualitäten in Betracht ziehen, Tanjaj-Mar«, sagte er. »Es gibt kaum etwas, das wir tun könnten, um die Zeit der Suche zu verkürzen, so sehr wir unseren Einfluss auch schwinden sehen. Die Priester haben nun einmal die Macht, die Inthronisierung des neuen Aarriid fast beliebig hinauszuzögern. Der einzige Fall, der uns berechtigen würde, den Krieg trotz der Gebote fortzusetzen, wäre ein Angriff der Menschen, womit nach unseren Geheimdienstinformationen nicht zu rechnen ist.«

»Die Gebote gestatteten uns dann, diesen Angriff abzuwehren – aber nicht mehr«, gab Latan-Rai zu bedenken.

»Das ist eine Frage der Interpretation«, erwiderte Dgor-Non mit einen schrillen, schabenden Geräusch, der durch das Reiben beider Schnabelhälften entstand.

»Einer Interpretation, deren Hoheit in den Händen der Priester liegt«, erwiderte Latan-Rai.

»Aber sie könnten es im Verteidigungsfall als vorteilhaft zur Sicherung ihrer eigenen Machtbasis ansehen, den Aarriid zu inthronisieren. Wir wären wahrscheinlich alle überrascht, wie schnell dieses Heilige Kind plötzlich ausgebrütet wäre!«

Allgemeines Schnabelklappern als Ausdruck der Heiterkeit war die Antwort des Kommandantenrates.

»Unglücklicherweise ist dieser Fall kaum wahrscheinlich«, meinte Latan-Rai.

»Die Priester haben eine lange Tradition darin, Wundern nachzuhelfen, die einfach nicht eintreten wollen«, sagte der alte General. »Wir sollten vielleicht auch damit beginnen.«

Dieser Fuchs!, dachte Latan-Rai. Ich habe ihn unterschätzt!

Immerhin konnte er sich angesichts des hohen Alters von Dgor-Non ziemlich sicher sein, dass dieser keinerlei Absicht hegte, sich selbst zu profilieren oder gar irgendwann in den Rang des Tanjaj-Mar zu erheben. Diese Ambitionen lagen lange hinter ihm.

»Ich werde darüber nachdenken«, verkündete Latan-Rai.

»Aber ein etwas näher liegendes Problem harrt noch einer Lösung. Was tun wir, wenn sich der Unterhändler der Priesterschaft tatsächlich mit den Menschen einigt? Dorton Laj ist verkommen genug, den Heiligen Krieg für seine eigenen Ziele zu opfern. Unseren Informationen nach gibt es auf der Zentralwelt der Menschheit Pläne, uns für das Versprechen eines dauerhaften Friedens sogar System 5147 zu überlassen.«

»Einen derartigen Handel dürfen wir nicht zulassen«, meldete sich Zorstan-Gas zu Wort. Die Entschiedenheit und Selbstbewusstsein, mit der dieser vergleichsweise junge Kommandant in dieser Runde auftrat, wirkte auf manche überraschend.

Alle Blicke waren jetzt auf ihn gerichtet.

Er wandte den Kopf in Richtung seines Tanjaj-Mar und Mentors Latan-Rai. Dieser senkte leicht den Kopf. Ein Zeichen der Bestätigung und der Unterstützung.

Lass ihn sich profilieren, dachte Latan-Rai. Das Imperium braucht starke Individuen wie ihn in dieser schweren Zeit der inneren Fäulnis.

»Notfalls müssen der Unterhändler und alle seine Begleiter getötet werden«, fuhr Zorstan-Gas fort.

»Der Mord an einem Priester ist ein Frevel!«, ereiferte sich einer der anderen Kommandanten.

»Ein Frevel, von dem ja niemand erfahren muss. Aber sollte sich die Lage wirklich so zuspitzen, wie unser Tanjaj-Mar es gerade skizziert hat, sehe ich darin eine Notwendigkeit zum Erhalt des Imperiums.«

»Es wäre die Hinrichtung eines Verräters, der seine Tat noch nicht vollendet hat«, erklärte Dgor-Non und signalisierte damit seine Zustimmung. »Die Gebote heißen eine derartige Vorgehensweise durchaus gut – auch wenn niemand unter den alten Schriftgelehrten sich offenbar vorstellen konnte, dass es ein Priester sein könnte, der das Imperium der Gläubigen verrät.«

»In dieser Sache muss Einigkeit bestehen«, sagte Latan-Rai.

»Denn wir riskieren sehr viel dabei. Wer immer dieser Vorgehensweise nicht zustimmt, möge seine Kralle jetzt heben oder ewig schweigen.«

Niemand hatte Widerspruch anzumelden.

»Hoffen wir, dass dieser Fall nicht eintritt«, sagte Dgor-Non.

»Gott würde uns verzeihen, die Priesterschaft aber wohl niemals...«

»Es gibt noch eine Sache, die im Zusammenhang mit dem Treffen in System 5147 besprochen werden muss«, kündigte Latan-Rai an. »Da wir das Treffen an sich nicht verhindern können, sollte es noch einem anderen geheimen Zweck dienen, der mit einem Menschen-Raumschiff namens STERNENKRIEGER zu tun hat. Ich werde dazu jetzt ein paar Erläuterungen geben...«

Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket

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