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Phnom Penh, Boulevard Confederation de la Russie, zwei Tage später, 1210 OZ

Es war drückend heiß in dem Taxi, obwohl die Seitenscheiben heruntergedreht waren und der Fahrtwind Fellmer und Karels durch das Haar fuhr. Die Luftfeuchtigkeit musste nahe bei hundert Prozent sein. Schon als sie aus dem Flieger gestiegen waren, hatte Fellmer beim ersten Atemzug geglaubt, einen Schlag vor den Kopf zu bekommen.

Ein Taxi brachte die beiden ISFO-Soldaten vom außerhalb der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh gelegenen Pochentong Airport aus zum Hotel Wat Phnom.

Der Weg führte quer durch die Stadt. Der Boulevard Confederacion de la Russie war eine der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt – und meistens verstopft. Zur hohen Luftfeuchtigkeit kam noch ein Schadstoffgehalt, den man wahrscheinlich in keiner europäischen oder amerikanischen Großstadt antreffen konnte.

Fellmer fragte sich, wie Fahrer der überladenen Fahrradrikschas das auszuhalten vermochten.

Dagegen war selbst ein Höhentraining für Gebirgsjäger der reinste Erholungsurlaub.

Ina Karels erging es nicht anders.

Sie wirkte matt und abgeschlagen, saß in sich zusammengesunken auf der Rückbank des Taxis und strich sich eine schweißnasse Strähne aus dem Gesicht.

„Jetzt wünsche ich mir den antarktischen Sommer“, murmelte sie nur. „Oder eine frische Brise an der Nordsee. Kannst du dir das jetzt vorstellen, Mark?“

„Kann ich – aber ich tue es nicht.“

„Wieso?“

„Wäre doch Folter.“

Karels atmete tief durch und sagte schließlich nach einer kurzen Pause: „Ich hoffe, wir gewöhnen uns möglichst schnell an die Bedingungen hier.“

Fellmer und Karels trugen zivil. Sie mimten Touristen, die zu den Bauten von Angkor reisen wollten. Die Ruinen der alten Dschungelstädte aus der Blütezeit des Khmerreichs wurden von den Neuen Roten Khmer als Übergabeorte für Geld und Drogen genutzt. Die Durchführung war extrem einfach. Man heuerte Amerikaner oder Europäer an, für ein gutes Honorar ein Paket an einem bestimmten Punkt in dem Steinlabyrinth der vom Dschungel überwucherten Ruinen zu hinterlegen und ein anderes Paket dafür abzuholen und außer Landes zu bringen. Kambodscha war auf jeden Touristen-Dollar dringend angewiesen. Entsprechend wenig gründlich wurden die Kontrollen durchgeführt. Wenn dann noch bestimmte Grenzübergänge nach Thailand oder Laos benutzt wurden, an denen die Grenzer geschmiert waren, dann bestand so gut wie keinerlei Risiko – es sei denn, es bestand die Absicht, jemanden in die Falle gehen zu lassen.

Dann plötzlich bekam dieser Drogenkurier die volle Härte der Gesetze Asiens zu spüren und ihm drohte womöglich die Todesstrafe.

Die kambodschanische Regierung hatte den Einsatz der UNO gegen die Neuen Roten Khmer gefordert und hätte daher auch den Männern und Frauen der Spezial Force One jede nur denkbare Unterstützung gewährt.

General Elamini hatte aber in diesem Stadium des Unternehmens Khmer darauf verzichtet, da er annehmen musste, dass ein großer Teil der Sicherheitskräfte und Beamten leicht zu korrumpieren waren. Schon deshalb, weil sie große Familien zu ernähren hatten und dies von ihren offiziellen Gehältern kaum möglich war. Sie waren zur Annahme von Schmiergeldern quasi gezwungen. Die grassierende Korruption war wohl auch der Grund dafür, weshalb es den nationalen Sicherheitskräften der kambodschanischen Regierung nicht gelungen war, die Neuen Roten Khmer auch nur ansatzweise in Bedrängnis zu bringen.

Aber ein unbestechliches Kommandounternehmen von außerhalb hatte vielleicht eine Chance.

Erst in der Schlussphase der Operation war für die Armee des Landes eine Rolle vorgesehen...

Fellmer und Karels sollten sich nach Angkor aufmachen, sich dort umsehen und den Mittelsmännern der Neuen Roten Khmer folgen. Wenn es sich ergab, sollten sie sich als Drogen- und Geldkuriere anheuern lassen – natürlich in der Hoffnung, mehr über die Hintermänner dieser offenbar hoch effektiv arbeitenden Organisation zu erfahren.

Aber zuvor gab es für Dr. Ina Karels in Phnom Penh noch eine besondere Aufgabe.

Sie sollte eine Obduktion durchführen.

Der Leichnam des CIA-Agenten Roy McConnery, der bei den Ruinen von Angkor aufgefunden worden war, wurde mehr und mehr zu einem politischen Streitobjekt. Der kambodschanischen Regierung war bekannt, dass er für die CIA arbeitete, aber die amerikanische Regierung war nicht bereit dies zuzugeben, geschweige denn, die Erkenntnisse, die McConnery über die Neuen Roten Khmer gesammelt hatte, mit der Regierung in Phnom Penh zu teilen, da man den Sicherheitsapparat des Landes als nicht vertrauenswürdig einstufte. Das Drogenkartell, das man als Financier hinter der Guerilla vermutete, sollte nicht den taktischen Vorteil bekommen, zu wissen, wie viel in Washington über diese Khmer Connection bekannt war.

Aber die Mitglieder des ISFO-Teams unterstanden der UNO und galten daher als neutral.

Wenn man den Vereinten Nationen die Leiche untersuchen ließ, ohne dass die Amerikaner Informationen liefern mussten, konnten alle Beteiligten ihr Gesicht waren.

Vanderikke und der Rest des Teams würde sich von entgegen gesetzter Seite der im Hochland des Rantanakiri Plateaus vermuteten Kommandozentrale nähern. Sie mussten von Laos aus die Grenze überschreiten. Während der gesamten Operation sollten alle Mitglieder des Teams über eine geheime, codierte Satellitenverbindung in Kontakt bleiben und koordiniert vorgehen.

Die Divisionen der kambodschanischen Armee hatten es nicht geschafft, in das von den Neuen Roten Khmer besetzte Gebiet überhaupt nur einzudringen. Ein kleines Team, bei dem im Prinzip jedes Mitglied notfalls in der Lage war, den Auftrag allein auszuführen, hatte da vielleicht mehr Erfolg.

Karels und Fellmer hatten natürlich keinerlei Ausrüstung mitnehmen können, da sie ganz regulär als Touristen ins Land gereist waren.

Nicht einmal eine Pistole hätten sie im Gepäck mitführen können.

Aber für dieses Problem hatte Elaminis Plan eine Lösung parat.

Fellmer und Karels sollten in Phnom Penh einen CIA-Agenten treffen, der dafür sorgen würde, dass sie alles bekamen, was sie brauchten.

Wieder blieb das Taxi im Stau stehen. Es wurde vergeblich gehupt.

Rechts vom Boulevard Conféderation de la Russie befand sich ein Schienenstrang, dahinter das Ufer des mitten in Phnom Penh gelegenen Boeng Kar-Sees, an dessen Ostufer sich das ehemalige Franzosenviertel der Stadt befand. Hunderte kleiner Boote waren auf dem Boeng Kar zu sehen. Die Sicht war klar, sodass selbst die Leuchtreklamen des Boeng Kak Amusement Parks erkennbar waren, die den Blick auf die in einem prächtigen Kolonialbau untergebrachte französische Botschaft verstellten.

„Tut mir leid, aber um diese Zeit ist immer viel Verkehr in der Stadt“, entschuldigte sich der Taxifahrer, ein kleiner, zierlicher Mann mit blauschwarzen Haaren, dessen Gesichtszüge chinesische und malaiische Elemente miteinander vereinten. „Aber seien Sie froh, dass wir noch nicht Regenzeit haben“, fuhr der Kambodschaner in seinem akzentschweren Englisch fort.

„Wieso?“, fragte Fellmer ahnungslos.

„Weil in der Regenzeit viele Straßen unter Wasser stehen. Die Flüsse und Seen treten über ihre Ufer und wenn man kein Boot besitzt, ist man schlecht dran.“

„Verstehe.“

Endlich bewegte sich die Schlange unterschiedlichster Fahrzeuge fort.

Der Boulevard Confederation de la Russie stieß nun auf den Monivong Boulevard, die von Norden nach Süden verlaufende Hauptverkehrsader der Stadt.

Das Taxi fuhr geradeaus, auf den alten Markt zu. Aber das dortige Gewimmel aus fliegenden Händlern, Moped-Karren, Rikschas und halbverrosteten Autos mied er und bog links in eine Seitenstraße ein. Dann ging es nach rechts, wieder nach links und innerhalb von wenigen Augenblicken hatte Fellmer vollkommen die Orientierung verloren. „Diese Stadt ist wie ein Labyrinth“, meinte er und blickte aus dem Fenster. Auf engstem Raum waren hier kleine Werkstädten und Wohnungen zu finden. Die Familien lebten auf wenigen Quadratmetern zusammengedrängt.

Aber der Taxifahrer kannte sich aus. Mit traumwandlerischer Sicherheit fand er seinen Weg durch das Labyrinth der winzigen Straßen und Gassen. Schließlich erreichte er den breiten Sisowath Quai, der am Flussufer entlang führte. Etwa einen Kilometer weiter südlich teilte sich der Tonle Sab vom Mekong.

Die Flüsse und Seen Kambodschas waren traditionell die wichtigsten Verkehradern des Landes. Wichtiger noch als das Straßennetz, von dem in der Regenzeit immer ein beträchtlicher Teil nicht passierbar war. Unzählige Boote und Flussschiffe jeder möglichen Größe und Antriebsart waren auf dem fast fünfhundert Meter breiten Tonle Sab zu sehen, der in seinem weiteren Verlauf in einen gewaltigen See gleichen Namens mündete.

Der Mekong hingegen zweigte nach Norden in Richtung der laotischen Grenze ab.

Dorthin, wo das Land der Neuen Roten Khmer war.

Das Taxi hielt vor dem Hotel Wat Phnom. In unmittelbarer Nähe war unübersehbar das Wahrzeichen der Stadt. Wat Phnom Penh, eine Tempelanlage auf einem dreißig Meter hohen, mit Bäumen bewachsenen Hügel.

Eine Treppe führte hinauf, die von stilisierten Löwen aus Stein bewacht wurde.

„Ist nur ein kleiner Tempel“, sagte der Taxifahrer, als er Ina Karels’ Blick bemerkte. Die junge Niederländerin war offensichtlich beeindruckt. „Eine kleine Kopie von Angkor Wat – mehr nicht. Die Roten Khmer haben die Ruinen als Steinbruch verwendet. Vielleicht hat dieser Frevel an den Göttern ihnen den Untergang gebracht.“

„Soweit ich gehört habe, gibt es sie doch noch“, meinte Fellmer. „Da draußen im Dschungel.“

„Ja. Unverbesserliche und Mörder, an deren Händen so viel Blut klebt, dass niemand ihnen je wieder die Hand geben würde. Jedenfalls werden sie nie wieder die Macht übernehmen.“

„Sie haben es schon einmal geschafft“, gab Fellmer zu bedenken. Und in Gedanken setzte er noch hinzu: Damals war ihre Bewaffnung schlechter, während die Regierung, die sie bekämpften, massive Unterstützung durch die USA genoss.

„Das Volk hat die Machtergreifung der Roten Khmer begrüßt“, sagte der Taxifahrer. „In den Straßen von Phnom Penh herrschte Freude – bis die neuen Herren die gesamte Bevölkerung aus der Stadt trieben, damit die dekadenten Stadtmenschen auf den Reisfeldern dem Volk dienten. Die Roten Khmer haben damals ein Viertel ihres eigenen Volkes umgebracht. Weitere Millionen starben an Unterernährung. Das vergisst man nicht. In jeder Familie gibt es Opfer. Nein, diesmal würde es das Volk ihnen nicht gestatten, die Macht zu übernehmen.“

„Ich hoffe, Sie haben recht“, sagte Fellmer.

Karels bezahlte das Taxi. Wenig später stiegen sie aus. Sie hatten nur leichtes Gepäck bei sich.

Die beiden ISFO-Soldaten betraten die Hotelhalle und genossen die Kühle, die hier herrschte. Das Hotel war klimatisiert.

Nachdem sie eingecheckt hatten, sprach sie ein Mann mit buntem Hawaii-Hemd an.

„Sie sind Fellmer und Karels?“, fragte er.

„Ja“, bestätigte Fellmer.

„Ich bin Clive Berenger.“

Das war der Name der CIA-Manns, den sie in Phnom Penh treffen sollten. Dass er sie bereits im Foyer des Hotels abpasste, damit hatte Fellmer allerdings nicht gerechnet.

Berenger war ein breitschultriger Man mit Bauchansatz, Mitte fünfzig, grauhaarig und mit einem spöttischen Lächeln um die dünnen Lippen. Er hatte von seiner Zentrale den Auftrag, dafür zu sorgen, dass die beiden ISFO-Kämpfer ihre als diplomatisches Gepäck der US-Botschaft eingeschleuste Ausrüstung bekamen.

Das war alles.

Über die Mission an sich wusste er nichts, geschweige denn, dass er über irgendwelche Einzelheiten informiert gewesen wäre.

„Gehen wir in die Hotelbar auf einen Drink?“

Fellmer wechselte einen kurzen Blick mit Ina Karels und meinte dann: „Nichts dagegen. Meine Kehle ist staubtrocken.“

„Ich kann Ihnen nur eine Empfehlung geben, solange sie sich in diesem Land aufhalten: Trinken Sie genug. Sie schwitzen bei diesen klimatischen Verhältnissen literweise, da dehydriert man schnell.“

„Wir werden es uns merken“, meinte Karels und verdrehte die Augen, ohne dass Berenger davon etwas mitbekam.

Dessen besserwisserische Art gefiel ihr nicht.

Ihr wäre es am liebsten gewesen, der CIA-Mann wäre gleich zur Sache gekommen.

In der Bar bekamen sie alle drei Erfrischungs-Drinks. Berenger winkte sie an einen Tisch in der Ecke, wo sie ungestört reden konnten.

„Na, wie gefällt Ihnen diese alte Stadt?“, fragte er und trank das halbe Glas leer. Er wartete eine Antwort seiner Gesprächspartner gar nicht erst ab, sondern fuhr fort: „Wenn Sie mich fragen, dann ist das alte Phnom Penh 1975 gestorben, als man die Bevölkerung auf die Felder trieb. Vier Jahre war das hier eine Geisterstadt – und hätte dieser Zustand noch ein paar Jahre länger angedauert, wäre aus einer Millionenstadt eine Dschungelruine ähnlich der von Angkor geworden. Nur nicht so pittoresk!“ Er lachte, trank den Rest des Glases aus und stellte es geräuschvoll auf den Tisch. „Ist lange her... Ich gehörte zu den letzten amerikanischen Soldaten, die den Job hatten, die Botschaft zu evakuieren. Und weshalb Sind Sie beide hier?“

„Geheim“, sagte Karels.

„Hätte ich mir ja denken können.“ Er musterte zuerst Fellmer, dann Karels und meinte schließlich: „Ich weiß nur, dass Sie beide nicht für unsere Firma arbeiten. Wer hat Sie angeheuert?“ Er grinste Karels an. „Skandinavische Geheimdienste haben in Südostasien soweit ich weiß keinerlei Interessen.“

Ina strich sich das blonde Haar zurück.

„Kommen wir doch einfach zur Sache, Mister Berenger.“

Berenger griff in seine Hemdtasche und holte zwei Schlüssel hervor und schob sie über den Tisch.

„Die passen zu zwei Schließfächern hier im Hotel. Da ist alles drin.“ Er grinste. „Viel Glück - wobei auch immer!“

„Danke“, sagte Fellmer.

„Wir sollten auch einen Wagen bekommen“, mischte sich Ina ein.

„Steht bereit. Fragen Sie an der Rezeption. Es ist zwar nicht gerade ein Hummer – der würde zu sehr auffallen – aber geländegängig ist er. Außerdem führt der Weg nach Angkor über eine recht komfortable Straße, vorausgesetzt Sie nehmen die Nationalstraße 5 Richtung Bangkok und der kleine Umweg über Phumi Robal macht Ihnen nichts aus...“

Woher weiß er, dass wir nach Angkor wollen?, durchzuckte es Fellmer. War das einfach nur ein Schuss aus der Hüfte? Oder wusste dieser Mann mehr, als er zugab?

Berenger erhob sich, verabschiedete sich knapp und verließ den Raum.

„Mir gefällt der Typ nicht“, meinte Ina.

„Wieso?“

„Ich weiß nicht. Es ist einfach nur ein Bauchgefühl, dass mir sagt: Trau ihm besser nicht über den Weg.“

Fellmer zuckte die Achseln.

„Wahrscheinlich sehen wir ihn nie wieder“, war er überzeugt.


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