Читать книгу In die Mündung geschaut: Thriller Doppel - Alfred Bekker - Страница 18

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Knatternd flog der laotische Helikopter davon und verschwand schließlich hinter dem Horizont. Die Geräusche der Maschine wurden immer leiser und verloren sich schließlich im Konzert der Dschungelstimmen.

Pierre DeLarouac, der Spezialist für Computer und Kommunikation im Team der International Security Force One, führte mit Hilfe eines GPS-Navigationssystems eine exakte Positionsbestimmung durch und deutete Richtung Süden. „Etwa zwanzig Kilometer noch, dann müssten wir die kambodschanische Grenze überschreiten“, meinte er.

Vanderikke grinste.

„Danke, Lieutenant. Aber das hätte ich Ihnen auch ohne diesen technischen Firlefanz sagen können.“

„Mit Verlaub, mon colonel, was solche Dinge angeht, bin ich für Genauigkeit. Übrigens werden es diese paar Kilometer ganz schön in sich haben. Il y a quelques difficultés!“

Vanderikke runzelte die Stirn.

„Wovon sprechen Sie, DeLarouac? Vom Gelände?“

DeLarouac nickte.

„Wir haben nicht einfach nur Dschungel vor uns, sondern einen Dschungel kurz nach Ende der Regenzeit.“

„Und wo liegt der Unterschied?“, fragte Vanderikke leicht gereizt.

„Der Wasserstand ist hoch. Kleine Nebenflüsse sind unter Umständen breit wie ein Strom und nicht so einfach zu durchqueren. Der Boden dürfte mit Wasser voll gesogen sein, sodass nur wenig versickern kann. Ausgedehnte Schlamm- und Sumpfgebiete bilden sich, ehe die Trockenzeit schließlich dafür sorgt, dass sie wieder verschwinden.“

„Wir werden uns dem Zeitplan trotzdem einhalten müssen“, meinte Vanderikke.

Der Colonel ging voran. Die MP7 trug er über der Schulter, das geringe Marschgepäck auf dem Rücken.

Die ISFO-Kämpfer trugen nur das Nötigste an Kampfsausrüstung mit sich. Gerade in einer so feuchtheißen Umgebung wie sie in dieser Region vorzufinden war, musste man darauf achten, den Körper vor jeder unnötigen Belastung zu bewahren.

Die Männer und Frauen des Alpha-Teams trugen leichte Kampfanzüge, Splitterwesten, Schutzhelm sowie jeweils eine MP7 sowie eine automatische Pistole vom Typ SIG Sauer P226 zur Selbstverteidigung.

Der Vorrat an Nahrungskonzentraten, die jedes Teammitglied bei sich führte, war sehr begrenzt. Jedes Gramm Marschgepäck, das eingespart werden konnte, bedeutete einen Vorteil an Ausdauer und Kampfkraft.

Außerdem waren alle Teammitglieder im Verlauf ihres Dienstlebens mehrfach einem Survival-Training unterzogen worden, so dass sie im Notfall auch völlig auf sich gestellt und ohne Waffen oder technische Hilfsmittel in der Lage gewesen wären, zu überleben.

Lediglich Pierre DeLarouacs Marschgepäck war etwas umfangreicher als das seiner Kameraden, denn er trug sein Speziallaptop mit sich.

Die erste Zeit über gingen sie schweigend durch den dichter werdenden Urwald. Zahllose Vogelstimmen bildeten einen Klangteppich, der ebenso wie die sehr intensiven Gerüche die Sinne zu betäuben drohte.

Der Abstieg an morastigen Hängen war ausgesprochen anstrengend. Oft sanken die Mitglieder des ISFO-Teams bis zu den Knöcheln in den Schlamm ein. Der Boden war durch die monatelangen, wolkenbruchartigen Regengüsse extrem aufgeweicht.

Das Wasser konnte nur nicht mehr abfließen.

Das Klima der Region wurde durch den Monsun in zwei deutlich voneinander unterscheidbare Jahreszeiten geteilt. Eine Hälfte des Jahres fegten trockene Winde über das Land die zuvor die dürren Gebiete Westchinas und Tibets überquert hatten. Bei der Passage dieser gewaltigen Landmasse hatte sie nur wenig Feuchtigkeit hatten aufnehmen können. Das Gegenteil galt in der anderen Jahreshälfte, in der tropische Luftströme über den Golf von Thailand getrieben wurden, wo sie Unmengen von Feuchtigkeit absorbierten, die dann über den Dschungeln Südostasiens nieder regneten.

Kleinere Bäche flossen durch das dichte Unterholz dem Kông entgegen. Um diese Jahrszeit war so mancher dieser Wasserläufe zu einem reißenden Gewässer geworden, die nicht selten fünfzig oder hundert Meter breit anschwollen.

Es kostete viel Zeit, eine geeignete Stelle zur Überquerung zu finden.

Bis zum Hals sanken die Mitglieder des Teams dann mitunter in das schlammige Wasser und konnten gerade noch ihr Gewehr über die Oberfläche ragen lassen.

Die Nässe war allgegenwärtig. Die Kleidung trocknete schlecht. Auf ein Feuer mussten sie aus Sicherheitsgründen verzichten, denn die Neuen Roten Khmer hatten mit ihren Vorgängen gemeinsam, dass sie sich wenig um Landesgrenzen kümmerten. Die Regierung von Laos beklagte seit Monaten, dass es immer wieder zu Übergriffen auf ihr Hoheitsgebiet kam.

Man musste also zumindest mit Patrouillen der anderen Seite rechnen.

Am Abend erreichten Vanderikke und seine Gruppe endlich den Kông, der sich einige Kilometer südlich bei Stoeng Treng mit dem Mekong vereinigte.

Vor Einbruch der Dunkelheit schlugen sie ihr primitives Lager auf.

Mara Gomez lehnte mit dem Rücken gegen einen knorrigen Baumstamm und schloss für einige Augenblicke die Augen. Ein seltener Anblick bei der durchtrainierten Argentinierin, die normalerweise immer darauf bedacht war, keine schwäche erkennbar werden zu lassen.

Besonders mit Nahkampfspezialist Roberto Mancuso hatte sie sich in der Vergangenheit regelrechte Wettbewerbe geliefert.

Mancuso hatte darauf zumeist spöttisch reagiert oder einen seiner von vorn herein aussichtslosen Versuche gestartet, mit seinem Italocharme bei Marisa zu landen.

Als der Italiener die junge Argentinierin jetzt so dasitzen sah, konnte er einfach nicht widerstehen.

„Soll das etwa heißen, dass du müde bist, Mara? Und dabei hat unsere Mission praktisch gerade erst begonnen.“

Gomez’ Augen öffneten sich.

Sie blitzten ärgerlich.

„Untersteh dich!“, fauchte sie und merkte viel zu spät, dass sie Mancuso auf den Leim gegangen war. Der Italiener hatte nichts anders beabsichtigt, als Mara zu reizen und sie war darauf hereingefallen.

„Du siehst entzückend aus, wenn du dich aufregst. Ich mag Frauen mit Temperament.“

„Dann bin ich anscheinend die Ausnahme, Roberto.“

„Zu schade, Mara...“

„Tut mir leid, aber nach Schlammcatchen mit Schwächlingen ist mir nicht zumute!“

Gomez erhob sich und nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Wasserflasche.

Mancuso grinste nur.

„Schade eigentlich. Könnte ich mir als angenehme Abwechslung vorstellen.“

Gomez’ Blick wurde plötzlich starr.

Ein harter, entschlossener Zug trat in das fein geschnittene, hübsche Gesicht der jungen Frau. Sie riss mit der Rechten die MP7 hoch, die ihr an einem Riemen über der Schulter hing und vollführte eine schnelle Vorwärtsbewegung.

„Heh, so war das nicht gemeint!“, rief Mancuso, während die MP7 in Maras Hand bereits Blei spuckte. Eine Garbe von 12 Schüssen feuerte aus dem Lauf heraus, auf den ein Schalldämpfer aufgeschraubt war, sodass die Geräuschentwicklung erheblich gedämpft wurde. Im matten Dämmerlicht war das Mündungsfeuer deutlich zu sehen.

In der Vorwärtsbewegung versetzte Gomez Mancuso einen heftigen Stoß, sodass der Italiener im nächsten Moment im Schlamm lag.

Dort, wo Roberto gerade noch gestanden hatte, zischten Dutzende von Projektilen durch die Luft und schlugen in die Rinde der dahinter liegenden Bäume.

Gomez lag neben dem Italiener und feuerte weiter in Richtung des gegenüberliegenden Flussufers.

Die anderen hatten inzwischen ebenfalls bemerkt, was sich dort abspielte. An verschiedenen Stellen blitzte Mündungsfeuer im dichten Unterholz an dem flachen, morastigen Ufer des Kông auf.

Vanderikke rollte sich am Boden um die eigene Achse und feuerte im nächsten Moment ebenfalls in Richtung der unbekannten Angreifer von der anderen Flussseite.

DeLarouac schob sein Speziallaptop, mit dem er über eine Satellitenverbindung Zugang zu sämtlichen der International Security Force One und den Vereinten Nationen zugänglichen Informationssystemen hatte, zurück in den eigens dafür vorgesehenen stoßsicheren Behälter, der normalerweise in seinem Rucksack platz fand.

Miroslav Harabok kniete in seiner Nähe und gab ihm Feuerschutz, ehe schließlich beide Männer in Deckung sprangen.

Plötzlich war auf der anderen Seite zwischen den Bäumen eine ohrenbetäubende Detonation zu hören.

Anschließend ein heulender Laut.

„Granatwerfer!“, knurrte Vanderikke und riss das leer geschossene Magazin seiner MP7 aus der Waffe heraus und ersetzte es gegen ein Neues.

Eine weitere Granate schoss von der anderen Seite herüber. Sie erreichte Überschallgeschwindigkeit, deswegen war das Geräusch ihres Einschlags vor dem Abschuss zu hören.

Eine Reihe weiterer Granatschüsse pfiff über die ISFO-Kämpfer hinweg, schlug zwischen ihnen ein oder zerfetzte Baumstämme. Fontänen aus Schlamm und Geröll wurden empor geschleudert.

„Nichts wie weg hier!“, rief Vanderikke heiser.

Seine Stimme ging im dröhnen des Gefechtslärms unter. In immer dichterer Folge kamen die Einschläge.

Die ISFO-Kämpfer robbten durch den Schlamm davon, versuchten ein Stück am Flussufer entlang zu kommen, um dann den Hang hinauf zu kriechen und hinter der Böschung Deckung zu finden. Das dichte Grün des Dschungels bot zumindest etwas Sichtschutz. Aber die andere Seite schien einfach nach der Devise vorzugehen, dass schon etwas getroffen wurde, wenn man nur genug Munition in möglichst kurzer Zeit verbrauchte.

Für Vanderikke und seine Leute ging es jetzt um Leben und Tod. So schnell sie konnten robbten sie weiter, während rechts und links die Einschläge immer neue Dreckfontänen verursachten. Krater von ein bis zwei Metern Durchmesser wurden in das Erdreich hineingerissen.

Harabok war der erste, der den Kamm der Böschung erreichte. Die anderen folgten.

Nacheinander erreichten sie die sichere Deckung.

Aber für eine lange Verschnaufpause blieb keine Zeit.

Der Beschuss von der anderen Seite des Kông hielt noch eine Weile. Der Lärm war ohrenbetäubend.

Mancuso drängte es, das Feuer zu erwidern, aber Vanderikke hielt ihn zurück.

Es hatte keinen Sinn, Munition zu verschwenden. Fehlende Vorräte konnte man durch den Verzehr von Regenwürmern und Heuschrecken ausgleichen – Munition war unter den Bedingungen dieses Einsatzes jedoch nicht ersetzbar.

Die Soldaten nutzten die Gelegenheit um die Waffen nachzuladen.

Der Beschuss des Gegners verebbte.

Augenblicke lang herrschte eine fast unheimliche Stille. Auch die Fauna des Dschungels war verstummt und erwachte erst im Laufe von mehreren Minuten wieder zum Leben.

„Scheint fast so, als hätten die uns erwartet“, meinte Gomez ärgerlich.

„Und um ein Haar hätten Sie uns sogar erwischt“, stellte Mancuso fest. Er wandte sich Gomez zu. „Danke für die Runde Schlammcatchen“, sagte er. „Du hast mir das Leben gerettet.“

„Siehst du, so bin ich zu dir!“

„Wir sollten hier schleunigst weg“, riss Vanderikke die Initiative an sich. Er deutete in Richtung der Gegner. „Ich schätze, die werden bald den Fluss überqueren.“

DeLarouac widersprach.

„Zweifellos werden sie den Fluss überqueren – aber auf keinen Fall hier!“

Der Kommunikationsspezialist hatte sein Laptop hervorgeholt. Auf dem LCD-Schirm war ein Kartenausschnitt zu sehen, der den Verlauf des Kông im laotisch-kambodschanischen Grenzgebiet zeigte. Das besondere an der Karte war, dass sie mit einem aktuellen Satellitenbild überblendet worden war. Ein spezielles Programm berechnete die aktuellen Flusstiefen. „Der Wasserstand ist viel zu tief“, stellte DeLarouac fest.

„Wie aktuell sind Ihre Informationen?“, frage Vanderikke.

Schließlich sank der Wasserstand in der beginnenden Trockenzeit ständig.

„Vor sechs Stunden wurde das Satellitenbild geschossen, Sir.“

Vanderikke kratzte sich am Kinn. Dann robbte er zu DeLarouac hinüber und warf selbst einen Blick auf den Schirm. „Zeugen Sie mir die Stellen im Flusslauf, die derzeit für eine Überquerung geeignet sind.“

„Kein Problem.“

Ein Tastendruck und mehrere Markierungen zeigten die Positionen an, an denen eine Überquerung des Kông derzeit möglich war.

„Okay“, murmelte Vanderikke. „Dann werden wir versuchen, ihnen so gut es geht aus dem Weg zu gehen.“

DeLarouac deutete auf den Schirm. „Das alles wird nur unter der Voraussetzung nützen, dass der Gegner weder über Boote verfügt, noch es schafft, mit anderen Hilfsmitteln über das Wasser zu kommen.“

„Um eine Seilbrücke auf diese große Distanz spannen zu können, ist das Gefälle zu gering. Und dass sie hier irgendwo Boote haben, glaube ich nicht. Hier, auf dieser Seite der Grenze, sind sie schließlich nicht zu Hause.“

Der Colonel fasste seine MP7 mit beiden Händen.

Sein Gesichtsausdruck wirkte entschlossen.

„Auf geht’s“, befahl er.


In die Mündung geschaut: Thriller Doppel

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