Читать книгу Genesis I - Alfred Broi - Страница 7

1

Оглавление

„Was ist das?“ fragte Mavis, während er fasziniert auf den Bildschirm schaute. Sein muskulöser, 1,92 Meter großer Körper mit dem Stoppelhaarschnitt, den stechenden blauen Augen und den markanten Gesichtszügen wirkte seltsam deplatziert vor dem kleinen Computerdisplay. Die Uniform aus makellosem feinen Tuch und sauberstem Weiß, die seinen drahtigen Körper wie eine perfekte Hülle umgab, tat ihr übriges.

An seiner Brust prangten mehrere Orden, die er sich in einigen – wie er fand – eher harmlosen Zwischenfällen während des Guerillakrieges in den mandorischen Sandwüsten im Südosten durch Rettungseinsätze verdient hatte.

Und genau das war seine Welt: Das Militär, zu dem er gleich nach Abschluss der zentralen Lehren überwechselte und innerhalb kürzester Zeit seine große Ausbildung absolvierte, die ihn zu einem der besten Absolventen der Militärakademie seit Bestehen machte.

Ja, er hatte schon von Klein auf immer gewusst, dass er zum Militär gehen würde, selbst als er im Jünglingsalter noch die elementaren Lehren büffeln musste.

Die anschließende Lehre der zentralen Wissenschaften stellte ihn auf eine harte Geduldsprobe, dauerte ihm das alles doch viel zu lang und beinhalteten sie doch Dinge, die er gar nicht wissen wollte.

Dennoch war er stets ein gelehriger Schüler, denn er wusste nur zu genau, dass ihm nur ein guter Abschluss den Sprung auf die Militärakademie ermöglichen würde.

Als dies erst einmal geschafft war, konnte ihn in Kos Kampalot, dem legendären Ausbildungszentrum der poremischen Truppen kaum jemand aufhalten.

Er absolvierte alle Stufen seiner Ausbildung, die Panifa, mit Auszeichnung und nach nur vier Planetenzyklen sollte er einer der wenigen Poremier sein, der den 7. und damit höchsten Panifa verliehen bekam.

Das war jetzt vier Zyklen her und in dieser Zeit hatte man ihn bereits vom 2. Nori, dem Befehlshaber der hinteren Boden-Eingreiftruppen zum Noni, dem Oberbefehlshaber aller Bodeneingreiftruppen gemacht.

So war er mit seinen 30 Planetenzyklen Anführer von über hunderttausend Kriegern und Kämpfern und gehörte schon jetzt zum inneren Kreis der Pandemi, dem exekutiven Gremium seines Volkes, zu dem neben den Befehlshabern der anderen Truppengattungen und einer Vielzahl von Politikern natürlich auch der Nuri, der Oberbefehlshaber aller Truppenverbände, und der Baslami, das gewählte Oberhaupt seines Volkes gehörte.

Und hier hatte er zum ersten Mal seit er denken konnte, einen Dämpfer in seiner Leidenschaft als Vollblut-Krieger bekommen, als er verwirrt erkennen musste, dass in diesem obersten aller Entscheidungsgremien, in der die Zukunft eines ganzen Volkes bestimmt wurde, Intrigen, Machtwahn und Arschkriecherei an der Tagesordnung waren und seine Ablehnung hiergegen ihn zu einem Außenseiter machten.

Doch Mavis vertraute darauf, dass bei der Wahl zum nächsten Nuri, der er sich zu stellen beabsichtigte, ausschließlich militärische Führungsqualitäten bewertet werden würden und zumindest er sich gegen seine Widersacher Cassifu und dem äußerst ekligen und schleimigen Pantos würde durchsetzen können, um mit der Macht des Nuri die Geschicke innerhalb der Pandemi und letztlich auch seines gesamten Volkes in ehrliche, gradlinige und aufrechte Bahnen leiten konnte.

Dieser Gedanke ließ ihn kaum noch los und führte eine Veränderung seines Wesens herbei. War er stets mit Freude an der Arbeit und konnte seine Untergebenen mit Herz und Leidenschaft für ihre Aufgabe begeistern, so entwickelte er sich fortan zu einem zunehmend harten, wenn auch weiterhin gerechten Noni, der seine Truppen verbissen führte.

Mavis erkannte diese Veränderung selbst auch an sich, doch war ihm das Wohl seines Volkes viel wichtiger, als seine eigene Existenz. In seiner Familie wollte er niemanden mit seinen Gedanken belasten und auch von seinen Freunden gab es keinen, dem er dieses Geheimnis anvertrauen wollte.

Er behielt es für sich und verlor so immer mehr den Anschluss an die Menschen, die er liebte oder die ihm etwas bedeuteten.

Die Nachricht, dass sein Freund Vilo das Band der gemeinsamen Existenz mit seiner großen Liebe Kaleena knüpfen wollte, kam ihm da gerade recht und er beschloss, seine Abgeschiedenheit und seine Distanz gegenüber seinen Freunden zu beenden und durch diesen Anlass wieder den früheren Kontakt mit ihnen zu pflegen.

Aus diesem Grunde hatte er sich mit Shamos in Verbindung gesetzt, einem Freund seit den Zeiten der zentralen Lehren, um mit ihm zu vereinbaren, dass sie gemeinsam zu der Zeremonienfeier fahren könnten.

Shamos war das ganze Gegenteil von Mavis. Sechzehn Zentimeter kleiner und mindestens zehn Kilo schwerer als sein Freund, war es neben einem zerzausten Lockenkopf und schmuddeliger Kleidung in den unmöglichsten Farben, nicht nur das äußerliche Erscheinungsbild, das die beiden eigentlich meilenweit voneinander trennte.

Shamos war ein klarer Gegner jeglicher Art von Waffengewalt und somit ein Verfechter von friedlichen Verhandlungen zur Konfliktlösung.

Er selbst aber hatte für sich nicht den Weg in die Politik gewählt, sondern seine eigene Leidenschaft für die Wissenschaft zu seiner großen Ausbildung gemacht.

Und es war genau dieser Umstand, weshalb Mavis immer an der Freundschaft zu Shamos festgehalten hatte.

Mavis war sich natürlich der Tatsache bewusst, dass nicht jeder mit einer Waffe in der Hand herumrennen konnte. Er respektierte ohnehin jede andere Art von Ausbildung. Nur eines war ihm wichtig: Das jeder für sich so viel für das Wohl und die Zukunft seines eigenen Volkes tun sollte, wie ihm möglich war.

Und das war bei Shamos absolut der Fall. Mochte sein Freund auch das offensichtliche Gegenteil seiner eigenen Existenz sein, so war sich Mavis immer absolut sicher, dass Shamos all sein Wissen und all sein Können stets in den Dienst ihres Volkes stellte, so wie er selbst es tat.

Mavis hatte den höchsten Respekt vor Shamos, obwohl er sich dies nie anmerken ließ, er war stolz darauf, sein Freund zu sein und ganz nebenbei bewunderte Mavis ihn sogar ein wenig, denn seine Kenntnisse über die Wissenschaften ihrer Welt machten Shamos in seinen Auge zum verdammt besten Wissenschaftler, den er je gesehen hatte.

Shamos seinerseits war immer etwas schüchtern und zurückhaltend, was Mavis anging.

Das amüsierte Mavis regelmäßig, denn alle Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen hatten bis heute kläglich versagt.

So genoss Mavis die Unsicherheit seines Freundes sogar ein wenig, wirkte Shamos doch gerade so, als schämte er sich an seiner Seite, als wäre er nicht gut genug für Mavis.

Doch das stimme nicht, hatte es nie und würde es niemals, denn auch wenn diese Vorstellung völlig absurd war, so wäre es Mavis eine große Ehre gewesen, Seite an Seite mit Shamos zu kämpfen – und zu sterben...

¤

„Nach was sieht es denn aus?“ gab Shamos die Frage an Mavis zurück.

Während er schon seit einigen Minuten vergeblich versuchte, sich eine Krawatte zu binden, wurde er zusehends nervöser, denn als Mavis vor gut zehn Minuten vor der Tür stand, war ihm schlagartig bewusst geworden, dass er doch glatt die Zeit vergessen hatte und nicht rechtzeitig fertig war.

In Windeseile zog er seine Arbeitsklamotten aus und schlüpfte in den besten – und einzigen – Anzug, den er hatte.

Mavis bot er etwas zu trinken an, was sein Freund jedoch ablehnte und damit ihm nicht langweilig wurde, zeigte Shamos ihm den Bildschirm und das, was darauf zu sehen war.

Es war der Grund dafür, dass Shamos die Zeit vergessen hatte, denn es war in der Tat etwas Außergewöhnliches und zugleich Merkwürdiges, was er dort gestern Abend mit seinem Teleskop, mit dem er regelmäßig den Himmel absuchte, aufgedeckt hatte.

Seither versuchte er es zu analysieren und zu verstehen, aber das war ihm bis jetzt noch nicht gelungen.

Dass er es Mavis gezeigt hatte, diente nur der Ablenkung von seiner dummen Nachlässigkeit, doch als er aus dem Badezimmer wieder in sein Arbeitszimmer trat und erkannte, dass sein Freund noch immer interessiert auf den Bildschirm schaute, war er sichtlich erfreut.

Es gab nicht viele Momente, in denen er Mavis Aufmerksamkeit hatte und diese Momente hatten regelmäßig mit der Wissenschaft zu tun.

Shamos hatte nicht unbedingt eine wirkliche Ahnung davon, weshalb Mavis stets darauf bedacht war, die Freundschaft mit ihm zu pflegen, denn er hielt sich selbst für keine gute Gesellschaft für einen derart imposanten Mann wie ihn.

Doch Mavis wollte davon nie etwas hören, ganz im Gegenteil, und so akzeptierte Shamos es als eine der wenigen Tatsachen, die er nicht verstand.

Umso glücklicher war Shamos dann, wenn er Mavis durch seine Kenntnisse der Wissenschaften beeindrucken konnte - so wie gerade jetzt.

Und wenn er sah, wie sehr sich Mavis für seine Arbeit interessierte, erfüllte es ihn jedes Mal mit Stolz, einen so aufrechten, ehrlichen und geradlinigen Mann zum Freund zu haben.

„Ich weiß nicht...?“ Mavis wusste, dass das, was er sah, ein Bild dessen war, was das Hochleistungs-Teleskop, das Shamos sich von seinem ersten selbstverdienten Geld gekauft hatte und das auf dem Dach seines kleinen Hauses installiert war, gerade aufnahm.

Neben dem üblichen Schwarz des Weltalls und dem obligatorischen Funkeln von Milliarden von Sternen hatte Mavis zunächst nichts anderes erkennen können.

Doch wusste er, dass da etwas sein musste, sondern hätte Shamos ihn nicht darauf aufmerksam gemacht.

Und als er sich einige Momente still davor gesetzt hatte und das Bild auf sich wirken ließ, erkannte er tatsächlich Bewegung auf dem Bildschirm.

Es war eine Art Schimmern, ganz schwach nur und undeutlich, reflektiert von dem Licht der umstehenden Sterne. Und es bewegte sich, langsam, aber eindeutig, ein schmales, beinahe durchsichtiges Band. Es trat nahe der oberen rechten Ecke auf den Bildschirm hinaus und hatte etwa zwei Drittel in einer leicht geschwungenen Linie zur linken Hälfte der Bildschirmunterkante durchquert.

Der Bildschirm war ein 25-Zoll-Gerät und dieses seltsame Etwas bewegte sich kaum wahrnehmbar mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Zentimeter pro Minute über das Display.

Mavis war fasziniert und irritiert zugleich von diesem Phänomen und hatte ganz sicher nicht die geringste Ahnung, um was es sich dabei handeln könnte.

„...sieht aus wie eine Plasma-Schlange...!“ Er drehte sich zu Shamos um und bemerkte ein Lächeln auf dessem Gesicht. „Oder so...!“ fügte er entschuldigend hinzu.

Shamos lächelte noch breiter.

„Hör verdammt damit auf, mich so anzugrinsen, Shamos!“ raunte Mavis sofort. „Ich weiß, dass ich keine Ahnung von diesen Dingen habe...! Und du weißt das auch!“

Shamos hob noch immer lächelnd den linken Arm. „Hör auf Mavis. Ich muss nur lächeln, weil ich genau dasselbe sagte, als ich es entdeckt habe!“

Mavis schaute Shamos ausdruckslos ins Gesicht, dann blickte er zurück zum Bildschirm. „Das ist aber mal eine fundierte wissenschaftliche Analyse. Die versteh ja sogar ich!“

„Aber, Mavis...!“ Shamos versuchte gerade wieder, seine Krawatte zu binden, was ihm erneut nicht gelang. „Ach verdammt!“ stieß er gestresst hervor und ließ seine Arme entnervt herabfallen.

Mavis drehte sich wieder zu ihm. „Hör auf mich zu verarschen Shamos!“ sagte er, scheinbar ohne auf Shamos Problem mit der Krawatte einzugehen, während er wie selbstverständlich die Arme anhob, je ein Ende der Krawatte packte und begann, sie seinem Freund vernünftig zu binden. Dabei schaute er ihm geradewegs in die Augen. „Mein super genialer Godfather of Brain wird doch wohl noch ein bisschen mehr zu bieten haben!?“

Shamos versteifte sich augenblicklich, während Mavis ihm etwas rüde die Krawatte band. Dabei hob er das Kinn an und versuchte trotzdem gleichzeitig Mavis Blick zu erwidern. „Ich habe es analysiert, aber mehr als eine auffallend hohe Konzentration an Lithium konnte ich bisher noch nicht herausfiltern. Der Rest ist mir noch nicht bekannt. Eine Art Plasma ja, aber ich weiß nicht, welcher Art...!“

Mavis hatte ihm den Krawattenknoten gebunden und verharrte in seiner Bewegung. „Was soll das heißen?“

„Das heißt, dass mir etwas wie das da noch nicht untergekommen ist!“ Shamos senkte seinen Kopf und konnte Mavis jetzt direkt anschauen.

„Aber das kann doch gar nicht sein, dass es etwas gibt, das du nicht verstehen kannst!“

Shamos lächelte wieder. „Offensichtlich doch, Mavis. Denn ich weiß nicht nur nicht, aus was es besteht, ich habe nicht die geringste Ahnung, was es vorantreibt!“

„Dann...!“ Mavis rückte Shamos den Hemdkragen zurecht und zog ihm den Krawattenknoten ruckartig zum Hals, sodass Shamos ihn überrascht anstarrte. „...finde es heraus!“

„Jetzt?“ Samos war total entsetzt.

„Nein, natürlich nicht jetzt!“ Mavis schaute auf den Bildschirm. „So langsam wie das Ding ist, wird es wohl noch bis nach der Feier Zeit haben, oder?“

Shamos lachte kurz auf. „Sicher, Mavis, das hat es. Aber ganz so langsam, wie es hier ausschaut, ist es nicht. Was anmutet, wie der Triebwerksschweif eines Flugzeugs bewegt sich in Wirklichkeit annähernd mit Lichtgeschwindigkeit!“

„Teufel auch!“ stieß Mavis hervor. „Danach sieht es wirklich nicht aus!“

„Das Weltall ist so unendlich, das sich fast alles langsam in ihm bewegt!“ belehrte ihn Shamos.

Mavis schaute ihn wieder an. „Wie weit...? Ich meine, wie weit ist das noch weg von uns?“

Shamos blies die Wangen auf und prustete die Luft heraus. „Ich schätze mal ein Lichtjahr, mehr oder weniger...!“

„Und?“ Mavis deutete mit der rechten Hand auf den Bildschirm auf das vordere Ende der Plasma-Schlange, die sich jetzt deutlich in Richtung Bildschirmunterkante bewegte. „Ich meine, dass sieht so aus, als würde sie auf uns zukommen!“

„Stimmt!“ sagte Shamos kurz. Im selben Moment warf Mavis seinen Kopf herum und starrte Shamos ernst und mit großen Augen an. Shamos verstummte leicht geschockt und brauchte einen Moment, um seine Sprache wiederzufinden. „Aber es wechselt ständig die Richtung. Siehst du?“ Er deutete jetzt ebenfalls auf das Display und auf die leichte Kurvenbewegung, die der Plasmastrom auf seinem Weg über den Bildschirm vollführt hatte und jetzt wie auf Kommando erneut nach links abknickte.

„Dann...?“ Mavis drehte sich zurück zum Bildschirm, schaute einen Moment gebannt hinauf und blickte Shamos wieder direkt ins Gesicht. „...besteht keine Gefahr für uns?“

Shamos konnte seinem Blick nur eine Sekunde standhalten, dann musste er laut auflachen. Während er den Kopf schüttelte, streifte er sein Jackett über, nahm Mavis Mütze vom Tisch neben dem Bildschirm und reichte sie ihm. „Nein, Mavis, tut mir leid!“ Mavis setzte sich seine Mütze auf, Shamos nahm ihn am Arm und während er ihn aus dem Haus führte, schaute er nochmals zurück auf den Bildschirm. „Dieses Ding ist ganz sicher keine Bedrohung für uns!“

Genesis I

Подняться наверх