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- KAPITEL 6 -
ОглавлениеIn London herrschte der Ausnahmezustand. Nach dem zweiten Weltkrieg sah die Stadt sicherlich nicht anders aus. Über der gesamten Stadt hallten die Sirenen. Lichter der Einsatzfahrzeuge warfen in schneller Reihenfolge wechselnd blaue Reflexe an den Fensterscheiben, als würde ganz London zur selben Zeit dasselbe Fernsehprogramm ein- und ausschalten. Konvois von Rettungswagen rasten in hoher Geschwindigkeit in Richtung ITMC. Fast alle Telefonleitungen wurden per Computer ausgeschaltet, und diejenigen, die davon unberührt blieben, standen nur den Behörden, Ministerien und Organisationen, die mit der Betreuung der Verletzten zu tun hatten. Durch diese Maßnahme wollte man sichergehen, dass ausreichend Telefonleitungen für den Austausch von wichtigen Informationen zur Verfügung standen. Der Premierminister appellierte über Radio und Fernsehen an die Bevölkerung, das Gebiet von ITMC großräumig zu vermeiden und auch zu evakuieren.
Die Londoner Polizei mobilisierte jeden und alles, was im Falle einer Katastrophe abrufbereit sein könnte. Katastrophenhelfer, Polizisten, Offiziere, Feuerwehrmänner brüllten in ihre Walkie Talkies hinein und gaben Anweisungen an ihre Männer.
Mit Hilfe der Feuerwehr und des Heeres wurde das gesamte Gebiet mit dicken, gelb-rot gestreiften Bändern großräumig und rechtzeitig abgesperrt, bevor die Medien mit ihren Übertragungswagen das Katastrophengebiet einengten und vielleicht sogar die Rettungsaktionen behinderten.
Ranghöhere Offiziere, die sich gerade im Urlaub befanden oder ihren freien Tag hatten, wurden alarmiert und sofort zurückbeordert.
Ärzte und Sanitäter nicht nur aus London, sondern auch aus anderen Städten versorgten in provisorisch eingerichteten Zelten unermüdlich die Verletzten. Manche von ihnen mussten mit Rettungswagen oder per Hubschrauber in Krankenhäuser transportiert werden.
Ob Polizisten, Feuerwehrmänner, das Militär oder das medizinische Personal, alle handelten nicht nur souverän und überlegt, sondern auch schnell. Denn sie wussten, dass sie gegen die Zeit kämpfen mussten, als wäre sie ihr größter Rivale geworden. Jede Minute, jede Sekunde zählte! Nur kurze Momente oder Augenblicke entschieden, ob aus einem Verletzten ein Leichnam oder ein lebendiger Mensch wurde.
Das provisorisch eingerichtete Lazarett in größeren Zelten war zwar für die Behandlung der Leichtverletzten vorgesehen, jedoch waren die Ärzte gezwungen, dort unter den schwierigsten Bedingungen manche Notoperationen durchzuführen. Sie mussten improvisieren und schnell entscheiden, welcher der Verletzten gleich im Zelt operiert und welcher mit einem Hubschrauber oder Rettungswagen in ein Krankenhaus transportiert werden musste.
Hilfspersonal suchte mit Hunden nach Verschütteten, deren Überlebenschance von Minute zu Minute geringer wurde. Die Baggerfahrer schaufelten im Trümmerhaufen vorsichtig, damit sie keinen der Verletzten zusätzlich gefährdeten, als würden sie in einem Heuhaufen nach einer Nadel suchen.
Es ähnelte einer Sisyphusarbeit.
Vertreter der Medien aus aller Welt zogen in Windeseile in das Gebiet und berichteten ununterbrochen über den Vorfall. Jeder Reporter hielt ein voluminöses Mikrofon in der Hand und brüllte aufgeregt hinein. Die begleitenden Kameras schwenkten zwischen dem Reporter und dem immer noch aufsteigenden Flammen.
Fahrzeuge mit riesigen Antennen beanspruchten alle Plätze unmittelbar an der Polizeiabsperrung. Manche Reporter waren sogar so dreist und kletterten mit ihren Kamerateams unter die Absperrung und behinderten die Hilfsaktionen. In diesen Fällen griff die Polizei ein und musste teilweise sogar härter vorgehen.
Weltweit liefen in allen Fernsehkanälen Berichte und Bilder über dieses abscheuliche Ereignis, welches London heimgesucht hatte. Ständig wurden irgendwelche Politiker, Vertreter der Staatsanwaltschaft, Polizei, Feuerwehr und Bombenexperten interviewt.
Alle Experten bzw. Gremien waren sich über die Hintergrundmänner einig, als hätten sie sich vorher abgesprochen.
Die Unterschrift dieses feigen Aktes könnte nur einer einzigen Hand entstammen. Nämlich:
„AL - QAIDA“
Ein Krisenstab aus Vertretern der amerikanischen, englischen und deutschen Regierungen traf sich bereits am Nachmittag des 21. Mai in London. Teilnehmer dieses Krisenstabes beriet nicht nur über die Hintergründe dieses Anschlages, sondern auch über die Möglichkeit weiterer Anschläge, die in den nächsten Stunden in anderen Städten Englands oder Europas zu erwarten waren.
Ein ebenso wichtiger Punkt stellte das weitere Vorgehen dieser Staatengemeinschaft gegen Al-Qaida. Man benötigte dringend einen schlagkräftigen Plan. Ein Plan, mit dem man die Opfer von London rächen konnte.
Die gesamte Einsatztruppe benötigte über vier Wochen, um das Katastrophengebiet einigermaßen zu räumen. Unter jedem Stein, Betonbrocken oder Metallplatte barg man eine verstümmelte Leiche, eine lose Hand, ein Bein oder einen bis zur Unkenntlichkeit zerstörten oder verkohlten Kopf.
Von Stunde zu Stunde, Tag zu Tag verlor man die Hoffnung, einen überlebenden zu treffen.
Ein eigenartiger, säuerlicher Verwesungsgeruch breitete sich aus und wurde zunehmend intensiver. Er reizte die Nasen- und Mundschleimhaut. Die Helfer mussten Schutzmasken tragen. Manche von ihnen, die mit dem Auftritt einer solchen Katastrophe niemals gerechnet hatten, litten nach ihrem Dienst unter Schlaflosigkeit, Albträumen, Apathie, Appetitverlust, Angst und Tremor. Die Mediziner nannten es das London-Syndrom.
Die Seuchengefahr stieg an.
Für die Historiker war dieser Anschlag nichts Anderes als der dritte Weltkrieg, den England bereits im Vorfeld erleben musste.
Die erste, inoffizielle Bilanz dieses barbarischen Aktes war verheerend. Über 3500 Tote und doppelt soviel Verletzte; die meisten davon schwer und in Lebensgefahr schwebend.
Nach den ersten Schätzungen belief sich alleine der Sachschaden auf etwa 8,7 Milliarden US-Dollar.
Der britische Geheimdienst MI5, der amerikanische CIA und der deutsche BND beschlossen in einer Eilsitzung, Hand in Hand und viel intensiver als bisher zusammenzuarbeiten. Frauen und Männer aus den Geheimdiensten mit einschlägigen Erfahrungen wurden rekrutiert. Unter Leitung eines amerikanischen Experten wurde ein völlig neues Untersuchungsteam gebildet, der unter dem Namen „American European Investigation for Terror“ operierte.
Das Team arbeitete hart und versuchte aus dem Unmöglichen das Mögliche zu machen. Es dauerte nicht einmal eine Woche, bis „American European Investigation for Terror“ (AEIT) diesen Fall mit einer an neunzig Prozent grenzenden Sicherheit und somit fast vollständig aufklärte.
Die AEIT veröffentlichte im Internet das Ergebnis ihrer Untersuchungen. Dieses wurde in den Nachrichten der privaten und staatlichen Sender in einer kurzen Zusammenfassung bekannt gegeben.
Die Tageszeitungen gaben den gesamten Text, der von dem Journalisten selbst in etwas veränderter Form an den Leser weitergegeben wurde. Durch diese Änderung wollte der zuständige Journalist seinem Bericht einen persönlichen Touch verleihen, damit der Leser nicht den Eindruck bekam, er hätte alles Wort für Wort vom Internet heruntergeladen.
Die größte englische Zeitung zum Beispiel formulierte ihre Nachricht folgendermaßen:
„Der ursprünglich aus dem Gazastreifen stammende Libanese Hassan Noureddin Al-Karami war bis vor kurzem an der Universität von London als Student der Betriebswirtschaft immatrikuliert.
Aufgrund seiner politischen Aktivitäten, vor allem in den Al-Qaida-Kreisen befand er sich bereits seit Jahren im Visier der MI5 und Scottland Yard.
Über seine Kindheit und Jugend existieren keine genaueren Daten, sodass es sich bei den meisten Informationen, die diese Zeiten betreffen, nur um wahrscheinliche Annahmen bzw. Vermutungen handelt.
Zwei Sachen sind allerdings sicher und wurden von allen Regierungskreisen übereinstimmend bestätigt:
1 Dass Al-Karami in Syrien eine intensive Kommandoausbildung in diversen Kampftechniken und Schusswaffengebrauch erhielt, und
2 Im Iran über Führung von Flugzeugen verschiedener Modelle professionell geschult wurde.
Hassan Noureddin Al-Karami lernte während seiner Kommandoausbildung in Syrien den Ägypter Nasri Djalabi kennen, der ebenfalls Mitglied der Al-Qaida ist.
Nasri Djalabi studiert so wie sein Komplize an der Londoner Universität Politikwissenschaften. Er war ein Waisenkind und wuchs in den ärmlichsten Verhältnissen auf. Durch die finanzielle Unterstützung eines entfernten Verwandten, der sicherlich zu der höheren Liga Al-Qaidas gehört, gelang es ihm, als Student nach London zu kommen und sich an der Universität einschreiben zu lassen.
Der islamistisch orientierte Djalabi lernte während eines Freitagsgebetes in einer unscheinbaren Moschee in London den millionenschweren Mahmoud Maghsum Al-Charufi kennen, der ursprünglich aus der königlichen Familie Saudi-Arabiens stammt und ein internationales Ansehen genießt.
Dank seiner Familie und seiner finanziellen Situation verkehrt Al-Charufi nur in den obersten Kreisen. Ob Paris, London, Berlin, Moskau, New York oder Washington ist Mahmoud Maghsum Al-Charufi überall zuhause.
Al-Charufi handelt hauptsächlich mit Diamanten, aber auch mit Öl und Waffen. Er ist der Cousin des saudischen Prinzen und hat gute Verbindungen zu vielen Politikern in Amerika und Europa.
Während der Predigt nach dem Freitagsgebet fand er den Ägypter Nasri Djalabi sympathisch und war von seinen Ideen über die Zukunft Palästina und der künftigen Rolle des Islams in der Welt sehr angetan, sodass er ihn nicht nur regelmäßig traf, sondern auch sein Studium finanzierte.
Nasri Djalabi machte im März 2000 Al-Charufi mit dem Palästinenser Hassan Noureddin Al-Karami bekannt.
Es kam zu regelmäßigen Treffen zwischen Al-Charufi und Al-Karami, meistens in der Moschee, wodurch weder von MI5 noch von anderen Stellen irgendwelche Verdachtsmomente hinsichtlich terroristischer Aktivitäten geäußert wurden.
Während dieser Treffen handelte es sich nur um das Thema „Unterdrückung des Islams und der palästinensischen Bevölkerung durch Israel, Amerika und Europa“, sodass die Aggressionsgefühle Al-Karamis gegen diese Länder ein Maximum erreichte.
Am 20. Mai 2001 war es endlich so weit. Al-Charufi stellte sein mit immensem Sprengstoff beladenen Privatflugzeug dem Palästinenser Al-Karami zur Verfügung, der dieses ins ITMC steuerte und den westlichen Staaten einen Schaden in Milliardenhöhe verursachte.
Der Drahtzieher Mahmoud Maghsum Al-Charufi befindet sich nun auf Platz eins der international gesuchten Terroristen.“
Es folgten täglich Berichte in allen möglichen Varianten, die von verschiedenen Nahost- bzw. Terrorismusexperten kommentiert wurden. Die grausamen Bilder über leidende Menschen, Leichen und Verschütteten ergänzten diese Berichte und beanspruchten oft die gesamte Titelseite der Zeitungen.
Etwa fünf Tage nach der Veröffentlichung dieses Berichtes gab es Spekulationen über Al-Charufis jetzigen Standort und die möglichen Etappen seiner Fluchtwege.
Eine amerikanische Tageszeitung berief sich auf vertrauliche Informationen eines hochrangigen Offiziers der American European Investigation for Terror (AEIT), dessen Name allerdings nicht preisgegeben wurde, und veröffentlichte einen ausführlichen Bericht über Al-Charufi.
Er soll bereits einige Stunden vor dem Anschlag mit einer Privatmaschine von London nach Frankfurt und von dort mit einem gefälschten libyschen Pass unter dem Namen Chalil Mourghadi weiter nach Wien geflogen sein. In Wien sei er dann in eine Maschine der syrischen Fluggesellschaft diesmal mit einem ägyptischen Pass (ebenfalls gefälscht) unter dem Namen Abdallah Omar Taufik gestiegen und sich in Damaskus abgesetzt zu haben.
Al-Charufi würde sich derzeit in Syrien als Ehrengast des Präsidenten an einem geheimen Ort aufhalten.
Die Zeitung druckte ziemlich unscharfe, kleinformatige schwarz-weiß Bilder von drei Syrern, die Al-Charufi in Damaskus während eines Freitagsgebetes in einer Moschee gesehen haben sollen.
Mit dieser Nachricht erreichte der Verlag, der seit einigen Monaten nur rote Zahlen schrieb und existenzgefährdet war, einen Verkaufsrekord seiner Zeitung. Daraufhin wurde die Kette von Berichten und Artikeln über Al-Charufi vehement fortgesetzt. Seine Kindheit, seine Jugend, familiäre Beziehungen, Hobbys, Charakter… Al-Charufi wurde für die meisten Zeitungen binnen kürzester Zeit ein Held, ein Retter. Weltweit wurden bis dato noch niemals so viele Zeitungen in den Händen gehalten. Es existierte keine einzige Zeitung, die nichts über ihn schrieb. Manche Verlagshäuser gaben sogar jede Woche eine gesonderte Beilage heraus, das nur Al-Charufi gewidmet wurde; Al-Charufi extra, Al-Charufi und seine Ideologien, ein Mann gegen die Welt, Al-Charufi… ein Gespenst?... waren nur einige wenige von vielen Schlagzeilen.
Nachdem die Journalisten diese Marktlücke entdeckt hatten, wollten sie auf keinen Fall darauf verzichten, diesen Boom bis zum letzten Tropfen auszusaugen. Jede Nachricht, die etwas anders klang, brachte die Verkaufszahlen nach oben.
Im Laufe der Zeit gingen sogar Journalisten die Einfälle aus und die Berichte wurden unglaubwürdig. Denn sie differierten erheblich voneinander. So kam es immer wieder vor, dass Al-Charufi wie ein Heiliger am selben Tag in mehreren Städten gesehen worden sein soll. Durch diesen fatalen Fehler brachten sich die Medien selbst in Misskredit, sodass ihre Verkaufszahlen wieder nachließen.
Dafür kletterte der Name Al-Charufis auf der Liste der bekanntesten Menschen rapide nach oben. So verdrängte er den Papst und den amerikanischen Präsidenten, die schon seit Jahren wegen des Bekanntheitsgrads miteinander konkurrierten, von ihren Plätzen und besetzte mit einem unerreichbaren Vorsprung den Platz Nummer eins.
Al-Charufi, der bis vor kurzem nur als gefürchteter Terrorist Namen gemacht hatte, entwickelte sich zu einem allgegenwärtigen Geist bzw. zu einer übermenschlichen Figur, die gleichzeitig praktisch überall und nirgends war.
Die Apotheose Al-Charufis durch die Medien löste eine unglaubliche Bewegung aus. Während er weltweit bei den Regierungsvertretern zu einem niederträchtigsten Menschen zählte, formierten sich in den USA einige Menschen zu einem Fanclub und gründeten einen Verein, in dem Al-Charufi als Held gefeiert wurde. Unter dem Namen ACID (Al-Charufi is dethless) erfreute sich dieser Verein an zunehmender Mitgliederzahl und Popularität.
Die Geschichte über das ITMC-Attentat, das viele Menschenleben zerstörte und Kinder in allen Altersstufen zu Weisen machte, bildete etwa ein Jahr lang die Schlagzeilen in der Presse und anderen Medien.
Videoaufnahmen von den mächtigen Flammen, von dem zerstörten ITMC, und von den Aufräumungsarbeiten wurden immer wieder in einem bestimmten Rhythmus von den meisten TV-Sendern der Welt ausgestrahlt. Ähnliche Bilder gehörten ebenfalls zu den Titelseiten der Tageszeitungen.
Nachdem ein Journalist für Al-Charufi den Namen Der Henker von London benutzt hatte, etablierte sich diese Bezeichnung und verdrängte seinen eigentlichen Namen, sodass der Name Al-Charufi langsam in Vergessenheit geriet.
Circa drei Monate nach dem unvergesslichen Anschlag, bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur von Medien mehr oder weniger erfundene Berichte, informierten die Pressesprecher der AEIT erneut in einer weltweit ausgestrahlten Pressekonferenz über die letzten Ergebnisse ihrer Ermittlungen.
Laut dieser Presseerklärung habe sich Al-Charufi, genannt Der Henker von London, in Syrien nur kurz, d. h. 5-7 Tage aufgehalten.
Um seine Spuren zu verwischen, sei er ohne einen erkennbaren Plan hauptsächlich zwischen Iran, Pakistan und Afghanistan gereist. Außer diesen Ländern habe er sich einige Male im Irak, in Tadschikistan, Turkmenistan und zweimal in Moskau aufgehalten.
Man ging davon aus, dass er in Moskau höherrangige Offiziere getroffen habe, um dort nach Unterstützung für seine terroristischen Aktivitäten zu suchen. Bei all diesen Flügen habe er jedes Mal nicht nur einen anders lautenden Namen sondern auch einen Reisepass eines anderen Staates benutzt.
Nach den aktuellsten Meldungen befände er sich nun mit einigen Mitgliedern der Al-Qaida in Afghanistan in den unwegsamen Bergen und würde von dort aus operieren. Er plane weitere, verhängnisvolle Anschläge in Europa; und zwar zuerst auf Berlin und dann auf Paris.
Nach dieser Erklärung wurden alle drei Pressesprecher der AEIT (American European Investigation for Terror) von den anwesenden Journalisten regelrecht mit Fragen bombardiert.
„Wie geht es weiter?“
„Wie lange würde es dauern, bis Sie ihn fassen?“
„Hat er noch Kontakt zu seiner Familie?“
„Ist Berlin gegen einen solchen Anschlag ausreichend geschützt?“
„Und, was ist mit Paris?“
„……“
Die meisten Fragen wurden mit vagen bzw. nichts sagenden Sätzen beantwortet, sodass man am Ende genauso schlau war, wie am Anfang.
Kurz bevor die Pressekonferenz zu Ende ging, sorgten die Fragen von Journalisten einer deutschen und einer englischen Boulevardzeitung bei allen Anwesenden für einen tumultähnlichen Zustand. Denn die Fragen dieser beiden Journalisten, die eigentlich mehr nach neuen Informationen klangen, widersprachen den Ausführungen der Pressesprecher der AEIT grundlegend.
Die beiden Journalisten schienen zuverlässigere Informationsquellen zu haben.
Der englische Journalist, ein rothaariger, hagerer Mann, stellte den Pressesprechern folgende Frage: „Haben Sie nähere Informationen darüber, dass Al-Charufi aufgrund der Mangelernährung und schlechter Hygieneverhältnisse inzwischen schwerkrank ist und an Lungentuberkulose leidet?“
Die drei Pressesprecher schauten sich einen Augenblick fassungslos an. Die Wirkung dieser überraschenden Frage an ihren Gesichtern war nicht zu übersehen. Sie sahen aus, als hätten sie eben einen Geist gesehen. Sie sprachen leise miteinander, bis sie sich auf die Antwort „kein Kommentar“ einigten.
Der deutsche Journalist, ein relativ junger Mann mit Hasenzähnen, ging noch weiter. Er verhielt sich so, als hätte er Al-Charufi nicht nur persönlich kennen gelernt, sondern ihn auch auf einige seiner Reisen begleitet: „Nach meinen Informationen, an deren Wahrheitsgrad kein Zweifel besteht, wurde Al-Charufi bei einer Auseinadersetzung mit einem der führenden Al-Qaida-Mitglieder schwer verletzt und erlag einige Stunden danach an seinen Verletzungen. Seine Leiche wurde an einem geheimen Ort begraben und alle Hinweise, die zu seinem Grab führen könnten, beseitigt. Ich wüsste gerne, weswegen Sie diese Tatsache verheimlichen und uns andere Märchen auftischen?“
Gerade diese Frage brachte das Fass zum Überlaufen.
Woher hatte dieser Journalist seine Informationen? Wer war sein Informant? Welchen Wahrheitsgrad hatten seine Ausführungen? Oder war es vielleicht eine ausgeklügelte Falle, um die Ermittlungen in falsche Bahnen zu lenken?
Die Pressesprecher zögerten diesmal ziemlich lange, bevor sie mit der knappen Bemerkung „kein Kommentar“ die Pressekonferenz kurzfristig und unter massivem Protest der Journalisten für beendet erklärten und den Saal verließen.