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DAS GRAUEN

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Meine Freundin hat es eilig und stürzt ohne Frühstück aus ihrer Wohnung.

Ich mache das Bett und einen Tee, setze mich damit an den Tisch und scrolle auf meinem Mobiltelefon durch meinen Newsfeed.

Neben Katzenfotos und Werbung für Flugreisen und Turnschuhe taucht plötzlich ein Begriff auf: Earth Overshoot Day.

Ich google den Begriff und lese, dass wir als Menschheit heute die Ressourcen, die uns die Erde in diesem Jahr zur Verfügung stellt, verbraucht haben. Dabei ist erst das halbe Jahr vergangen.

Mich packt ein inneres Grauen.

Ich lege das Telefon weg und ziehe mich an. Ich mache mich auf den Weg in die Psychiatrie, um den Spieler zu besuchen. Das muntert mich bestimmt auf.

Inzwischen wohne ich schon so lange in der Grenzstadt, dass ich nicht nur norddeutsch klinge, ich denke auch so. Müsste ich zurück nach Kurdistan, würde ich vermutlich innerhalb weniger Tage wieder im Knast landen, weil dort niemand meinen Humor versteht.

Die Psychiatrie ist ein trauriger Ort, aber der Spieler lacht mich an. Er freut sich, dass überhaupt mal jemand reinguckt. Als unbegleiteter Minderjähriger eingereist, hat er keine Familie, die ganz selbstverständlich Krankenbesuche macht.

»Habibi, wie geht es dir«, frage ich ihn.

»Besser, ja, besser. Allah gibt mir die Kraft. Ich werde nie mehr Drogen nehmen. Ich spiele nicht mehr. Ich werde jetzt gut leben.«

Er glaubt es wirklich und guckt ganz selig, als sei er selbst der Prophet.

Seitdem er nicht mehr auf dem Basketballplatz, sondern in der Spielhalle spielt, geht es ihm stetig schlechter. Vor einigen Wochen hat er so viele chemische Drogen genommen, dass er in der Psychiatrie gelandet ist. Und nun spricht Gott zu ihm.

Wir rauchen am Fenster im Raucherzimmer.

»Kommst du bald wieder?« Er guckt wie ein verlassener Welpe. Ich verspreche ihm, dass ich bald wieder reinschauen werde.

Einer meiner deutschen Facebookfreunde schreibt, dass Ex-Muslime wie ich die einzigen Flüchtlinge sind, die es verdient haben, hier zu sein. »Kriminelle Ausländer abschieben«, beendet er seinen wütenden Post.

»Du verwöhnter Idiot«, denke ich mir, blockiere ihn und renne zum Bus. Ich setze mich ganz nach hinten und lasse die Kleinstadt an mir vorbeiziehen. Mehrfamilienhäuser werden zu Einfamilienhäusern, dazwischen ein bisschen Grün.

Kafir

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