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DIE FRATZE

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Meine Mutter sprach nie wieder über den Tag. Sie tat so, als sei nichts geschehen, und das ängstigte mich. Meine Mutter war keine Beschützerin mehr. Ich fürchtete mich nun mehr vor ihrem Lächeln als vor der Wut meines Vaters. Und ich vertraute keinem von beiden.

Wenn es tatsächlich ein Djinn war, der in meinem Körper steckte, hatte der Imam ihn nicht erwischt. Der Djinn hatte sich vor Angst tief in mich rein verkrochen, steckte tagsüber in meinen Knochen und bewohnte des Nachts meinen Kopf und quälte mich mit Albträumen.

Nach den Schulferien wurden meine schulischen Leistungen nicht besser. Im Gegenteil. Wo ich früher nur unkonzentriert gewesen war, war ich jetzt auch noch nervös. Ich hatte oft das Gefühl, keine Luft zu bekommen und musste dann immerzu lautstark schlucken.

»Hör auf damit«, beschwerte sich mein Nebenmann. Und ich versuchte dann, das Schlucken zu unterdrücken, aber es kam umso heftiger.

Manchmal suchten mich die Bilder aus den Albträumen auch tagsüber auf, wenn ich etwas roch, was mich an die Moschee in Kerkûk erinnerte, oder meine Mutter mich auf eine bestimmte Art anguckte. Ich konnte mir kaum noch etwas merken und hatte ständig Kopfschmerzen. Kein Thema konnte mich noch begeistern und am Lesen hatte ich keinen Spaß mehr.

Die Tage, an denen ich mich zu unwohl für die Schule fühlte, wurden immer mehr. Ich fiel noch mehr aus der Reihe als sonst, und ein Nachbar sprach meine Eltern darauf an, dass es für so was Psychiater gäbe.

Meine Eltern packten mich wieder in ein Auto, und diesmal ging es wirklich zu einem Arzt. Er verschrieb mir Tabletten, die mich müde und schläfrig machten. Wenn ich nicht in der Schule war, schlief ich. Und obwohl ich wenig aß, wurde ich plötzlich dick. Ich war mein Leben lang beweglich, klein und dünn gewesen. Wenn ich nun in den Spiegel sah, starrte mich ein fremdes Gesicht an, eine aufgedunsene, steife und ernste Fratze.

Ich ging weiter in die Moschee und betete wie bisher. Ich glaubte fest an Gott, aber ich verlor den Glauben daran, dass sich hier auf Erden etwas für mich ändern könnte. Ich war ein Versager und die Welt machte mir Angst.

Nach einem Jahr in psychiatrischer Behandlung riet der Arzt meinen Eltern, mit mir in ein Beratungszentrum für Folteropfer zu gehen. Meine Eltern vergewisserten sich erst, ob es ein seriöser und gottesfürchtiger Ort sei, und ließen mich dann tatsächlich meine freie Zeit dort verbringen.

Es war wie eine Oase. Die jungen und freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter näherten sich mir behutsam in Gesprächen. Ich konnte den Spieleraum nutzen, nahm an Kunstkursen teil, lernte Entspannungsübungen und fing ganz langsam wieder an, mich für die Welt zu öffnen.

Kafir

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