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HERMINE-FIALA-HOF

Gemeinschaft Gemeindebau

Frau Traer ist eigentlich Kärntnerin, lebt aber seit Mitte der 1970er-Jahre in Wien. 1983 konnte sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern als Erstbezieher in den Hermine-Fiala-Hof in der Troststraße in Favoriten ziehen, wo sie von Anfang an äußerst zufrieden war. Das lag einerseits an der hohen Wohnqualität, andererseits am guten Kontakt zu den Nachbarinnen und Nachbarn, der sich rasch entwickelte: „Es war eine Gemeinschaft da, viele Familien mit Kleinkindern, man hat sich gegenseitig ausgeholfen. Es war schön für uns zu wissen, morgen können wir unser Kind dort oder dorthin geben.“ Die Wohnungen waren schon beim Einzug sehr schön mit Parkett ausgestattet, „das habe ich sehr geschätzt. Du bist reingekommen und hast dich wohlgefühlt.“

Frau Traers ältere Tochter ist seit der Geburt Spastikerin und sitzt im Rollstuhl. Innerhalb des Fiala-Hofes konnten sie sich die Wohnung damals aussuchen und entschieden sich für eine mit barrierefreiem Zugang auf der Stiege 10, wo nach dem Ausstieg aus dem Lift keine Stiegen mehr bewältigt werden müssen. „Mein Mann und ich waren glücklich, dass wir dort haben einziehen können. In unseren eigenen vier Wänden fühlen wir uns immer noch sehr wohl.“

Rundherum aber habe sich viel geändert, viele alte Mieterinnen und Mieter seien über die Jahre ausgezogen, „dadurch hat sich das Bild gewandelt“.

Was Frau Traer mit am meisten ärgert, ist, dass manche der neu Eingezogenen nicht einmal bei einer gemeinsamen Fahrt im Lift grüßen würden: „Die, die Kontakt haben wollen, outen sich eh, aber bei vielen hat man das Gefühl, sie wollen das nicht. Die bleiben sehr unter sich.“ Die vorhandenen Gemeinschaftsräume würden kaum genutzt, der Hof nur von den Kindern. Dabei verbinde sie mit Gemeindebau immer noch Gemeinschaft, ein Füreinanderdasein: „Es gibt Situationen, da brauchst vielleicht einmal Hilfe. Aber heute hab ich kaum mehr die Möglichkeit, bei einem Nachbarn anzuläuten, vielleicht bei ein oder zwei. Du kannst dir im Endeffekt fast keine Hilfe mehr erwarten. Und das ist eigentlich traurig.“

Wie sich diese für sie unbefriedigende Situation verändern ließe, darüber hat Frau Traer schon oft nachgedacht und ist auch auf einige Ideen gekommen: „Vielleicht gibt’s die Möglichkeit, einmal gemeinsam von Nachbar zu Nachbar zu gehen und zu schauen, was die Leute wollen und brauchen. Oder Gemeinschaftsgärten zu machen, wo man was anbaut und sich dadurch trifft. Aber man müsste wahrscheinlich viel Energie dafür aufwenden, die Leute dazu zu motivieren, und das habe ich eigentlich schon zur Genüge getan. Meine Tochter sagt immer: ‚Mama, du bist nicht die Hausmeisterin.‘“

Dass sie nicht mehr ganz so motiviert ist, Zeit und Energie in eine Verbesserung der sozialen Beziehungen im Hermine-Fiala-Hof zu investieren, mag auch daran liegen, dass Frau Traer für ihren Lebensabend Rückkehrpläne in ihre alte Heimat Kärnten schmiedet: „Wir haben das Haus von meiner Schwiegermutter geerbt und überlegen zurückzugehen, wenn mein Mann nächstes Jahr in Pension ist. Auch für unsere Tochter wird dort eine neue Beschäftigungstherapie mit Wohneinheiten in der Nähe gebaut. Und dort hab ich halt auch die Nähe zu Italien“, sagt Frau Traer lachend, aber man meint zu spüren, dass ein Auszug aus dem Hermine-Fiala-Hof für sie auch mit einem weinenden Auge verbunden wäre.


HERMINE-FIALA-HOF

Troststraße 45a

1100 Wien

Errichtet 1980–1982

397 Wohnungen

Geplant von Erwin H. Dusl, Wilhelm Gehrke, Erich Hofbauer, Friedrich Novotny, Fritz Oberdorfer

Wiener Wohnwunder

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