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ELLA-LINGENS-HOF

Ein freundliches Gesicht


„Früher hat man gesagt ‚Grüß Gott‘, heute sagt man ‚Hi‘.“

In dieser Kürze lassen sich nicht alle Veränderungen in den Nachbarschaftsbeziehungen im 23. Wiener Gemeindebezirk zusammenfassen, aber vielleicht ist es eine gute erste Spur.

„Hier und da lernen die Leute das Grüßen“, sagt dann einer der Anwesenden hoffnungsvoll.

Und mit diesen zwei Statements ist eigentlich schon die Richtung vorgegeben für ein Gespräch im Gemeinschaftsraum des Ella-Lingens-Hofes über Erfahrungen mit der Grußkultur im Gemeindebau im Allgemeinen und dem „Willkommen Nachbar“-Programm im Speziellen.

Ein elegant gekleideter Herr mit Krawatte hat eine ganz klare Philosophie: „Ich grüße so oft, wie es notwendig ist.“ Der andere könne ja gedankenverloren sein und den Gruß einfach nicht bemerkt haben, daher müsse man eben öfter grüßen, um ihn aus seinen Gedanken zu reißen: Mit „Bei mir hüft eam des nix!“ sorgt er für zustimmendes Lachen. Aber Lachen hin oder her, seine Grußerfolgsquote gibt ihm Recht, meint er, geschätzt liege sie mittlerweile bei beachtlichen 90 Prozent.

Auch eine ursprünglich aus St. Pölten stammende Mietervertreterin stimmt mit diesem durchaus rigorosen Ansatz überein: „Je unfreundlicher einer ist, umso freundlicher werde ich.“

Ob es nun kulturelle Unterschiede sind oder ob es die individuelle schlechte Erziehung mancher Menschen ist, die sie heute am Grüßen hindert, darüber gehen die Meinungen im Ella-Lingens-Hof auseinander. Während manche meinen, viele Ausländer würden zumindest nicht von sich aus grüßen, ist einer der anwesenden Herren überzeugt, dass es vorwiegend die Eingeborenen sind, die die Höflichkeitsregeln missachten: „Es sind die Wiener, die nicht grüßen können!“

In jedem Fall wird das „Willkommen Nachbar“-Programm, bei dem Neumieterinnen und Neumieter begrüßt und informiert werden, vielleicht gerade deshalb von einigen der Anwesenden durchaus mit Verve betrieben:

„Wir können etwas beitragen, um eine Atmosphäre zu schaffen, das erzeugt einen Schneeball-Effekt. Mich grüßen die Kinder inzwischen schon aus 15 Metern Entfernung“, berichtet der Herr mit der hohen Grüßerfolgsquote.

Außer gezieltem Erstgrüßen tut er allerdings noch einiges anderes für die Mieterinnen und Mieter in seinem Bau: Einer neu eingezogenen albanischen Familie mit vier Kindern schenkte er etwa zwei von ihm nicht mehr benötigte Kindersessel – eine von vielen kleinen Aktionen, die das Klima verbessern und Freundschaften entstehen lassen: „I glaub, des waß do eh a jeder: Wenn sie die Leut verstehen, dann gibt’s weniger Streit. ‚Strebe eine Win-Win-Situation an‘, hat man uns bei wohnpartner gelehrt.“

Das tun augenscheinlich alle, die sich für „Willkommen Nachbar“, „Hallo Du“, im Mieterbeirat oder beim alltäglichen Grüßen auf der Stiege engagieren.

„Meine Motivation ist ein freundliches Gesicht“, sagt der elegante Herr zum Abschluss. Es geht also doch nicht ausschließlich ums Grüßen.


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