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ОглавлениеMia zählt die Tage bis zur Besichtigung des FUTURE-Instituts. Täglich googelt sie sich die Finger wund. Taurus Nolan ist eine schillernde Person, eine Popfigur der Technikwelt. Seine Masche war in der Vergangenheit immer die gleiche: Erst kündigt er großspurig ein neues Thema an, dann hört man eine Weile nichts mehr davon, und alle denken, er hat sich übernommen. Oft gründet er sogar eine Firma, die er zunächst geheim hält. Und plötzlich gibt es eine Pressekonferenz, das angekündigte Produkt ist serienreif, die Firma kommt groß raus, und Nolan wird gefeiert wie ein Star. Erst mit der Gründung der FUTURE-Institute vor sechs Jahren hat er begonnen, sein Geld in Projekte zu stecken, die der Menschheit dienen sollen. Vorher waren das manchmal völlig sinnlose Produkte, die aber jedes Mal sehr erfolgreich waren.
Als es ans Tor klopft, schreckt Mia zusammen. Ein Mann vom Paketdienst, er hat eine Lieferung für sie. Gerade kommt Lennart um die Ecke, er schaut ihr beim Öffnen zu. Es ist der beschlagnahmte Laptop.
»Die Polizisten waren wohl zu faul, um ihn persönlich zurückzubringen«, vermutet Lennart.
»Von mir aus brauchen die auch nicht mehr aufzutauchen.« Mia ist immer noch sauer. »Hoffentlich haben sie nichts gelöscht. Oder schlimmer noch, was installiert.«
Lennart sieht sie mit großen Augen an. »Was meinst du?«
»Wer kann mir denn garantieren, dass es wirklich echte Polizisten waren und sie sich an unsere Gesetze halten. Was, wenn ich jetzt ein verstecktes Tracking-Programm auf dem Rechner hab und die überwachen jeden meiner Schritte?«
Er schüttelt verständnislos den Kopf. »Bist du eigentlich von Natur aus misstrauisch, oder gibt es einen besonderen Grund dafür?«
»Frage zurück: Bist du eigentlich von Natur aus gutgläubig, oder gab es da, wo du herkommst, keine Schulhofschläger und Cybermobber? Haben deine Eltern dich immer schön in der heilen Welt eurer Wildvogelauffangstation von allem Bösen abgeschirmt?«
Ins Schwarze getroffen! Lennart kneift die Augen zusammen und ballt die Hände zu Fäusten. Mia sieht ihn zum ersten Mal richtig wütend. Er ist kurz davor, auf sie loszugehen.
»Nur zu, schlag mich!« Sie breitet die Arme aus. »Ich bin unbewaffnet.«
Er merkt natürlich sofort, wie sie das meint, und kratzt sich am Kopf. »Erwischt. Sorry, manchmal hab ich eine Wut, die ich selbst nicht verstehe.«
»Wir könnten nach draußen gehen. Eine Runde Wing Tsun?«
Sofort strahlen seine grünen Augen wieder.
»Echt? Würdest du mir das beibringen?«, fragt er schüchtern. Er erzählt ihr, wie er mithilfe von YouTube-Videos die Grundtechniken übt.
»Ich bin natürlich keine Wing Tsun-Lehrerin. Wenn du es richtig lernen willst, musst du dir einen echten Lehrer suchen.«
An der Tür begegnen sie dem alten Smolek. Er hat ein Fernglas in der Hand und schüttelt ärgerlich den Kopf. »Da war schon wieder so ein Mistding. Stand stundenlang an der gleichen Stelle, wie in der Luft festgetackert. Hat bestimmt wieder gefilmt. Vergesst nicht: die Volieren immer gut abschließen!«
Als sie hinausgehen, können sie auf dem Außengelände nichts Auffälliges entdecken.
»Hast du einen Lehrer?«, knüpft Lennart an das Gespräch über Wing Tsun an.
»Ich bin im Verein und werde dort von einem Meister unterrichtet. Anleitungen aus dem Internet sind ganz okay, aber wenn du mehr Sicherheit bekommen willst, brauchst du regelmäßiges Training mit echten Partnern.«
Lennart nickt. »Genau das will ich.«
»Wenn man das eine Weile macht, bekommt man ein ganz anderes Körpergefühl und ein neues Selbstbewusstsein. Mit der Zeit entwickelst du Fähigkeiten.«
»Die Großen Sieben Fähigkeiten.«
»Genau. Es beginnt mit der Kunst der Achtsamkeit.«
Sie stellt sich vor Lennart hin und geht in den IRAS, den Basisstand im Wing Tsun. Er macht es sofort korrekt nach, die YouTube-Videos haben also wirklich was gebracht.
»Master Wong«, erklärt er, »cooler Typ, hat fast zwei Millionen Follower.«
Sie zeigt ihm Drehbewegungen, die man aus der Grundposition heraus machen kann. Lennart hat eine gute Balance und bewegt sich flüssig, aber er muss sich noch sehr auf seinen eigenen Körper konzentrieren.
Mia baut die Übungen so auf, dass sie sich langsam im Kreis drehen und sie gleichzeitig die Umgebung checken kann. Bei den Volieren ist alles prima, der Luftraum ist auch frei. Aber irgendwas ist anders als sonst, das Codeschloss an der Tür zur Halle ist neu. Über dem Kästchen mit der Tastatur gibt es eine dunkle Halbkugel. Eine Kamera! Ein Ersatz für die Drohnen, weil sie aufgefallen sind? Weiß der alte Smolek davon? Wie kann sie Lennart die Kamera zeigen, ohne aufzufallen?
»Mit der Zeit werden die Fähigkeiten wichtiger als die Techniken. Zum Beispiel die Wahrnehmung der Umgebung.« Sie stellt sich direkt vor das Codeschloss und zeigt ihm in schneller Abfolge sechs Kettenfauststöße, alle richten sich natürlich gegen die neue Kamera.
Aber Lennart kapiert nichts. »Das sieht nach jahrelangem Training aus«, sagt er bewundernd und lässt die Arme sinken, »da kann ich nicht mithalten.«
»Es ging grad um Wahrnehmung«, betont Mia noch einmal. »Sieh genau hin. Irgendwann kann man den Angriff eines Gegners abwarten und ihn mit seiner eigenen Kraft besiegen. Oder mit seinen eigenen Waffen.«
Jetzt begreift Lennart, dass sie ihm etwas sagen will. »Du redest von echten Gegnern und von völlig anderen Waffen, nicht wahr?«
»Genau. Und weißt du, was die fortgeschrittene Stufe im Wing Tsun ist? Die vollständige Anpassung an den Gegner. Ich glaube, hier hat jemand nicht verstanden, dass man seinen Feind nicht unterschätzen sollte.«
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