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Als Lennart zwei Tage später die Tür zum Hof öffnet, spürt er sofort die Unruhe bei Cosmo, anders als sonst. Der Falke hat die Flügel angehoben, sein Schnabel ist halb geöffnet, seine Augen verraten äußerste Konzentration.

»Hey, Cosmo, was ist los? Hast du Besuch von einem Wanderfalkenweibchen gehabt? Oder hat Harro sich als Vogelscheuche verkleidet?«

Er bindet sich die alte, speckige Futtertasche um, in die er drei Eintagsküken gesteckt hat. Sie verströmt immer noch diesen typischen Ledergeruch wie früher, als er noch ein kleiner Junge war. Damals trug sein Vater die Tasche, und er durfte beim Füttern in der Auffangstation helfen.

Als er die Tür der Voliere öffnet, fliegt der Falke sofort auf seine Faust. Sorgfältig legt Lennart die Lederbänder in den Handschuh und umschließt sie, dann nimmt er den Vogel mit auf die Freifläche. Eine Weile gehen sie hin und her, Cosmo dreht ständig den Kopf und beobachtet alles ganz genau. Er wirkt nervös, eigentlich ist das untypisch für ihn.

»Weißt du, Cosmo, es ist seltsam hier in Berlin. Nicht nur du fühlst dich fremd, mir geht es genauso. Mir fehlt unser Zuhause, die Station, meine Freunde aus der Schule. Ich hab keine Ahnung, wie ich hier klarkommen soll, aber meine Mutter ist richtig glücklich mit ihrem neuen Job. So habe ich sie seit einem Jahr nicht mehr erlebt. Ich will ihr das nicht kaputtmachen.«

Endlich wird der Vogel ruhiger. Lennart holt die Haube hervor und hält sie ihm hin, damit der Falke sie sehen kann. »Eigentlich brauchst du die hier nicht, du sollst nur weiterhin daran gewöhnt bleiben. Sonst wird es irgendwann schwierig, dich zu transportieren.«

Wie so oft hat er den Eindruck, Cosmo würde jedes Wort verstehen, denn jetzt streckt er sogar den Kopf vor. Er hat kein Problem mit der Haube.

Lennart streift sie ihm über und geht weiter mit ihm umher. »Heute ist Harro mal nicht dabei. Er hat in den Hallen zu tun und weiß mittlerweile, dass wir beide klarkommen.« Cosmo sitzt still auf seiner Faust. Es tut gut, mit ihm zu reden. »Meine Mutter meint, ich soll zu einem Therapeuten gehen. Wegen meiner Migräne und weil ich mich nicht daran erinnern kann, was damals passiert ist. Dabei hat der Arzt gesagt, das sei ganz normal. Vielleicht kommt die Erinnerung nie zurück. Es ist typisch für Unfallopfer, wenn sie die Minuten vor dem Crash vergessen. Hat irgendwas mit dem Kurzzeitgedächtnis zu tun.«

In diesem Moment fliegt ein Schwarm Tauben auf.

»Hey, da ist Arbeit für dich.«

Er zieht die Haube ab, der Falke reckt den Kopf und sieht sich aufmerksam um.

»Alles klar?«

Cosmo schüttelt sich und schlägt kurz mit den Flügeln, um zu zeigen, dass er bereit ist. Sie sind ein eingespieltes Team.

Lennart atmet tief ein. Jedes Mal, wenn er den Falken mit Schwung in die Luft wirft, muss er all seinen Mut zusammennehmen. Noch ein Atemzug, dann schleudert er den Arm nach vorn und lässt die Bändchen frei. Er hört das vertraute Flattern, sieht den Vogel aufsteigen, fühlt die grenzenlose Freiheit, als würde er selbst fliegen.

Die Tauben schlagen wild mit den Flügeln. Sofort erkennen sie den Feind und beginnen, eng zu kreisen. Der Falke fliegt höher, die dunkelgrauen Querstreifen auf der hellen Unterseite sind noch gut zu erkennen. Er dreht einen Kreis, dann noch einen, ein typischer Spähflug. Normalerweise dauert er nicht lange. Sobald der Jäger seine Beute im Visier hat, folgt der reißend schnelle Steilflug hinab. Die Tauben sollen keine Chance haben, sich in Sicherheit zu bringen.

Diesmal ist es anders. Cosmo fliegt weiter Runden, er gibt Warnlaute von sich, ein durchdringendes, scharfes »Eek-eek-eek-eek«, kein normales Jagdgeschrei. Die Tauben sind längst weg, nur der Greifvogel ist noch am Himmel. Er schraubt sich höher und höher, seine Schreie werden immer kürzer und schriller. Irgendetwas stimmt hier nicht! Die Anspannung steigt, ein Gefühl von Bedrohung, als wäre da etwas am Himmel, von dem Gefahr ausgeht. Doch sosehr er sich auch bemüht, Lennart sieht nichts Ungewöhnliches.

Ausgerechnet heute ist Harro nicht dabei. Bisher hat die Jagd hier problemlos geklappt, aber die Luftjäger sind nun mal empfindlich gegen jede Art von Störung. Was, wenn Cosmo vor irgendetwas Angst hat und sich nicht traut, zurückzukommen?

Lennart holt ein Eintagsküken aus der Tasche, schwenkt es lockend durch die Luft und klemmt es im Handschuh ein. Der Falke reagiert nicht, er ist schon so weit weg, dass er seine Pfiffe wahrscheinlich nicht mehr hören kann. Aber er müsste doch das gelbe Küken erkennen. Schließlich können Falken viel besser als Menschen sehen, sie erspähen Tauben in einer Entfernung von acht Kilometern.

Wenn er so hoch fliegt, kann ein Windstoß ihn leicht davontragen, und dann verliert er die Orientierung. Cosmo ist es noch nicht gewohnt, in der Stadt zu jagen. Bisher ist er nur auf die Tauben in der direkten Umgebung geflogen. Lennart kann ihn kaum noch sehen und auch nicht mehr hören. Verdammt, warum hat er nur sein Fernglas in der Garage gelassen?

Jetzt sieht er ihn gar nicht mehr. Er ist weg! In den Wolken verschwunden. Wie in seinen schlimmsten Albträumen.

Da ist er wieder! Kommt näher, im Steilflug. Lennart hält die Luft an. So schnell war Cosmo noch nie, er lässt sich einfach vom Himmel fallen und rast auf das Hallendach zu. Aber wo ist der Beutevogel?

Bei der Geschwindigkeit kann er nicht erkennen, ob Cosmo die Füße vorstreckt, um seiner Beute einen Stoß zu geben. Irgendwo da oben muss doch ein Vogel sein. Was glitzert denn da?

War das ein Zusammenstoß? Cosmo jagt knapp über das Hallendach hinweg und steigt wieder in den Himmel auf. Er macht keinen Versuch, auf dem Handschuh zu landen, dafür ist er auch noch zu schnell.

Was war das?

Lennart hat sich reflexartig geduckt, etwas war auf ihn zugerast. Hinter ihm scheppert es, erschrocken fährt er herum. Ein kleines silbernes Ding springt und schlittert über den Asphalt, Teile aus Kunststoff fliegen durch die Luft, ein Rädchen dreht sich wie ein Kreisel.

Wow, das also war Cosmos Beute. Lennart geht näher ran, es ist eine Drohne! Ein Flugobjekt, nicht größer als seine Hand. Völlig zerstört, als wäre es in den Rotor eines Windrades gekommen.

Was bedeutet das?

Im Nacken spürt Lennart ein kribbelndes Gefühl, es wandert über den Kopf nach vorne. Lichtblitze zucken auf, alles um ihn herum flimmert. Erste Anzeichen, dass eine Migräneattacke naht. Bitte nicht!

Er versucht sich darauf zu konzentrieren, was hier gerade passiert ist. Cosmo hat eine Drohne angegriffen! So ganz kapiert er es immer noch nicht. Normalerweise lässt der gezielte Stoß mit den Füßen bei der hohen Geschwindigkeit die Beutevögel so heftig auf den Boden aufprallen, dass den Tieren dadurch das Genick gebrochen wird. Das ist die Erklärung, weshalb dieses Ding völlig zerstört ist, die Geschwindigkeit und der Aufprall sind schuld. Trotzdem bleibt da noch eine Frage: Warum hat Cosmo die Drohne überhaupt angegriffen?

Das Flimmern lässt etwas nach, Lennart hält Ausschau nach dem Falken. Da kommt er auch schon angeflogen und landet bei der zerstörten Drohne. Sofort hackt er auf das Ding am Boden ein, als sei es wirklich ein Beutevogel, dem er das Genick brechen muss.

»Lass das, Cosmo! Was ist denn nur mit dir los? Seit wann lässt du die Tauben ziehen und stürzt dich auf ein elektronisches Ding?« Er wirft ein Tuch über die Drohne, um den Falken von seiner Beute abzulenken, und nimmt ihn auf die Faust. Sofort schlägt Cosmo seinen Schnabel in das Küken und frisst gierig.

Lennart sieht sich um. Wo kam das Gerät her? Es ist weit und breit kein Mensch auf dem Außengelände.

»Hallo«, ruft er vorsichtig. »Hallo, ist hier jemand? Wem gehört denn diese Drohne hier?«

Weder erhält er Antwort, noch kommt jemand aus der Deckung. Muss man nicht Sichtkontakt halten, wenn man eine Drohne fliegt? Was hat sie überhaupt auf dem Gelände gemacht? Ist sie von außerhalb geschickt worden? Aber warum würde jemand das tun, er könnte sie ja nicht mal bergen, wenn sie abstürzt.

Eigentlich sollte er eine Tablette nehmen, am besten noch bevor die Kopfschmerzen einsetzen. Er will nur noch kurz das Fluggerät betrachten. Vorsichtig zieht er das Tuch weg, Cosmo ist mit dem Küken beschäftigt und zeigt kein Interesse mehr an seiner Beute.

Eine Drohne mit vier Rotoren. Sieht aus wie die Dinger, die man überall kaufen kann. Zwei Rotoren sind abgeknickt, an den Bruchstellen hängen Kabel raus. Da gibt es nichts zu reparieren, das ist mal Fakt.

Sie hat eine Kamera, die ist vermutlich auch hinüber. Wurde hier gefilmt?

Wenn nun plötzlich doch ein Besitzer auftaucht und die Verwüstung sieht? Das könnte Ärger geben, schließlich hat sein Falke das Ding in Schrott verwandelt.

»Schluss für heute, Cosmo. Ich bring dich in deine Voliere, bevor du mir noch richtige Flugzeuge vom Himmel holst.«


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+++ Auslesung Kameradrohne JK21 nicht möglich + JK21 defekt nach Angriff durch Greifvogel + erfolgreich identifiziert als WFCm2014 + Bluetooth-Übertragung bis Crash erfolgreich + eine Person registriert + identifiziert als autorisierte Person SR300lennartwiesner + Einsatz dringend empfohlen + Bergung von JK21 empfohlen + Erlaubnis zur Kontaktaufnahme freigegeben + Alarmstufe 5 +++

Falcon

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