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Lennart und seine Mutter holen Mia auf dem Weg zum Institut beim Späti ihrer Eltern ab. Sie steht pünktlich an der Straße, trägt einen dunkelblauen Rock, eine weiße Bluse und eine Schleife im Haar. Bei der Begrüßung faltet sie die Hände, verbeugt sich förmlich und sagt: »Meine Eltern bedanken sich sehr bei Ihnen dafür, dass Sie mir diese Gelegenheit ermöglichen.«

Seine Mutter schaut überrascht und flüstert ihm später in der Schlange vor dem Besuchereingang ins Ohr: »Die ist aber höflich. Ein nettes und gut erzogenes Mädchen.«

Lennart muss ein bisschen grinsen. Vielleicht ist es ja ganz gut, wenn sie die chaotische Nerd-Mia in löchriger Latzhose und die strenge Wing Tsun-Mia im schwarzen Trainingsanzug nicht kennt.

Sie müssen Taschen, Handys und Personalausweise abgeben und werden am gesamten Körper abgescannt. Schließlich bekommen sie Besucherausweise mit QR-Codes.

»Bitte tragen Sie Ihren Code weithin sichtbar«, sagt die Mitarbeiterin, die die Ausweise austeilt, mit einer seltsam steifen Mimik, »damit sie überall im Institut erkannt werden können. Wir müssen sicherstellen, dass jeder Besucher jederzeit gefunden werden kann.«

»Das ist eine Roboterfrau«, flüstert Mia ihm zu. Sie kann den Blick kaum von ihr lösen, so fasziniert ist sie.

Hinter der Schleuse bekommen sie die Personalausweise wieder, aber alle Arten von Aufzeichnungsgeräten sind verboten. Sogar Stifte.

Sam empfängt sie mit einem strahlenden Lächeln. »Wir haben zwei Stunden bis zur Vorführung. In der Zeit können wir euch nicht das ganze Institut zeigen, ihr müsst euch entscheiden.« Er zeigt auf einen Wegweiser mit mehreren Schildern: »Zukunftsforschung, Arbeitswelt, Energietechnologie, Bionik, IT und Kommunikation, Fahr- und Flugtechnik, Werkstatt, Denkfabrik«. Das unterste Schild sieht neu aus, darauf steht: »Unbemannte Flugobjekte«.

»Krass, das ist ja wie im Paradies hier«, sprudelt es aus Mia heraus. »Dürfen wir auch in die Werkstatt?«

Sam winkt ab. »Ist ein bisschen langweilig. Heute stellen die fast alles mit 3-D-Druckern her.«

Mias Augen leuchten. »Genau die wollte ich mir immer mal ansehen.«

Also beginnen sie bei den 3-D-Druckern. Hier erfahren sie, dass diese Geräte mittlerweile nicht nur einfache Kunststoffteile drucken, sondern ganze Häuser bauen und sogar menschliche Knochen nachbilden können.

Danach besichtigen sie das Projekt zur Energiegewinnung aus Algen, in dem Lennarts Mutter arbeitet. »Irgendwann werden alle fossilen Brennstoffe aufgebraucht sein«, erklärt sie und zeigt ihnen riesige Säulen aus Glas mit grünbrauner Brühe, »aber schon vorher brauchen wir preiswerte Energielieferanten. Wir versuchen aus diesen Algen Kraftstoffe herzustellen.«

Auf dem Weg zur nächsten Halle verrät Sam, dass er in der neuen Abteilung für unbemannte Flugobjekte arbeitet. »Großes Thema. Die Voraussagen unserer Zukunftsforscher haben ergeben, dass wir da noch einiges erwarten können.«

Mia läuft ständig an seiner Seite, sie himmelt ihn förmlich an und versucht keines seiner Worte zu verpassen. »Hier will ich auch mal arbeiten.«

»Vielleicht wäre ja ein Praktikum für dich drin.«

»Ehrlich?« Sie wird rot vor Aufregung.

»Eigentlich kein Problem. Lad einfach den Antrag von unserer Internetseite runter und füll ihn aus. Du musst allerdings einen umfangreichen Fragebogen beantworten, wir möchten genau wissen, mit wem wir es zu tun haben.« Sam grinst. »Damit wir uns keine Verbrecher ins Haus holen.«

Der Spruch scheint Mia gar nicht zu gefallen. Sie sagt kein Wort mehr.

»Aber was ist, wenn ihr euch irrt?« Lennart denkt an die Drohne, die Cosmo vom Himmel geholt hat. »Wenn diese ganze Technik falsch eingesetzt wird.«

»Die Gefahr besteht natürlich immer. Wir entwickeln auch selbstfahrende Autos und können nicht ausschließen, dass es zu Unfällen kommt. Doch rein statistisch passieren damit viel weniger Unfälle.«

Sie gehen in die Abteilung für Robotik.

»Guten Tag, Mai und Lennart, ich bin Lucius, und ich freue mich sehr, euch kennenzulernen«, begrüßt ein etwa zehnjähriger Junge sie an der Tür. Er sieht nur auf den ersten Blick wie ein Kind aus, auf der linken Seite seines Halses hat er keine Haut und keine Muskeln. Stattdessen verlaufen dort Kabel und durchsichtige Glasfaserleitungen, durch die ständig blaue Lichtblitze hindurchjagen. Man kann bis auf die Wirbelsäule aus Edelstahl sehen, er ist eindeutig ein Roboter. Kaum zu glauben, Lucius hat das Gesicht eines Engels und eine ganz natürliche Mimik.

»Wie haben euch die 3-D-Drucker gefallen?«, fragt er freundlich. »Darf ich euch die Projekte in dieser Halle zeigen?«

Das Roboterkind geht voran, und Lennart stolpert ihm verwirrt hinterher. »Woher kennt der uns«, flüstert er zu Mia, »und wieso weiß er, wo wir waren? Und warum sagt er Mai zu dir?« Er erinnert sich, wie ihm das schon bei den Polizisten aufgefallen ist.

»Weil das mein richtiger Name ist, mein vietnamesischer Name.«

»Er hat Sensoren in den Augen«, erklärt Sam in normaler Lautstärke, »damit scannt er die QR-Codes von euren Ausweisen ab. Ihr braucht nicht zu flüstern, er ist nicht beleidigt, wenn ihr ihn als Roboter bezeichnet.«

Das wird ja immer fantastischer! Überall in dieser Halle gibt es Leute, die irgendwas mit Robotern machen. Manche spielen Fußball mit ihnen, andere Strategiespiele. Ein künstliches Känguru hüpft auf und ab, eine Kopie von R2D2 fährt in einer Hohlkugel herum, kippt jedes Mal an einer bestimmten Stelle um und rappelt sich unten wieder auf. Die gesamte Halle sieht wie ein großes Spielzimmer aus.

Lennart weiß nicht, was er davon halten soll. Nie kann man sich sicher sein, ob die Menschen auch wirklich Menschen sind. Lucius zum Beispiel hört ihren Gesprächen genau zu und lacht immer an der richtigen Stelle.

»Die beiden da heißen Bob und Alice«, stellt Sam zwei sich gegenübersitzende Figuren ohne Unterleib vor. »Sie unterhalten sich in einer Geheimsprache, die sie selbst entwickelt haben. Nicht mal unsere Wissenschaftler verstehen sie.«

Allmählich wird es Lennart zu viel. »Ich glaube, ich muss hier raus.« Irgendwie ist es unheimlich, auch weil Lucius so echt wirkt und ihn dauernd ganz intensiv anschaut.

»Was würde dich denn interessieren?«, will Sam wissen.

»Fluggeräte. Mich interessiert, wie wir in der Zukunft fliegen und ob wir es jemals so perfekt beherrschen wie die Vögel.«

»Hätte ich mir denken können! Da bist du wohl ganz der Sohn deines Vaters.« Sam öffnet eine Tür nach draußen. »Wusstest du, dass man ihn ebenfalls gefragt hat, ob er für das Institut arbeiten will?«

»Wen? Meinen Vater?« Nein, das wusste Lennart nicht. Er kann sich das auch nicht vorstellen, sein Vater war doch kein Wissenschaftler. Klar, er hatte studiert, aber im Grunde wollte er immer nur mit den Vögeln zusammen sein.

»Sie suchten einen Vogelexperten für die Bionik-Abteilung. Die Natur ist doch immer noch unser bester Lehrmeister.«

»Und das heißt?« Mia will es mal wieder ganz genau wissen.

»Wir kopieren den leichten Knochenbau der Vögel oder die Gehirne der besonders schlauen Raben. Wir schauen uns an, wie Falken fliegen oder welche Jagdstrategien sie verfolgen. Lennarts Vater hat nicht nur über Vögel promoviert, er war vor allem ein großer Denker. Eine Art Naturphilosoph.«

Was erzählt er denn da? Ob sein Vater ernsthaft daran gedacht hat, zum FUTURE-Institut zu gehen? Warum wollen eigentlich alle für diesen abgedrehten Millionär arbeiten? Seine Mutter hat dafür sogar ihr altes Leben aufgegeben.

Sie lassen die Robotik-Halle hinter sich, Lennart hat ein merkwürdiges Gefühl. Als würde ihn jemand von hinten anstarren. Und wirklich, als er sich umdreht, steht Lucius an der Tür und sieht ihnen mit großen, traurigen Augen nach. Er hebt die Hand und winkt. Lennart grüßt automatisch zurück, es kommt ihm schon gar nicht mehr komisch vor.

Sam redet immer noch. »Unsere Vorführung beginnt in zwanzig Minuten, und ich habe euch ja noch nicht verraten, worum es geht.«

»Ja, bitte, sag es doch endlich!« Mia trippelt vor Aufregung mit den Füßen.

Lennart ist ein bisschen genervt, weil sie sich die ganze Zeit vordrängt und vor Begeisterung sprüht. Andererseits wäre er gern ein bisschen wie sie. Dieses ganze Institut ist so überwältigend, und Mia wirkt überhaupt nicht eingeschüchtert.

»Es geht um Drohnen«, erklärt Sam und sieht jedem in der Runde kurz in die Augen. »Wir entwickeln unbemannte Flugobjekte, die ganz spezielle Aufgaben übernehmen können. Es ist ein interdisziplinäres Projekt, und zurzeit bin ich der Leiter meiner Projektgruppe. Heute stellen wir dem Chef die Prototypen vor. In Wahrheit ist es sogar eine Challenge.«

»Eine Challenge?« Mia reißt die Augen auf.

»Es gab zwei Projekte mit der gleichen Zielvorgabe. Heute wird entschieden, welches davon die besseren Zukunftsaussichten hat. Nolan will dieses Projekt nächste Woche der Presse vorstellen und eine Firma gründen, die das Produkt zur Marktreife bringt. Mehr verrat ich aber nicht.«

Falcon

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