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Lennart wartet mit Cosmo am Eingang, bis er von einem Mann abgeholt wird, der sich als Harro Smolek vorstellt. Das ist also der alte Falkner, der seinem Vater vor vielen Jahren beigebracht hat, wie man mit Greifvögeln umgeht. Hier ist er als Hausmeister angestellt. Ein seltsamer Kauz, trägt eine Weste mit der Aufschrift Security und redet nicht viel. Er geht einfach los, durch einen Glasgang auf eine schwere Metalltür zu. Lennart sieht ihn verstohlen von der Seite an, es gibt keinen Zweifel, Smolek hat ein Glasauge. Nicht das Lennart das stören würde, aber er wüsste gern, warum der alte Falkner ein Auge verloren hat. Vielleicht hat ihm ein Vogel das Auge ausgepickt, ein Seeadler oder ein Habicht. Im Umgang mit Greifvögeln muss man viel Vertrauen haben, das ist mal Fakt. Schließlich kommen sie sehr nah ans Gesicht heran.

Als hätte er seinen Gedanken zugehört, dreht Cosmo ihm den Kopf zu, und obwohl er eine Haube trägt und nichts sieht, streift er kurz mit dem Schnabel Lennarts Kinn. Sofort hat Lennart ein warmes Gefühl in seinem Brustraum, das sich über den ganzen Körper ausdehnt. Berlin war nicht seine Idee, aber sie werden es schaffen, irgendwie. Hauptsache, sie können jeden Tag zusammen sein.

Smolek führt sie in eine alte Fabrikhalle. Dabei heißt das Gelände sehr modern My Guard Storage. Die Glasdächer haben Sprünge, doch die grauen Fertiggaragen darin sehen ganz neu aus. Sie wirken wie in Reihen angeordnete Strandhäuser. Eins wie das andere, sie unterscheiden sich nur durch die Nummern, die in großen roten Ziffern auf den Garagentoren stehen. Auf dem Boden liegen überall dicke Kabelstränge, vermutlich Strom- und Datenleitungen.

»Das ist das einfachste Geschäft der Welt«, erklärt der Alte, »wir leben alle im Überfluss. Die Häuser und Wohnungen sind vollgestopft, niemand will seine Sachen wegwerfen oder verschenken. Könnte man ja noch mal brauchen. Also mieten die Leute Stauraum. So teuer ist das nicht, einige lassen sogar monatlich abbuchen und tauchen nie wieder auf.« Er schüttelt den Kopf. »Die brauchen das Zeug gar nicht.«

Ein Typ mit einer Schubkarre kommt ihnen entgegen, er transportiert damit Elektronikware in Originalverpackung. Webcams, Mikrofone, elektronisches Spielzeug.

»Manche nutzen den Raum auch als Außenlager für ihr Geschäft.«

»Und wozu die Leitungen?«

»In einigen Garagen stehen Server oder Messgeräte oder was auch immer.« Er zeigt auf ein Codeschloss mit einem Tastenfeld, darunter steht ein Firmenname mit einem Logo. Die Firma heißt PEREGRIN, sie haben eine Kamera im Logo.

»Die sind hier für die Sicherheit zuständig«, sagt Smolek. »Machen Objektschutz und Überwachungstechnik. Haben selbst auch Räume angemietet und lagern hier ihr Zeug. Was genau da drin ist, geht uns aber nichts an. Solange der Inhalt nicht explodieren kann.« Er lacht in sich hinein, als wäre das ein guter Scherz gewesen, und Lennart will nicht weiter nachfragen.

Ob hier illegale Dinge vor sich gehen? Der Typ mit der Schubkarre hat sie angestarrt, als wäre es ihm gar nicht recht, wenn sie seinen Elektronikkram sehen. Ob er mit gestohlenen Waren handelt? Lennart merkt selbst, wie seine Fantasie mit ihm durchgeht. Eigentlich gibt es doch keinen Grund für solche Vermutungen. Sicher liegt es daran, dass er sich hier in Berlin noch so fremd fühlt.

Nachdem sie das Ende der Halle erreicht haben, folgt die nächste Halle und dann noch eine. Überall die gleichen Garagen, aus einigen dringt Licht, sie hören Leute telefonieren, einmal heult eine Bohrmaschine auf.

Endlich kommt der Alte zum Stehen, er atmet schwer und mit einem deutlichen Pfeifton.

»Deine«, sagt er und deutet auf die letzte Garage in der Reihe, sie trägt die Nummer 300. »Damit du es nicht zu weit zu dem Vogel hast.«

Lennart ist überrascht. »Meine? Zahlt meine Mutter dafür?« Was soll er nur mit einer Garage anfangen?

»Papperlapapp! Ich kannte deinen Vater gut, und dein Vogel wird dafür arbeiten.« Er zieht ein kleines Metallschild aus der Hosentasche und klebt es unter das Tastenfeld. Nicht zu fassen, da steht: »Lennart Wiesner«!

»Nun schau nicht so ungläubig! Als Code hab ich deinen Geburtstag gewählt. Kannst du jederzeit ändern, wenn du willst.« Er gibt tatsächlich Lennarts Geburtsdatum ein, die Kontrollleuchte wechselt von Rot auf Grün, und das Garagentor setzt sich in Bewegung. In dem Raum geht von selbst Licht an, drinnen stehen eine Gefriertruhe und ein altes Ledersofa. »Sind Eintagsküken drin, in der Truhe. Was du sonst noch brauchst, musst du dir selbst besorgen. Strom ist hier, Wasser gibt’s draußen bei der Voliere.«

Sieht so aus, als hätte der alte Smolek an alles gedacht. Nur eine Sache versteht Lennart nicht. Was meint er damit, dass Cosmo arbeiten soll? Aber er traut sich nicht, nachzufragen.

»Ist das okay für dich?«

»Ja, klar, natürlich.« Eigentlich ist nicht alles klar, aber wie soll er den alten Falkner überhaupt ansprechen?

»Nicht so schüchtern, du kannst Harro zu mir sagen. Ich hab deinen Vater gut gekannt, seine Eltern hatten damals den Schrebergarten neben meinem.« Er zieht ein Foto aus der Brusttasche und reicht es Lennart. »Behalt das, ich will eh ausmisten.«

Das Foto ist so vergilbt, als wäre es jahrelang dem Licht ausgesetzt gewesen. Es zeigt einen Jungen, nur mit Badehose und einem viel zu großen Lederhandschuh bekleidet. Er hält einen Wüstenbussard auf der Faust, streckt stolz die Brust heraus und strahlt über das ganze Gesicht.

»Mein Vater?« Lennart kann es kaum glauben.

Harro nickt. »Hat mir sehr leidgetan«, sagt er leise und lässt das Garagentor runterfahren. »Komm, ich zeig dir das Außengelände.«

Sie gehen zu einer schweren Metalltür, und wieder gibt der Alte eine Nummer ein. »Heißt ja nicht umsonst My Guard Storage«, erklärt er, »die sind hier sehr auf Sicherheit bedacht.«

Die Sonne blendet, als die Tür aufgeht. Vor ihnen liegt eine freie Fläche, es riecht nach Asphalt. Das Grundstück wird nach allen Seiten durch eine Mauer begrenzt, weit hinten stehen mehrere Container, rechts vor der Mauer gibt es drei Volieren. Große Drahtkäfige, sie sehen professionell aus und haben im hinteren Teil geschlossene Rückzugsräume für die Vögel. Lennart ist auf einmal erleichtert, bei dem Gang durch die Hallen hat er schon befürchtet, Cosmo müsste in einem geschlossenen Raum untergebracht werden, womöglich in einer der Garagen.

Aber diese Volieren sind perfekt, sie sind sogar noch größer als die in der Auffangstation seines Vaters. Vorne haben sie ein Edelstahlgitter mit einer Tür, alles wirkt stabil und sicher, Licht und Luft können ungehindert hinein.

Zwei Käfige sind leer, in der linken Voliere sitzt eine Schnee-Eule. Sie wirkt ein bisschen zerrupft und hat nur ein Auge geöffnet.

»Sag jetzt nichts«, brummt Harro, »das ist Berta. Die hatte ich schon, da hat Harry Potter noch am Daumen genuckelt.«

Diesmal kann Lennart über den Witz grinsen.

»Ist das alles?«, fragt er.

»Was meinst du?«

»Sie wollen Falkner sein? Mit einer alten Schnee-Eule?«

»Die anderen sind tot. Hat keinen Sinn mehr, sich neue anzuschaffen. Die Tiere würden mich überleben, und was würde dann aus ihnen?« Harro zeigt auf das Dach der Halle, aus der sie gerade gekommen sind. »Machen sich ganz schön breit, die verdammten Tauben, aber jetzt haben wir ja einen Jäger.«

In seinem gesunden Auge blitzt Jagdfieber auf. »Nimm ihm doch die Haube runter.«

Lennart zieht dem Falken die Lederhaube ab, sofort dreht Cosmo den Kopf in den Wind und schüttelt das Gefieder zum Zeichen, dass er bereit ist für die Jagd. Das also ist sein neues Revier.

Harro betrachtet ihn mit Kennerblick und versucht, ihm die Füße zu kraulen, aber Cosmo hackt sofort nach ihm. »Schönes Tier. Eine Nachzucht?«

»Wir haben ihn als Jungtier verletzt bekommen, er war nicht beringt.«

Der Alte stößt einen Pfiff aus. »Ein Wanderfalke aus der freien Natur! Du hast ihn von Anfang an?«

Lennart nickt. »Wir haben versucht, ihn auszuwildern. Hat nicht geklappt.«

»Wir müssen ihn auf mich anmelden, du bist noch zu jung.«

»Schon klar.« Natürlich weiß Lennart, dass er offiziell gar keinen Falken halten darf. Er hat weder den Jagd- noch den Falknerschein, beide kann man erst mit sechzehn machen. In der Auffangstation war das kein Problem, es war jederzeit ein Anleiter da.

Harro öffnet die Voliere und geht hinein. »Wir müssen ihn erst mal ans Gelände gewöhnen.«

Lennart weiß, was er meint. Eine neue Umgebung ist immer ein Risiko. Wenn die Tiere in der Luft sind, entscheiden sie jedes Mal eigenständig, ob sie zum Falkner zurückkommen wollen. Doch sie müssen den Weg auch finden.

Der Alte kommt mit der Langleine, aber Lennart schüttelt den Kopf. »Das ist er nicht gewohnt, er fliegt nur von der Faust.«

»Okay, du bist der Chef, es ist dein Risiko.« Harro zieht seinen Handschuh über, schnappt sich zwei Eintagsküken und geht los. Nach knapp zwanzig Metern dreht er sich um und hebt die Hand mit dem Futter. »Dann lass ihn mal fliegen, Jungfalkner!«


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+++ Auslesung Kameradrohne XE27 erfolgreich + Registrierung 2 Personen und 1 Vogel + Identifizierung 1 Person erfolgreich + autorisierte Person HM01harrosmolek + 1 Person unbekannt + Identifizierung eingeleitet + kein unbefugtes Eindringen vermutet + Vogelerkennungssoftware aktiviert + Vogel erfolgreich identifiziert als WFCm2014 + Kontrolle empfohlen + Alarmstufe 2 +++

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