Читать книгу Operation Terra 2.0 - Andrea Ross - Страница 10
ОглавлениеZwischen Tiberia und Mars, KINZeit: 13.5.15.15.0, Samstag
In den frühen Morgenstunden brach der Raumfrachter Deep Red Planet planmäßig gen Mars auf, um ein ehrgeizi ges MarsformingProjekt zu starten. Unmengen von Material, Verpflegung und Ausrüstung sollten dorthin transportiert werden, damit schon in Kürze das erste Habitat bezogen und mit der langwierigen Arbeit begonnen werden konnte. Der Zeittunnel war stabilisiert; er reichte bis zu einer hüge ligen Stromtalregion auf der staubtrockenen Marsoberfläche, die die nichts ahnenden Wissenschaftler auf Terra als ChryseBecken bezeichneten. Der Frachter würde den Roten Planeten selbstverständlich von der erdabgewandten Seite her ansteuern, damit er für die Hochleistungsteleskope der neuen Generation unsichtbar blieb.
Leider musste später auch bei Arbeiten auf der Oberfläche jederzeit mit neugierigen Blicken gerechnet werden, denn die ehrgeizigen Wissenschaftler Terras entwickelten ihre, im Augenblick reichlich dilettantische, Technik stetig weiter. Noch durften sie aus taktischen Gründen nichts darüber erfahren, was auf ihrem Nachbarplaneten vor sich ging. Tarnung war somit unabdingbar.
Nach der terrestrischen Zeitmessung schrieb man am Tag des Aufbruchs von Tiberia den 22. Februar des Jahres 2127. Die Reise mit Warp-Geschwindigkeit ging jedoch in die Vergangenheit des Mars zurück. Am Ende der künstlich generierten Raumzeitkrümmungszone galt deswegen, jedenfalls nach dem gregorianischen Kalender, das Datum 10. Oktober 2016.
Wieder einmal hatten Tiberias Regenten beschlossen, posthum bahnbrechende Ereignisse in der Vergangenheit zu lancieren, um den leblosen Planeten Mars in der tiberianischen Ist-Zeit bereits neu besiedeln zu können. Ein überaus ehrgeiziges, aber durchaus machbares Projekt, an dessen Gelingen insbesondere der amtierenden Regentin Alanna extrem viel lag. Sie lebte – wie üblich – unverhohlen ihre Egozentrik aus, wollte sich ein unvergängliches Denkmal setzen, indem sie ›ihr‹ Volk wieder in die alte Heimat zurückführte.
Der Frachtraum vibrierte, als die Deep Red Planet kontrolliert durch den, mithilfe dunkler Materie erschaffenen, Zeittunnel schlingerte. Zwei verliebte Tiberianer saßen eng aneinandergeklammert in einem blauen UniblockKlappbehälter, der um ihre Körper herum üppig mit Decken, Wasserbehältern und haltbaren Lebensmitteln ausgepolstert war. Nur wenige Habseligkeiten hatten sie von ihrem Heimatplaneten Tiberia mitnehmen können, obwohl es sich hier definitiv um eine Reise ohne Option zur Wiederkehr handelte.
Zum allerersten Mal flogen Kalmes und Solaras ohne wissenschaftlichen oder kulturellen Auftrag in das ferne Sonnensystem; niemand ahnte indes, dass sie sich in der verregneten Nacht vor der Abreise heimlich an Bord geschlichen hatten. Die Liebenden befanden sich auf der Flucht, und zwar vor Intoleranz, Revolten und einer jählings aufkeimenden Diktatur, die ihnen während der letzten TUNs schier jede Lebensgrundlage unter den Füßen weggezogen hatte.
Ihr Endziel war allerdings nicht der Mars, sondern vielmehr das benachbarte Terra, wo sie im Rahmen der Operation Terra 2.0 lange Zeit als Maria Magdalena und Jesus von Nazareth gelebt und gelitten hatten. Auf diesem vertrauten blauen Planeten hofften sie nun, inkognito, Ruhe und Frieden zu finden – und zwar zusammen, als Paar. Genau das hatte man ihnen auf Tiberia verwehrt.
Schon nach wenigen Minuten stöhnte Kalmes laut auf, weil ihr die Vibrationen im Zeittunnel körperlich stark zusetzten. Der mit Plantolaan verkleidete Laderaum des Frachters war hinsichtlich solcher Einflüsse natürlich viel weniger gut abgedämmt als die Fluggastzelle und das Cockpit, denn diese für Menschen vorgesehenen Bereiche verfügten über äußerst leistungsfähige Schwingungsdämpfer und Spezialsitze zum Schutz der Wirbelsäule.
Man ging auf Tiberia nicht ernsthaft davon aus, dass jemand derart unvernünftig sein könnte, im Laderaum mitzufliegen – was allerdings den Vorteil barg, dass dieser vor dem Abflug nicht allzu intensiv auf blinde Passagiere kontrolliert worden war. Ein Scanner überprüfte lediglich jeden Behälter automatisch darauf, ob explosive Substanzen oder elektronische Störgeräte an Bord gelangten. Vor möglicher Sabotage war man auch auf Tiberia nicht gefeit.
Gleichwohl glaubten Kalmes und Solaras mit hinreichender Sicherheit zu wissen, dass man die beschwerliche Reise trotz aller Unannehmlichkeiten zumindest überleben konnte, weil ihr ehemaliger Missionskollege Balthasar vor einiger Zeit auf dieselbe Art und Weise nach Terra gelangt war. Die eindeutigen Spuren, die man damals hinter der Innenverkleidung im Frachtraum des Gleiters gefunden hatte, ließen darauf schließen, dass er nach der Landung noch gelebt und sich auf seinen eigenen Füßen von dannen gemacht haben musste.
Während Kalmes sich würgend in ein dafür vorgesehenes Behältnis erbrach, klammerten sich Solaras‘ schlanke Finger schützend um einen grünen Stoffbeutel; er enthielt einen Holographen, der den außerirdischen Flüchtlingen quasi als VIPEintrittskarte in die terrestrische Gesellschaft dienen sollte.
Jemand, der die Bevölkerung vor einem bislang unentdeckten, herannahenden Asteroiden warnte, musste von den Menschen doch eigentlich mit offenen Armen empfangen werden
… hoffentlich!