Читать книгу Operation Terra 2.0 - Andrea Ross - Страница 15
ОглавлениеTerra/Mars, 13. August 2023 nach Christus, Sonntag
Thomas Maier hatte diesem Tag lange entgegen gefiebert. Seit ein unbemannter Marsrover im April 2020 in der CydoniaRegion ein unter dünnen Sandschichten verbor genes Bauwerk entdeckt hatte, das durch sein gigantisches Portal radioaktive Strahlung absonderte, hatte er die unscharfen Aufnahmen wieder und wieder betrachtet. Ganz in der Nähe lag schließlich jene Formation, die einst als Marsgesicht weltberühmt geworden war.
Sicherlich … es hatte sich beim Überfliegen im Rahmen der VikingMission herausgestellt, dass es sich höchstwahrscheinlich nur um einen auf merkwürdige Weise verwitterten Felsblock handelte, nicht etwa um ein steinernes Vermächtnis an die Nachwelt. Aber jetzt, nachdem man auf dem Mars die Spuren einer vergangenen Zivilisation entdeckt hatte, konnte man sich da wirklich noch so sicher sein?
Heute war es endlich so weit. LaSalle, Molina und zwei weitere Astronauten waren mit dem Marsfly, also Marsmücke genannten Gerät zu besagter Region geflogen. Das Ding erinnerte mit seinen ausfahrbaren Teleskopbeinen und dem länglichen Korpus tatsächlich ein wenig an ein Insekt, zumal die Oberfläche aus einer dunklen, matt glänzenden Titanlegierung bestand. Sie ähnelte einem Chitinpanzer. Schnell und wendig wie das Marsfly war, konnte man damit erheblich größere Entfernungen zurücklegen als mit dem Rover. Das Fluggerät fasste vier Personen und konnte zusätzlich einen Rover samt Zubehör transportieren.
Nun steuerte Pierre LaSalle mit seinen Kollegen an Tag vierzehn der AuroraMission die Marsgesicht getaufte Formation an. Sie näherten sich der fraglichen Erhebung behutsam von der dem Strahlungsleck abgewandten Seite. Maier wurde auf seinem Drehstuhl schon ganz hibbelig, und wie ihm ging es so einigen ESAAstronomen im Kontrollzentrum.
Sheila Taylor steuerte auf ihren Lebensgefährten zu, trug eine Papiertüte mit Fruchtplundertaschen vor sich her. »Deine verdiente Nervennahrung«, grinste sie.
»Hast nichts Wichtiges verpasst, sie steigen bislang noch nicht einmal aus«, sagte Maier elektrisiert. Er nahm kaum die rot geränderten Augen vom Bildschirm, griff aber trotzdem sofort nach der Tüte. Er wollte ja nicht riskieren, wieder wegen Unterzuckerung bewusstlos auf Campbells Ledercouch zu landen. Zweieinhalb Gebäckstücke mussten in Rekordzeit daran glauben, dann leckte er sich schmatzend die klebrigen Finger ab. Niemals hätte er freiwillig seinen Arbeitsplatz verlassen, um sich drüben im Toilettentrakt die Hände zu waschen. Sheila wusste das; sie reichte ihm fürsorglich eine Serviette, die sie extra in der Kantine mitgenommen hatte.
In einigen Millionen Kilometern Entfernung fuhr der Rover aufreizend langsam an den steilen Felswänden der Formation entlang. Die Astronauten suchten nach Anomalien, nach willkürlichen Strukturen, die Rückschlüsse auf ein verwittertes AlienBauwerk zuließen – falls es die überhaupt gab.
Maiers flinke Finger klapperten hektisch über die Tastatur seines Computers. Er zoomte in das Bild hinein, um ebenfalls einen Blick auf den Felsen zu erhaschen. Vergeblich – es wurde viel zu grobkörnig. Seufzend stellte er die vorige Einstellung wieder her.
Etwa eine Stunde später hatte die Marscrew die erste Seite der Erhebung abgesucht, jedoch nichts Auffälliges gefunden.
»Erbitten Anweisung, ob wir dieses Ding weiterhin umrunden sollen. Wenn ihr mich fragt, ist das tatsächlich nur ein verkrusteter Sandhügel, den Wind und Strahlung geschaffen haben. LaSalle, Ende«, schnarrte die Stimme des Missionsleiters aus der Soundanlage.
»Er soll weitersuchen«, kommandierte aus dem Hintergrund Jan-Hendrik Wendler. Alles andere hätte Maier allerdings auch kaum akzeptiert, was er sehr genau wusste. Maier nickte freudig, erteilte die Anweisung an LaSalle. Sheila, die momentan selbst gar keinen Dienst hatte, entfernte sich kopfschüttelnd. Ihr war die mutmaßlich sinnlose Aktion zu öde.
Eine Viertelstunde später setzte der Rover seine Fahrt fort. Maier glaubte an einen Ausfall des Vehikels, als es gleich darauf wieder stoppte. Nun stieg LaSalle aus. In seiner behandschuhten Rechten hielt er einen Pinsel, wie ihn die Archäologen auf der Erde zu benutzen pflegen. Er trat auf Armlänge an ein dunkler wirkendes Areal der Felswand heran und begann, eine Stelle mit dem Werkzeug zu bearbeiten. Rauf, runter, rauf, runter, hin und her … Maier hasste es, wenn der Kerl, wie jetzt, keinen Kommentar dazu abgab!
»Ich habe eine schnurgerade Rille gefunden! Ich lege sie frei. Mal sehen, wie weit sie sich verfolgen lässt. LaSalle, Ende«, ließ er endlich verlauten.
»Das habe ich gewusst!«, hauchte der bärtige Astronom tonlos und sprang von seinem Stuhl auf. Jetzt wurde es interessant.
Pierre LaSalle benötigte eine Weile, denn der rötliche Staub war teilweise sehr fest mit der Oberfläche verbacken, ließ sich nur schwer entfernen. Teilweise musste er Hammer und Meißel ansetzen, was die Bodencrew jedes Mal aufstöhnen ließ. Hoffentlich zerstörte er nichts Wichtiges …
Zwei Stunden später stand fest, dass es sich hier wiederum um ein riesiges Portal handelte. Es wies dieselbe Art von Öffnungsmechanismus auf, wie er auch an den Ausgängen der Lavaröhren des Olympus Mons angebracht war. Fünfundfünfzig Türsegmente verschlossen das Innere der Anlage nahtlos.
»Wow! Was uns jetzt noch fehlt, ist der passende Code. Ich kann mir ja kaum vorstellen, dass hier dieselbe Zeichenkombination wie beim letzten Mal passt. Das Ding ist erheblich größer, hat viel mehr Segmente«, sinnierte Thomas Maier laut.
»Wenn wir Glück haben, ist sie wieder irgendwo hinterlegt«, ließ sich Wendler vernehmen.
»Ja … falls wir Glück haben. Aber warum sollten die ehemaligen Marsbewohner ihre Bauwerke überhaupt erst mit Codes verschlossen haben, wenn sie dann diese hinterher öffentlich auslegten? Die Abschiedsbotschaft vor der Lavaröhre sollten spätere Besucher nach ihrem Willen finden, doch mit diesem Bauwerk – oder was immer da drin auf uns wartet – könnte es sich vollkommen anders verhalten. Ich möchte mir gar nicht ausrechnen, wie viele mögliche Kombinationen man hier ausprobieren müsste.«
Thomas Maier hasste es, wenn er seine eigene hochfliegende Erwartungshaltung dämpfen musste. Aber bei allem Enthusiasmus galt es, auf dem Boden der nackten Tatsachen haften zu bleiben.
»Trotzdem! LaSalle soll es erst einmal mit der alten Kombination versuchen, sobald er das EingabePad freigelegt hat«, beharrte Wendler hartnäckig und kratzte sich unter seinem spärlichen Haarkranz. Obwohl erst 39 Jahre alt, reichte ihm die hohe Stirn bereits bis zum Hinterkopf, wie die Kollegen sich gerne hinter vorgehaltener Hand amüsierten. Er wusste das. Sein Lieblingscredo, das er bei jeder Gelegenheit anbrachte, lautete deshalb: Wenn der Verstand kommt, müssen eben die Haare gehen. Selbstironie war der beste Weg, die Verarsche durch von der Natur begünstigtere Männer abzustellen.
Trotzdem, oft beneidete er Maier um seinen dichten Haarund Bartwuchs, der selbst die Augenbrauen buschig wuchern ließ. Schließlich hatte Thomas Sheila abbekommen, bei der er selbst vor sechs Jahren abgeblitzt war.
»Was habe ich dir gesagt? Funktioniert nicht!«, bemerkte der Haarige enttäuscht. LaSalle versuchte soeben trotz seines sperrigen Raumanzugs, mit den Achseln zu zucken.
Wendlers Augen blitzten plötzlich auf. »Wenn du Recht hast und dies ein kapitales Bauwerk wäre – müsste es dann nicht einen zweiten Eingang geben, oder sogar noch mehr davon? Vielleicht sollten wir zunächst danach suchen!«
Wie sich herausstellte, gab es insgesamt vier identische Portale, eines an jeder Seite des rechteckigen Komplexes. Und das an einer der Schmalseiten der Formation gelegene – welch ein Glück – war, offenbar durch einen Felssturz, beschädigt.
»Pierre, versuche bitte, das kaputte Segment ganz herauszunehmen. Vielleicht lassen sich dann die benachbarten widerstandslos zur Seite schieben!«, kommandierte Maier mit heiserer Stimme. »Wenn nicht, könnt ihr ein Stahlseil daran befestigen und versuchen, die Konstruktion mit dem Rover zum Einsturz zu bringen. Schließlich dürften die Elemente nicht fest miteinander verbunden sein, denn sonst würden sie sich wohl kaum nach einem festgelegten Muster verschieben lassen!«
Es fiel LaSalle und seinem Kollegen Molina erstaunlich leicht, die nötige Anzahl von Segmentplatten zu entfernen. Eine nach der anderen purzelte zu Boden, wodurch der feine oxidrote Staub mannshoch aufgewirbelt wurde.
»Super! Die Aliens haben eine extrem leichte Metalllegierung verwendet, eventuell sind die Platten innen sogar hohl. Seht mal, kinderleicht!«, freute sich LaSalle und vergaß glatt schon wieder die Funkdisziplin. Er balancierte ein ungefähr 90 x 80 Zentimeter messendes Segment auf einer Handfläche. Wendler runzelte missbilligend die Stirn.
»Soll ich die Anlage jetzt betreten? LaSalle, Ende.«
Thomas Maier ließ hörbar die Luft aus seiner Lunge entweichen. Natürlich sollte der Astronaut da hinein, nichts lieber als das! Aber er war sich seiner großen Verantwortung bewusst. Wer konnte schon wissen, ob sich dort drinnen nicht, ähnlich wie in den altägyptischen Grabanlagen, gefährliche Schimmelsporen oder Bakterien tummelten?
Klar, die Anzüge der Astronauten schirmten ihre Träger zuverlässig gegen so etwas ab. Aber man musste eben auch bedenken, dass sie bei ihrer Rückkehr auf die Erde fremdes, tödliches Material mit einschleusen könnten. Andererseits – wo wäre eigentlich der Sinn dieser Mission, wenn man dabei kein Risiko eingehen wollte? Dann hätte man sich den ganzen Aufwand genauso gut von vornherein sparen können. Nein! Es galt hier und heute, großartige Entdeckungen zu machen und die Menschheitsgeschichte neu zu schreiben.
Maier und Wendler sahen sich kurz an, und Wendler nickte verhalten. Er schien das genauso zu sehen.
»LaSalle, du hast grünes Licht. Geh hinein – aber um Himmels willen vorsichtig! Molina soll zunächst mit den Anderen draußen warten.«
Der Astronaut schaltete die Beleuchtung an seinem Helm ein, trat dann mit einem großen Schritt durch die zackige Öffnung ins Innere der Formation. Dort blieb er wie angewurzelt stehen. Zunächst schien er in der relativen Dunkelheit nichts erkennen zu können. Das durch die Öffnung einfallende Sonnenlicht und die Helmleuchte erhellten lediglich ein paar Meter um seinen Standort. Nur allmählich gewöhnten sich seine Augen an die schlechten Lichtverhältnisse. Er sagte etwas, doch auf der Erde kamen nur Störgeräusche an. Auch das übertragene Bild wurde unscharf, immer wieder wurde es durch schwarzweiße Schlieren verzerrt, bis schließlich gar nichts mehr zu erkennen war.
»Scheiße! Die verdammte Anlage schirmt anscheinend den Funk ab. Molina soll kurz reingehen und LaSalle informieren. Er muss alle Viertelstunde herauskommen und berichten, sonst bekommen wir kaum noch etwas mit! Und die Jungs sollen auf das Wetter achten. Sollte Sturm aufkommen, müssen sie unverzüglich abbrechen und im Marsfly Schutz suchen«, verfügte Jan-Hendrik Wendler. Thomas Maier gab die entsprechende Order durch, und Molina setzte sich gehorsam in Bewegung.
›Das Ganze ist ein wenig wie Schachspielen‹, dachte Maier, während sie voller Nervosität auf Javier Molinas Rückkehr warteten. ›Man verschiebt seine Figuren nach bestem Wissen, weiß aber zu Beginn des Spiels dennoch nicht ansatzweise, ob am Ende Schachmatt dabei herauskommt. Und in diesem Fall kennen wir noch nicht einmal das zugrunde liegende Schachbrett.‹
*
Der spanische Astronaut Javier Molina riss vor Erstaunen die Augen auf als er gewahrte, was sein Kollege da entdeckt hatte. Mit seinem überdimensionierten Pinsel legte der nämlich vorsichtig eine Art IntarsienBodenfliesen frei. Ach was, Bodenfliesen … es handelte sich um ein kompliziert konzipiertes, florales Muster in Rotund Grautönen, welches in regelmäßigen Abständen kleine Löcher aufwies. Der gesamte Fußboden der Halle schien mit demselben Material ausgelegt zu sein. Die meisten Areale wirkten intakt, waren allerdings mit einer dicken Staubschicht belegt. Aufgeregt eilte er nach draußen, um Bericht zu erstatten.
»Eine Halle? Womöglich gar ein Versammlungsort?«, keuchte Maier vor Entzücken. Auf seiner Stirn perlten trotz der kühlen Klimaanlagenluft dicke Schweißtropfen. Seine Mitarbeiter in der Marscontrol sprangen von ihren Stühlen auf, jubelten, umarmten sich gegenseitig. Niemals hätten sie erwartet, auf eine vergangene Hochkultur zu stoßen, die sich in grauer Vorzeit wohl planetenweit ausgebreitet hatte. Schon ein paar Bakterien hätte man zu Beginn dieser Reise zum Mars als Riesenerfolg gewertet. Aber das? Die AuroraMission war schon jetzt ein voller Erfolg.
In der Zwischenzeit stieß LaSalle drinnen auf eine Vorrichtung, die ihn stark an eine irdische Schalttafel erinnerte. Es gab Hebel und Touchpads. Wäre er auf der Erde gewesen, so hätte er ohne zu zögern hin gefasst. Vielleicht konnte man hiermit die Beleuchtung einschalten, auch wenn nirgends Leuchtmittel zu sehen waren, nicht einmal mit viel Fantasie. Es juckte ihn mächtig in den Fingern, aber dennoch ließ er Molina zuerst die Erlaubnis der Marscontrol einholen. So viel Zeit musste sein.
Maier signalisierte nach kurzer Rücksprache mit seinen Kollegen grünes Licht, aber nicht ohne eine Reihe von Mahnungen zur Vorsicht auszustoßen. LaSalle sollte die Tafel bedienen und Molina den Effekt filmen. Nach fünf Minuten Wartezeit waren Thomas Maiers Fingernägel allesamt bis zum Anschlag herunter gekaut. Dann plötzlich tat sich was im Inneren – ein heller, vielfarbiger Lichtschein fiel durch das Portal nach draußen.
»Oh mein Gott«, hauchte Wendler, der eigentlich alles andere als religiös war. »Die früheren Bewohner dieses Planeten müssen menschenähnlich gewesen sein, etwas anderes wäre kaum vorstellbar!«
Als LaSalle den ersten Hebel umlegte, erklang leises Summen wie von Elektrizität. Beim zweiten rumpelte etwas unter dem Fußboden, wobei er dieses Geräusch nicht einzuordnen vermochte. Dann berührte er mutig das erste Touchpad, zunächst ganz behutsam mit einem Finger seines gepolsterten Handschuhs.
Der Effekt ließ die beiden Astronauten vor Schreck zusammenzucken. Ein lautes Zischen ertönte, dann wirbelte der feine Staub in dünnen Fontänen vom Boden hoch. »Das ist eine verdammte Klimaanlage! Siehst du das? Es kommt Luft aus den kleinen Düsen im Boden. Ich wette, man kann irgendwo auch die Temperatur anpassen! Also, dass die Anlage noch funktioniert … Hut ab vor dieser Ingenieursleistung«, staunte Molina und filmte die Staubfontänen vor seiner Nase. Er vergaß vor lauter Aufregung glatt, hinaus zu gehen und seinen Bericht abzuliefern.
»Und jetzt den letzten Hebel!«
Indirekte Beleuchtung flammte auf, erhellte die Halle bis in den hintersten Winkel. Das Licht strahlte vom Boden ab. Anstatt opaker Fliesen hatte die fremde Zivilisation semitransparentes, glänzendes Material verbaut. Es wirkte fast wie farbiges Plexiglas. An der quadratischen Stelle, wo LaSalle den Boden blank gefegt hatte, war das deutlich zu erkennen.
Nun probierte der Missionsleiter die Touchpads aus. Langsam glitt sein Zeigefinger über die glänzende Fläche des ersten. Wie zu erwarten gewesen war, ließ sich mit den Pads die Feineinstellung der Anlage regeln. Eines war für die Helligkeit des Lichts zuständig, ein anderes für die Farbe. Zu LaSalles Begeisterung konnte man damit regelrecht spielen, die schönsten Farbtöne und Stimmungen erzeugen.
Auf einem dritten Touchpad war es möglich, jegliche Region der Halle durch Berührung auszuwählen und sie unterschiedlich einzufärben. Glänzende Spiegelplatten an der unregelmäßig strukturierten, etwa acht Meter hohen Decke brachen das Licht, warfen brillante Reflexe in den Raum zurück. Diese in den Fels geschnittene Halle war für eindrucksvolle Inszenierungen aller Art wie geschaffen. Wie viele Menschen mochte sie fassen? Fünfhunderttausend?
»Mit diesen beiden kann man bestimmt Lufttemperatur und die Stärke des Luftstroms anpassen. Und wofür sind diese vier größeren Pads hier unten wohl zuständig?«, schnarrte Molinas Stimme durch LaSalles Helm, riss ihn unsanft aus seinen Betrachtungen.
»Ich habe da so einen Verdacht. Die sehen genauso aus wie dasjenige am Eingang zur Lavaröhre. Vier Stück – also wird man damit wahrscheinlich die Portale von innen öffnen und schließen können. Ich lasse es jedoch lieber bleiben, denn eines davon ist ja beschädigt. Wir dürfen den Schaden nicht noch vergrößern.«
Während Molina die Kollegen der Bodenstation endlich aus ihrer angespannten Wartestellung erlöste, prüfte LaSalle in der Halle abschließend noch die Luftqualität.
»Das gibt es doch nicht«, flüsterte er ungläubig. »Dieses Ding sondert ganz normale irdische Atemluft ab! Wäre eines der Portale nicht kaputt und der Raum hermetisch abgeschlossen, könnte man hier drin problemlos ohne Helm atmen.«
*
Auf der Erde überschlugen sich die Theorien, Spekulationen sowie pure Freude über die Entdeckung der CydoniaHalle, wie man den Wahnsinnsfund mittlerweile getauft hatte. Während sich die Astronauten im Rover auf dem Rückweg zum Marsfly befanden, diskutierte sich die Belegschaft von Marscontrol die Köpfe heiß.
»Ich werde Wochen benötigen, bis ich das Gesehene glauben kann«, mutmaßte Wendler kopfschüttelnd. Die umstehenden Kollegen nickten ausnahmslos. »Wenn die Welt das zu sehen bekommt, werden die Verschwörungstheoretiker wieder behaupten, wir hätten alles nur inszeniert. Es ist ja auch schier unglaublich! Aber wo nimmt dieser Megakomplex eigentlich die Unmengen an Energie her, und weshalb funktioniert das System heute noch einwandfrei?«
»Ersteres kann ich zumindest theoretisch beantworten«, ließ sich ein Mitarbeiter namens Sirko Bobeček vernehmen. »Das Power Plant ganz in der Nähe ist noch funktionsfähig, jede Wette. Was dermaßen viel radioaktive Strahlung absondert, könnte auch in Betrieb sein.«
»Ach ja, du Schlaumeier? Dann müsste aber regelmäßig eine Schar Aliens hier aufkreuzen, um die Brennstäbe zu wechseln«, echauffierte sich Wendler und verschränkte die Arme. Er hasste unqualifizierte Kommentare.
»Nicht zwangsläufig«, mischte sich Maier ein. »Ihr habt doch in den letzten Tagen einen Vorgeschmack bekommen, wie weit die Technik dieser Spezies fortgeschritten ist. Ich denke, wir haben es hier mit einem Atomkraftwerk zu tun. Nur dass es die verbrauchten Brennstäbe womöglich vollautomatisch recycelt und wieder in Betrieb nimmt, insgesamt viel sparsamer arbeitet. Was weiß ich? Vielleicht ist dies auch auf der Erde die Zukunft. Anstatt der ewig währenden Endlagersuche zu frönen, könnte man den Atommüll einfach aufbereiten und wiederverwerten.«
»Himmel, das will ich doch nicht hoffen!«, warf Campbell ein. »Das würde ja bedeuten, dass auf der Erde niemand mehr aus der gefährlichen Atomkraft aussteigen möchte. Ihr seht ja, selbst hier hat es ein Strahlungsleck gegeben, wenn auch erst nach ungleich längerer Betriebsdauer.
Seid ihr euch überhaupt bewusst, welch hohe Verantwortung wir tragen? Ich darf hiermit nochmals an eure Verschwiegenheitserklärung erinnern. Nichts darf nach draußen dringen – es sei denn, über unsere Pressestelle! Und da werden wir klug zu selektieren wissen.«
Gegen Abend erzählte Thomas Maier seiner Lebensgefährtin Sheila mit leuchtenden Augen, was sie verpasst hatte. Die wollte ihren Ohren kaum trauen. »Dann hat die Sonde damals also doch ein Marsgesicht entdeckt«, sinnierte sie. »Es ist nur durch stetige Erosion ein wenig unkenntlich geworden.«
»Und wieso sollte die fremde Zivilisation sich die viele Arbeit machen und erst eine monströse Halle aus dem Fels schneiden, um sich oben drüber dann auch noch bildhauerisch zu betätigen? In diesen Dimensionen?«
Sheila grinste breit. »Männer! Null Fantasie, echt! Darf ich dich freundlich an Mount Rushmore erinnern? Einen praktischen Nutzen hat auch diese Formation nicht. Hier geht es um monumentale Symbole für die Ewigkeit. Außerdem könnte es im Fall des Marsgesichts möglich sein, dass es sich zur Zeit der Besiedlung des Planeten um eine Landemarke gehandelt hat. So erkennt man aus der Luft schon von weitem, wo die Halle liegt.«
»Touché«, brummte Maier.