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Der Letzte seiner Art

Edward „Ned“ Kynaston

Name: Edward „Ned“ Kynaston

Lebensdaten: etwa 1640–1712, wohl in London

Tätigkeit: „boy-player“

Besonderheit: letzter „boy-player“, männlicher Darsteller von Frauenrollen (vgl. A. Rottloff, Die Berühmten: Schauspieler. Von der Antike bis zur Renaissance, cf. Shakespeare)

Seit dem Mittelalter war es Frauen in vielen Teilen Europas verboten, auf der Bühne aufzutreten. England war das Land, das dieses Verbot am längsten aufrechterhielt und so eine eigene Schauspieler-Gattung entstehen ließ: Die sog. boy-player, junge Männer, die vorwiegend Frauenrollen spielten (z. B. in den Stücken William Shakespeares). Ned Kynaston ist der letzte uns bekannte boy-player.

Was hat ihn berühmt gemacht?

Über seine Herkunft wissen wir so gut wie nichts, er tritt uns erst als junger Schauspieler auf den Londoner Bühnen vor Augen. Spezialisiert auf Frauenrollen, die er „besser als jede Frau“ verkörperte, wurde er von seinem Publikum gefeiert, vor allem wegen der Eleganz, mit der er das kanonisch vorgegebene Gestenrepertoire einer „Frau“ auf die Bühne brachte. Seine Glanzrolle war die Desdemona in Shakespeares Othello, wo er nach „ihrer“ Sterbeszene minutenlangen Szenenapplaus erhielt, wie wir aus dem minutiös geführten Tagebuch des englischen Chronisten Samuel Pepys wissen. Dieser nannte ihn „die hübscheste Frau, die er je in seinem Leben gesehen hatte“, auch wenn er „ihre Stimme“ als nicht sehr wohlklingend schalt. Es war dabei völlig selbstverständlich, dass die Zuschauer, und eben auch Pepys, die dargestellte weibliche Figur auch als Frau wahrnahmen und deshalb immer „sie“ sagten oder schrieben.

Doch Kynaston spielte ebenso männliche Rollen, wenn das gewünscht war und manchmal auch abwechselnd weibliche und männliche Charaktere im selben Stück in täglichem Wechsel. Sein Publikum war sich zeitweise nicht völlig im Klaren über sein wahres Geschlecht und seine Sexualität, da er sowohl weibliche als auch männliche Eigenschaften in sich vereinigte. Ob er tatsächlich bi- oder homosexuell war, entzieht sich unserer Kenntnis. Gerüchte sagten ihm jedoch Affären, u. a. mit dem Herzog von Buckingham, nach.

Um 1660 wurde es englischen Frauen schließlich per Gesetz erlaubt, auf der Bühne aufzutreten und die Tage der boy-player waren gezählt. Niemand wollte sie mehr sehen und so verkörperte Kynaston endgültig nur noch männliche Charaktere, die er sicher ebenso gut beherrschte wie weibliche. Der gleich zu besprechende Film Stage Beauty zeigt im Gegensatz dazu das Scheitern des Schauspielers an männlichen Rollen. Er zog sich 1699 von der Bühne zurück und blieb noch lange als Shakespeares Heinrich IV. in Erinnerung.

Was bleibt?

Ned Kynaston wäre sicherlich schon lange vergessen, hätte nicht im Jahr 2004 Richard Eyre seine fiktive Lebensgeschichte im Film Stage Beauty auf die Leinwand gebracht. Während das Londoner Theaterleben des ausgehenden 17. Jhs. anschaulich geschildert ist, so ist Kynastons Biografie größtenteils fiktiv. Wir wissen nicht, ob sich er und die mutmaßlich erste Frau auf der englischen Bühne, Margaret Hughes, trafen, einander halfen und sich schließlich gar ineinander verliebten. Die Verzweiflung des Film-Kynaston, keine männlichen Rollen spielen zu können, ist sicher eine dramaturgische Erfindung, zumal der echte Ned schon immer beide Geschlechter auf der Bühne dargestellt hatte. Und das furiose Othello-Finale ist zwar mitreißend inszeniert, aber für das 17. Jh. absolut anachronistisch: Entsprechend naturalistischer Schauspielstil begegnet nicht vor dem 20. Jh.

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