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Der zeitlose Farceur

Molière

Name: Jean-Baptiste Poquelin, Bühnenname ab 1643/44 „de Molière“

Lebensdaten: wohl 14. Januar 1622 in Paris – 17. Februar 1673 ebenda

Genre: Komödienautor und -schauspieler, Theaterdirektor

Besonderheit: erzielte große Erfolge mit sozial- und kirchenkritischen Komödien

Neben Shakespeare gehört Molière zu den ununterbrochen bis heute aufgeführten Dramatikern der frühen europäischen Theatergeschichte. Die Themen seiner Stücke sind – obwohl fast 500 Jahre alt – von zeitloser Bedeutung und Attraktivität. Aber Molière war nicht nur Autor, er war auch sein eigener Hauptdarsteller, denn fast alle seiner legendären Figuren wie Tartuffe, den Menschenfeind oder den Geizigen hat er selbst gespielt. So stand er bis kurz vor seinem Tod 1673 als eingebildeter Kranker auf der Bühne – dabei war er selbst, nach einem Leben für das Theater, todkrank.

Wer war das?

Molière wurde als erster Sohn eines königlichen Innenausstatters (Tapissier du roi) im Pariser Hallenviertel geboren, das er schon früh als Ort für seine Milieu- und Menschenstudien nutzte. Angeblich ist er bereits als Kind mit seinem Großvater ins Theater gegangen, leider gibt es hierfür keinerlei schriftliche Zeugnisse. Er erhielt seine umfangreiche klassische Bildung an einer Jesuitenschule, wo er auch „theatertaugliche“ Dinge wie Fechten und Rhetorik erlernte. Er studierte später Jura und arbeitete möglicherweise kurzzeitig als Anwalt. Währenddessen unternahm er ein ausgedehntes Selbststudium zur Weiterbildung, etwa in Naturkunde und Philosophie – er studierte und übersetzte die Schriften des antiken Autors Lukrez. Daher stammt auch seine kirchenkritische Haltung, die ihm in seinem späteren Berufsleben noch einigen Ärger einbringen sollte. Außerdem nahm er Unterricht beim berühmten italienischen Komödianten Tiberio Fiorelli, genannt Scaramouche.


Das Grab Molières auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris.

Als ältester Sohn hätte Molière eigentlich seinem Vater in den Beruf nachfolgen sollen und hatte bereits mit 15 Jahren den Amtseid abgelegt. Daran hatte er aber in Wahrheit wenig Interesse, sodass er 1643 das Amt auf seinen jüngeren Bruder übertrug, denn Hofämter waren käuflich und übertragbar. Er gründete stattdessen, mithilfe des Geldes aus dem Erbteil seiner Mutter, zusammen mit seiner um drei Jahre älteren Gefährtin Madeleine Béjart die Theatergruppe Illustre Théatre, machte aber schon zwei Jahre später Bankrott. Er wurde sogar in Schuldhaft genommen, kam aber auf Kaution wieder frei und bezahlte in den folgenden 20 Jahren seine Schulden ab. Die nachfolgenden Jahre tourten er und seine Theatertruppe durch die französische Provinz und kamen dabei bis Südfrankreich. Molière wurde zum Impresario der immer erfolgreicher werdenden Truppe, die neben klassischen Stücken vor allem Farcen und Komödien im Stil der Commedia dell’Arte, der italienischen Volkskomödie, aufführte. Ab 1655 schrieb er erste eigene Stücke, die das Ensemble in sein Programm aufnahm.

Madeleine und Armande – Wichtige Frauen in Molières Leben

Schon als junger theaterbegeisterter Mann hatte Poquelin Madeleine Béjart (1618–1672) kennengelernt, die aus einer Theaterfamilie stammte und schon als Schauspielerin erfolgreich war. Sie bestärkte ihn in seinem Wunsch, Schauspieler und Bühnenautor zu werden und begleitete ihn über Jahre auf seinem Weg zum Erfolg. Natürlich wurde darüber getuschelt, ob sie auch seine Geliebte sei oder nur anderen „Mäzenen“ zugetan war. Ihre mutmaßliche Tochter Armande (1642–1700) wurde genau dann geboren, als beider Zusammenarbeit begann. War sie die leibliche Tochter Molières? Oder die des Herzogs von Modena, der sie als sein Kind anerkannte? Oder aber war sie gar Madeleines kleine Schwester, geboren kurz vor dem Tod des alten Béjart? Leider sind keine entsprechenden Schriftquellen darüber erhalten. Endgültig zum Skandal wurde dieses Dreiecksverhältnis jedoch 1662, als Molière die 20 Jahre jüngere Armande, die er mit aufgezogen hatte, zur Frau nahm. War das eine bewusste Brüskierung der langjährigen Gefährtin Madeleine? Oder aber gerade von dieser inszeniert, um Molière von den vielen anderen attraktiven Schauspielerinnen und Verehrerinnen fernzuhalten, die ihn umschwirrten? Belegt ist jedenfalls, dass diese Ehe nicht wirklich glücklich wurde; der vorzeitige Tod der beiden Söhne noch im Kindesalter trug sicherlich dazu bei. Trotz allem wurde Armande Béjart Alleinerbin Molières und betrieb die Verwaltung seines Erbes ernsthaft, wozu auch die Drucklegung und Wiederaufführung seiner Werke gehörte.

Was hat ihn berühmt gemacht?

Nach dreizehn Jahren „auf Tour“ durch Frankreich kehrten Molière und seine Truppe 1658 nach Paris zurück und kamen mit dem Hof Ludwigs XIV. in Kontakt. Dessen Bruder Philipp von Orléans wurde zum ersten Gönner der Truppe. Der erste große Erfolg stellte sich mit der Komödie Der verliebte Arzt ein. Molières Theaterstücke waren sozialkritisch und zeigten oft Karikaturen des Hoflebens und der Höflinge (wie z. B. Die lächerlichen feinen Damen), aber auch der Spießbürger und allgegenwärtigen Emporkömmlinge, der Quacksalber und Scharlatane, denen er aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit nur zu oft selbst ausgeliefert war. Kernthema war oft das moralisch richtige Verhalten, aber auch harsche Kritik an der Kirche und den „Frömmlern“ wurde geäußert, die besonders im Kreis um die Königinmutter, Anna von Österreich, versammelt waren und jede Neuerung ablehnten. Dies brachte ihn in große Gefahr – während ihm einige Kritiker „nur“ Prügel oder Exkommunikation androhten, musste Molière zeitweise sogar damit rechnen, als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden – eine Praxis, die im Paris des 17. Jhs. noch ab und zu vorkam und somit eine ganz reale Gefahr darstellte. Abgesehen davon boykottierten seine Gegner die Aufführungen – etwa des Tartuffe –, sodass die Theatertruppe um Molière zeitweise kaum genügend Geld zum Überleben einnahm. Dazu kam, dass er sich von Zeit zu Zeit auch an Tragödien versuchte, einem Genre, das ihm überhaupt nicht lag und dementsprechend zu Misserfolgen führte. Seiner Zeit voraus war Molière auch mit den Komödien der Schule der Frauen und Schule der Ehemänner – sollte man einer Frau eine gewisse Bildung zugestehen oder nicht? Er thematisiert in den Stücken das Problem der älteren Ehemänner und ihrer jüngeren Frauen und vielleicht hat er hier auch eigene Erfahrungen aus seiner Ehe mit Armande verarbeitet. Er ist jedenfalls für eine gemäßigte Emanzipation und das Recht auf Liebesheirat – beides ein Unding zu damaliger Zeit.

Der König tanzt

Lange Zeit war Molière ein Günstling des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV., dem seine Truppe immer wieder Sondervorstellungen gab und ihn auf Reisen oder zur Jagd begleitete. Ludwig, der schon als Knabe großes Talent für das Ballett gezeigt hatte, ließ es sich nicht nehmen, in den Comédie-Ballets Molières aufzutreten – allerdings nur bei Hofe und im Kreise seiner ebenfalls tanzenden Höflinge. Für die Aufführung derselben Stücke in der Stadt Paris musste Molière Umbesetzungen vornehmen, häufig die Ballettstücke kürzen und auch selbst ab und zu die Hauptrolle übernehmen. Das bedeutet nicht, dass der König nur in Hauptrollen auftrat – manchmal wählte er auch eine besondere Nebenrolle für sich aus, wobei aber der Hof immer wusste, hinter welcher Maske er sich versteckte – sicher auch, weil die königlichen Partien mit einer charakteristischen repräsentativen Musik unterlegt waren.

Molière wurde schließlich zum „Vergnügungsdirektor“ des Königs mit entsprechender Honorierung in barer Münze sowie dem Ehrentitel „Truppe des Königs“ für seine Theatergruppe ausgezeichnet. Eines seiner nächsten Projekte, der Tartuffe, sollte ihn die kommenden Jahre bis zu seinem Tod beschäftigen. Da das Stück über einen verschlagenen Hochstapler, der sich als frommer Kleriker ausgibt, auf großen Widerstand von Seiten der Kirche und der „Frömmler“ stieß, wurde es vom König verboten, der sich über mehrere Jahre hinweg weigerte, dieses Verbot wieder aufzuheben. Nichts half – Bittgesuche, Umschreiben des Stückes und Umbenennung der Hauptfigur, Aufführung einer Kurzfassung unter anderem Titel. Erst 1669 war es nach dem Tod der Königinmutter und der Entmachtung ihrer Günstlinge möglich, das Stück ungehindert aufzuführen – mit riesigem Erfolg.

Was bleibt?

Trotz seines phänomenalen Erfolgs musste Armande nach Molières Tod bei mehreren Pfarreien vorstellig werden, bevor sie ihren verstorbenen Gatten mit allen kirchlichen Riten bestatten konnte – und auch dann noch mit der Auflage, keine Massenveranstaltung daraus werden zu lassen. Dennoch folgten Hunderte Fans mit brennenden Fackeln dem Sarg, der später in ein Hochgrab auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise umgebettet wurde.

Schon seine Zeitgenossen verglichen Molière mit den bedeutendsten antiken Dramatikern wie Plautus oder Terenz, wie die von La Fontaine formulierte Grabinschrift beweist:

„In diesem Grab liegen Plautus und Terenz und dennoch liegt allein Molière hier. Die drei Talente bildeten nur einen Geist dessen schöne Kunst ganz Frankreich erfreute.“

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