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Die personifizierte Tragödie

Sarah Siddons

Name: Sarah Kemble, verh. Siddons

Lebensdaten: 5. Juli 1755 in Brecon/Wales – 8. Juni 1831 in London

Genre: Tragödin, Shakespeare-Schauspielerin

Besonderheit: geschäftstüchtige und dem Geld nicht abgeneigte Darstellerin; erster „Superstar“ des englischen Theaters

Wurden männliche Schauspieler ab eines gewissen Ranges mit dem antiken Mimen Roscius gleichgesetzt, so wurden weibliche Darstellerinnen als Verkörperungen der Musen gesehen. Melpomene, die Muse der Tragödie, wurde im 18. Jh. von niemandem so repräsentiert wie von Sarah Siddons. Sie war einer der ersten veritablen „Stars“ der Bühnenwelt, voller Charisma und Entschlossenheit, Schönheit und Extravaganz.

Wer war das?

Sarah Siddons entstammte der berühmten Schauspielerdynastie der Kembles: Sowohl ihre Eltern als auch fünf ihrer Geschwister traten auf der Bühne auf, oftmals als Partner ihrer berühmten Schwester. Die Familie war so beliebt, dass man das England des späten 18. Jhs. das „Zeitalter der Kembles“ nannte. Sarah selbst debütierte mit 11 Jahren als Luftgeist Ariel in Shakespeares Sturm. Aus jugendlicher Verliebtheit heiratete Sarah mit 18 Jahren ihren Schauspielkollegen William Siddons, mit dem sie sieben Kinder bekam, die teilweise ebenfalls bereits als Kinder auf der Bühne standen. Doch die Ehe war nicht glücklich und Sarah sollte fünf ihrer Kinder überleben. Von ihrem Mann, der zeitweise als ihr Agent und Manager gearbeitet hatte, trennte sie sich schließlich. 1812 nahm sie ihren Abschied von der Bühne, trat aber dennoch hin und wieder in Sondervorstellungen auf.

Oftmals kam sie erst nachdem ihre Familie zu Bett gegangen war dazu, die Rolle(n) für den nächsten Tag einzustudieren – und manchmal, besonders in ihren jungen Jahren, führte das zu schlechten Kritiken. So hatte sie beispielsweise im Alter von 20 Jahren versucht, über Nacht die Rolle der Lady Macbeth zu lernen – das war natürlich unmöglich. Sie sollte in diesem Part erst Jahre später triumphieren, allerdings so sehr, dass nachfolgende Schauspielerinnen wie Ellen Terry ihr Skript mit Randnotizen versahen, wie „Mrs. S.“ einstmals die Rolle gespielt hatte.


Sarah Siddons als Euphrasia in The Grecian Daughter von Arthur Murphy, 1782.

Was hat sie berühmt gemacht?

Zu ihrem ersten Londoner Engagement 1775 wurde sie von David Garrick für das Drury Lane Theater angeworben, der sie aber wieder in die Provinz schickte, nachdem sie aufgrund familiärer Probleme – sie hatte kurz zuvor ein Kind geboren – versagte. Zu allgemeiner Unerfahrenheit war die Schwäche nach dem Kindbett gekommen, doch das Publikum war unerbittlich. Ihren zweiten, dann erfolgreichen Londoner Auftritt sieben Jahre später sollte der große Garrick dagegen nicht mehr erleben.

Sarah Siddons war die perfekte Interpretin von Shakespeares tragischen Heldinnen – bei einer Aufführung von Macbeth war das Publikum so begeistert von ihrer Lady Macbeth, dass es den Fortgang des Stückes nach der Schlafwandelszene verhinderte. Sie galt als „Muse der Tragödie“ (= Melpomene), das Publikum verehrte sie wie eine Göttin. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Tragödie bisher als „männliche“ Gattung galt, die Komödie aber als „weibliche“ – Siddons war also die erste, die diese Typisierung aufgrund ihres Talents umkehrte. Als Melpomene wurde sie auch von den besten Malern ihrer Zeit verewigt: Thomas Gainsborough oder Joshua Reynolds sind darunter die bekanntesten. Typisch sind etwa Porträts, bei denen die Tragödie durch einen von Siddons in der Hand gehaltenen Dolch oder eine tragische Maske symbolisiert wurde, wie etwa bei dem Porträt von William Beechey in der National Gallery in London. Wichtige komische Rollen übernahm sie dagegen gar nicht erst – so spielte sie die Katharina in Der Widerspenstigen Zähmung nur in der von Garrick adaptierten Fassung, nicht in Shakespeares Originalversion. Beatrice, Titania oder Viola hat sie nie verkörpert, denn diese Rollen lagen weder ihr noch ihrem Publikum und wurden daher nur selten gespielt.

Sarah Siddons war angeblich nicht nur gierig nach Applaus, sondern auch nach Geld. Ihr unfähiger Ehemann verdiente selbst nichts – steckte sie dafür aber als Folge seiner „Wanderungen“ mit Syphilis an –, sodass sie, sogar als sie hochschwanger war, in Rollen auftrat, die dafür überhaupt nicht geeignet waren, wie z. B. die der Lady Macbeth, nur um das Honorar „mitzunehmen“. Eine Karikatur zeigte sie denn auch als Muse der Tragödie, die sich nach einem in der Höhe aufgehängten Geldbeutel reckt. Dabei war sie schon gut dotiert: Hatte sie als Anfängerin 3 Pfund in der Woche verdient, erhielt sie auf der Höhe ihres Ruhmes 50 Pfund pro Abend plus Bonus! Das änderte jedoch nichts daran, dass sie auch weiterhin vor allem aus finanziellen Gründen auftrat – daher ihr Spitzname „Lady Sarah-Save-all“ (in etwa: Lady Sarah-nimm-alles).

Selbst in hohem Alter trat sie noch auf und nicht nur die Kritiker waren reihenweise der Meinung, sie hätte es bei ihrem einstmaligen Rücktritt von der Bühne belassen und ihrem Publikum die guten Erinnerungen erhalten sollen. „Hat sie nicht genug Ruhm geerntet?“ fragte ein Kritiker. Sarah Siddons starb schließlich 1831.

Hamlet als Hosenrolle?

Siddons war die erste Frau, die die Rolle des Dänenprinzen spielte – nach ihr kamen weitere wie Sarah Bernhardt, Adele Sandrock, Asta Nielsen, Judith Anderson, Diane Venora und Angela Winkler. Erst in moderner Zeit wird Hamlet öfters mit einer Frau besetzt, im 18. Jh. war das eine Sensation. Und noch im Jahr 1900 hatten (männliche) Kritiker nur üble Häme für das „Experiment“ der Sarah Bernhardt übrig, dieser Rolle eine neue Dimension zu verleihen, „der Rolle des Hamlet die Männlichkeit zu nehmen“. Siddons erhielt jedoch erstaunlich positive Kritiken dafür. Der junge, androgyne Hamlet eignet sich gut als Hosenrolle, selbst wenn Siddons für diesen Part eigentlich schon zu alt war und auch nur in der Provinz auftrat; vielleicht um den direkten Vergleich mit ihrem Bruder John Philipp Kemble zu vermeiden, der ebenfalls in dieser Rolle brillierte.

Anlässlich der Hamlet-Inszenierung soll Siddons sich in den Darsteller des Laertes, der zugleich auch ihr Fechtlehrer für die Rolle war, verliebt und mit ihm seine Ehefrau betrogen haben. Das führte zu einer Schmutzkampagne, die ihr lange nachhing. Inzwischen war sie – wohl durch die verschiedenen körperlichen Probleme – von Laudanum abhängig geworden, ein Umstand, der zu weiteren Gerüchten führte, ebenso wie andere erfundene oder wahre Liebesaffären wie mit dem Maler Thomas Lawrence, der außerdem auch mit zwei ihrer Töchter unglücklich liiert war und angeblich zumindest am frühen Tod der einen mitschuldig.

Was bleibt?

Als Joseph Mankiewicz 1950 All about Eve/Alles über Eva mit Bette Davis drehte, die Geschichte einer überehrgeizigen Schauspielerin, erfand er die fiktive Auszeichnung des Sarah Siddons Awards. Nur zwei Jahre später wurde dieser Preis tatsächlich vergeben, denn wer wäre treffender als Namengeberin für einen Tragödinnenpreis als Sarah Siddons?

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