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ОглавлениеOthello und Opossum
Ira Aldridge
Name: Ira Frederick Aldridge
Lebensdaten: 24. Juli 1807 in New York City – 7. August 1867 in Lodz/Polen
Genre: Bühnenschauspieler in Tragödie und Komödie
Besonderheit: erster farbiger Schauspieler, der in Shakespeare-Rollen brillierte
Was tut ein schwarzer Amerikaner, der ernsthafter Schauspieler werden und nicht nur dem Sklaven-Klischee auf der Bühne entsprechen will? Er verlässt sein Heimatland und geht nach Europa. Dass auch dort alles nicht ganz so einfach wurde, sollte Ira Aldridge erfahren.
Wer war das?
Ira Aldridge wurde als Sohn eines Straßenhändlers und Laienpredigers in New York geboren, er hatte mehrere Geschwister. Als Junge besuchte er die African Free School, ging aber schon bald ab, um Schauspieler zu werden. Damals waren Schwarze fast nur in Sklavenrollen und Vaudeville-Aufführungen zu sehen, jeder ernsthafte Versuch, etwa Shakespeare zu spielen, wurde lächerlich gemacht und mit rassistischen Kommentaren versehen. Mit 17 Jahren, nach dem Tod seiner Mutter, ging Aldridge nach England, da er dort auf bessere Arbeitsbedingungen hoffte. Doch auch London nahm ihn nicht mit offenen Armen auf, wenn auch die Ressentiments subtiler waren und oftmals in der Form von Parodien daherkamen, etwa durch Charles Mathews, den zweiten Mann von Elizabeth Vestris. Aldridge begann in der englischen Provinz zu touren und erreichte bald einen gewissen Bekanntheitsgrad.
Was hat ihn berühmt gemacht?
In diesen Jahren begann er, sich nicht mehr als New Yorker, sondern als Prinz aus dem Senegal auszugeben – er machte quasi Publicity in eigener Sache. Selbst den Beinamen „der afrikanische Roscius“, bezogen auf den berühmten Schauspieler römisch-republikanischer Zeit (vgl. A. Rottloff, Die Berühmten: Schauspieler – Von der Antike bis zur Renaissance, cf. Q. Roscius Gallus), soll er sich selbst gegeben haben. Auch seine spätere zweite Ehefrau gab sich als Baroness aus, um einen höheren Stand vorzutäuschen. Wahrscheinlich befürchteten beide, bei Auffliegen ihrer einfachen Herkunft jegliche Chance auf sozialen Aufstieg zu verlieren. Aldridge spielte Othello, aber auch einige weiße Shakespeare-Helden wie Shylock, Lear und Richard III., sogar als Hamlet soll er Erfolge gefeiert haben. Er karikierte zugleich die gegen schwarze Schauspieler bestehenden Vorurteile, indem er am selben Abend zunächst Shakespeares Othello, dann aber als Nachspiel eine Sklavenburleske spielte, die in dem damals extrem populären Lied vom „Opossum auf dem Gummibaum“ gipfelte. Er lockte also die Leute mit ihren Vorurteilen ins Theater, um ihnen dann einen klassischen Othello zu präsentieren, danach aber genau das, was sie eigentlich erwartet hatten – er spielte mit ihnen.
Ira Aldridge als Aaron in Shakespeares Titus Andronicus.
Schwarzer Mann – weiße Frau
Ein besonders kritisches Thema war um die Mitte des 19. Jhs. die Beziehung zwischen einem schwarzen Mann und einer weißen Frau. Dies wird besonders deutlich an den Kritiken, die Aldridge als Othello erhielt – viele Kritiker monierten seinen angeblich zu brutalen Umgang mit seiner jeweiligen Desdemona. Doch auch das Privatleben des Schauspielers spielte hier eine wichtige Rolle: Aldridge war seit 1825 verheiratet – mit einer Weißen, und auch seine spätere Geliebte und zweite Frau war Europäerin. Daneben hatte er zahlreiche weitere Affären, von seinen insgesamt sechs Kindern sind nur zwei ehelich. Es wird vermutet, dass diese für damalige Zeit unerhörte Promiskuität der Grund dafür war, warum Aldridge nie ein festes Engagement an einem Londoner Theater erhielt und zu andauernden Tourneen gezwungen war. Soweit man auch den „Neger“ zivilisiert glaubte, fürchtete man ihn insgeheim doch, insbesondere wenn es um die „Ehre“ der weißen Frau ging.
Bald war er die englische Provinz leid und wandte sich dem Kontinent zu, wo er fast alle Länder inklusive Deutschland bereiste und bei Theatergastspielen Furore machte. Ob es den Zuschauern dabei wirklich um seine schauspielerische Leistung ging, oder aber um den simplen Reiz des Exotischen, sei dahingestellt. Er reiste bis nach Russland, wo er sogar in der Landessprache auftrat, als er diese soweit erlernt hatte, dass er sich verständlich machen konnte. Immer spielte er daneben auch mit dem „Neger-Klischee“ und somit mit den (falschen) Erwartungen seines Publikums. Er starb in Lodz/Polen auf einer Tournee.
Was bleibt?
Obwohl Ira Aldridge um die Mitte des 19. Jhs. in ganz Europa sehr populär war und sich im Laufe der Jahre auch einen beträchtlichen Reichtum erarbeiten konnte, fehlt er in fast allen großen Theatergeschichten der Zeit. Das liegt sicher daran, dass er eben nur mittels Gastspielreisen berühmt wurde, nicht jedoch durch feste Ensemblezugehörigkeit. Trotzdem ist Aldridge eine wichtige Figur der Bühnengeschichte und war nicht nur für viele schwarze Schauspieler späterer Generationen ein Vorbild. Es ist dies zudem eine außergewöhnliche Biografie für die Zeit vor und während des amerikanischen Bürgerkrieges – in Amerika bekämpften sich Männer bis aufs Blut, damit solche Lebensgeschichten wie die des Ira Aldridge nicht zustande kämen.