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Epilog

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Liebe Cellula Karzinoma,

du irrst dich, ich schaue nicht seelenruhig zu. Um es in deinen Worten auszudrücken, fand ich unsere Koexistenz lange Zeit gemütlich. Sie war ein harmo­nisches Geben und Nehmen im Sinne positiver Abhän­gigkeit. Doch Bewunderung und Respekt schlugen um in eine Konkurrenz, die ich nicht wollte. So ging die Syste­matik verloren, und am Ende steht der Kampf ums Dasein.

Ich rate dir: Schmeiß deinen Super-Kopierer aus dem Fenster und konzentriere dich wieder aufs Wesentliche. Das ist effizienter und du kannst dir in Ruhe Gedanken um eine sinnvolle Karriere machen, denn du hast das Zeug dazu.

Ich heiße nicht umsonst Odyssea. Als Liebhaberin der antiken Mythologie weiß ich ganz genau, dass ich mein Ziel eines Tages erreichen werde. Wenn also Inseln der Verlockung und sagenhafte Wesen zu diesem Weg gehören, dann soll es so sein.

Als Protagonistin der Feldforschung in meinem Körper hast du ebenso wie ich erkannt, dass es für uns beide kein passendes Raster gibt. Deshalb ist es zwar schade, aber auch nicht wirklich schlimm, dass uns die Teil­nahme an einer klinischen Studie durch die Lappen geht. Denn wir wären nicht wir, wenn wir eindeutig kategori­sierbar wären.

Lass uns akzeptieren, dass das Leben endlich ist, dass viele Anstrengungen umsonst erscheinen und es dennoch wert sind, sie zu unternehmen. Abschließend, meinet­wegen als Forschungsergebnis, bleibt mir nur zu sagen, dass es die einfachen Dinge des Lebens sind, die zählen und meist am besten funktionieren. Was hältst du davon?

Deine Odyssea

Die Voruntersuchungen in der Uniklinik waren abgeschlossen, der Ganztagstermin direkt vor der OP war zäh, aber auch interessant. In der Klinik für Nuklearmedizin bestaunte ich meinen markierten Wächterlymphknoten, der vor Freude brillierte und aussah wie ein Kefirknollen oder ein kleiner Blumenkohl. Ich bekam sofort Hunger. Großzügig stimmte ich der während der Operation geplanten Knochen­markpunktion zu. Das war ja meine kleinste Übung. Der Anästhesistin vertraute ich im Aufklärungs­gespräch an, dass die vorgesehene Beatmungs­maske problema­tisch für mich werden könne, weil mir dabei die Gräueltaten der Nazis in den Sinn kämen, und bat sie mit treuem Blick um eine Art Vorbetäubung. Sie lachte und geneh­migte mir scherzend soviel Rotwein, wie mein Herz begehrte, nur eben nicht im Krankenhaus oder direkt vor dem Eingriff. Rot­wein? Stand womöglich in den Akten, dass ich beim Erst­gespräch im Brustzentrum betont hatte, ab und zu ein Glas Rotwein sei gut fürs Herz? Die bei jeder Gelegenheit auszufüllenden Klinik­vordrucke lösten nämlich mit der Frage „Trinken Sie regelmäßig Alkohol? Wenn ja, wie häufig/wie viel?“ automatisch ein Schuldgefühl bei mir aus, und so hatte ich hinzugefügt, dass ich ab und zu ein Glas Rotwein fürs Herz schlürfe. Gewissen beruhigt.

Egal, der nächste Tag, der Geburtstag meiner Schwester, würde mein Glückstag sein. Ich schrieb einen Brief und grüßte alle, die den Tag mit ihr am Bodensee verbrachten, damit sie sich dort keine Sorgen machten.

YOHO oder das Geheimnis des Unsichtbaren

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