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Hoch über dem Gardasee – der Monte Baldo

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In Pietramurata führt unser Weg ins wilde Bergsturzgelände der Marocche di Dro. Der Pfad verliert sich manchmal fast im Buschwald. In den Lichtungen ist Reif auf den Gräsern. Die Perückensträucher leuchten in flammenden Gelb- und Rottönen. Kein Mensch begegnet uns in diesem urwüchsigen, kargen Gelände. Schwärme von Staren sammeln sich, ruhen sich aus auf ihrem Weg in den Süden. Immer weiter dringen wir in die Wildnis ein, die Kiefern werden krüppeliger, der Bewuchs dürftiger. Schließlich sind wir in einem Irrgarten aus wirr übereinander getürmten, haushohen Blöcken. Bei Dro beginnt der landwirtschaftlich nutzbare Talgrund. Obstplantagen und Weinberge wechseln sich ab. Über die Wallfahrtskirche Santa Maria di Laghel erreichen wir Arco.

An San Luigi vorbei folgen wir Wirtschaftswegen nach Nago. Die Kapelle ist zerfallen, an deren Stelle ist eine große Schweinezucht getreten. Hinter Nago steigen wir auf dem »Sentiero della Pace«, dem Friedensweg, an. Besonders am Kamm des Dos dei Frassini sind noch viele Reste der Gebirgsfront des Ersten Weltkriegs erhalten. Auf rund 1100 Metern müssen wir an der Sorgente Aqua d’Oro für diesen und den nächsten Tag Wasser holen. Auf einer Tafel steht warnend »aqua non potabile« – kein Trinkwasser! Wir haben keine andere Wahl. Bis zum Mittag des nächsten Tages gibt es unterwegs kein Wasser. Die Hütte am Gipfel hat bereits geschlossen. So füllen wir unsere Flaschen und Wasserbeutel, geben Desinfektionsmittel zu. Mit acht Liter Wasser beladen werden die Rucksäcke jetzt richtig schwer. Mühsam steigen wir weiter auf. Am Monte Varagna schimmert etwas Sonne durch den dichten Hochnebel – wir ziehen mit neuem Elan weiter. Schließlich stehen wir über dem Nebelmeer und sehen vor uns den Gipfel des Altissimo aufragen. Nun gibt es kein Halten mehr. Es zieht uns förmlich über die bereiften Herbstwiesen zum Gipfel. Dort werden wir von einer umfassenden Fernsicht über das wogende Wolkenmeer hinweg belohnt. In der Dämmerung löst sich der Nebel auf. Der Gardasee liegt tief und dunkel unter uns. Er ist von einem dünnen Schleier bedeckt, an seinen Ufern leuchten Straßenlaternen. Der Himmel färbt sich langsam von zartem Rosa in ein dunkles Nachtblau.

Morgens steigen wir zur Bocca di Navene ab. Wir sind zeitig unterwegs, überraschen ein paar Gämsen, die in die steilen Schrofen flüchten. Weiter unten queren drei Rehe unseren Weg. An der Colma di Malcesine können wir nicht nur im Schatten schöne Reif- und Frostbildungen an den Gräsern bestaunen, sondern auch bibbernde Seilbahntouristen in T-Shirt und Sandalen. Nachdem wir unsere Wasser- und Teevorräte in einer Hütte auffüllen konnten, wandern wir weiter. In den Karen stehen Gämsen. Über uns kreist ein Adler und tief unten liegt der See. Mit der Punta Telegrafo erklimmen wir den letzten nennenswerten Gipfel unserer Route. Es wäre schön, hier einfach zu bleiben, im Winterraum des Rifugio Telegrafo. Aber ohne Wasser oder Schnee müssen wir absteigen. Das private Rifugio Fiori del Baldo hat ganzjährig geöffnet. Zwar kann man dort nicht übernachten, aber wir wollen ja nur unsere Wasserreserven füllen. Dies wird überraschend kompliziert: Die Hüttenwirtin ist der Meinung, dass Zelten zu gefährlich sei und sie uns deshalb zu unserem Schutz kein Wasser verkaufen könne. Dem Hütten-Opa verdanken wir nach langer Diskussion doch noch den gnädig geduldeten Kauf von drei Litern. Die Dämmerung ist jetzt nah. Im letzten Licht erreichen wir einen geeigneten Platz und schlafen durstig ein.


Am Aufstieg zum Monte Altissimo di Nago


Unterwegs zum Hauptmassiv des Monte Baldo

Beim Frühstück teilen wir unser Wasser genau ein. Über Wiesen steigen wir ab, vereinzelte Buchen tragen herbstliches Laub. Die Bäume stehen dichter, wir tauchen in den Wald ein. In seinem Dunkel umfängt uns der Klang hunderter »Handys«: Jäger sind mit ihren stöbernden Hunden auf Hasenjagd. Jeder Hund hat einen elektronischen Krachmacher umgebunden. Diese verursachen die seltsame Geräuschkulisse, die wir nun zu hören bekommen: ein Herbstsonntag in Italien – Jagdsaison! Endlich erreichen wir Caprino Veronese. Nach stundenlangem Wasserrationieren gibt es wieder genügend zu trinken!

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