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Pythagoras: Zahl und Natur

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Wir kommen nun zu einem der geheimnisvollsten Gestalten der Antike, zu Pythagoras (ca. 570–510 v. Chr.). Bei Pythagoras wird deutlich, dass religiöses und naturwissenschaftliches Denken noch sehr eng verwoben sind. Für ihn gab es keinen Grund, diese beiden Bereiche zu trennen. Aber religiöses Denken war bei Pythagoras nicht an die griechischen Göttermythen gebunden, er folgte einer ganz anderen Tradition der Religion, nämlich der der Mysterienkulte. Sie hatten sich schon lange vor Pythagoras gebildet und waren im 6. Jh. in stürmischer Entwicklung begriffen. Diese Religionen waren – im Gegensatz zu den traditionellen Religionen – darauf aus, den inneren Weg zu den Göttern zu finden, die Seele in Kontakt mit der göttlichen Welt zu bringen.

Pythagoras wählte einen ganz anderen Weg als die bisher besprochenen Naturphilosophen. Er ging nicht von einem materiellen Urstoff aus, er legte – getreu seiner Vorstellung von der immensen Wichtigkeit der Mathematik – die Zahlen als das Wesentliche der Natur fest, ein abstrakter Urstoff gewissermaßen. Alles ist Zahl! So könnte man das naturwissenschaftliche Programm des Pythagoras beschreiben.

Ausgangspunkt dieser Sichtweise war vielleicht die Beschäftigung mit schwingenden Saiten, eingebaut in ein einfaches Musikinstrument, dem Monochord. Hier ist eine Saite zwischen zwei Keile gespannt. Zupft man diese Saite, so ertönt ein Klang, dessen Höhe von der Länge der Saite (und deren Spannung) abhängt. Pythagoras ging diesem Zusammenhang nach; in einem gewissen Sinne experimentierte er (oder vielleicht erst seine Schüler) als Erster in der Geschichte der Naturwissenschaft auf systematische Weise. Der Zusammenhang zwischen Tonhöhe und Länge der Saite ließ sich in einfacher mathematischer Form darstellen: Je kürzer die Saitenlänge, desto höher der Ton (bei gleicher Spannung der Saite). Aber es war noch faszinierender: Durch Verkürzung auf die Hälfte verdoppelte sich die Tonhöhe. Hört man nun zwei Töne verschiedener Höhe gleichzeitig, so empfindet man den Zusammenklang interessanterweise dann als besonders schön, wenn das Tonhöhenverhältnis und damit die Saitenlängen in einem einfachen Zahlenverhältnis stehen, z.B. 1:2, also gleichzeitig ein Ton mit einem Ton der doppelten Höhe (das wird dann Oktave genannt). Auch beim Längenverhältnis 2:3 oder 3:4 ergibt sich eine angenehme Hörempfindung, eine – wie Pythagoras sich ausdrücken würde – Harmonie.

Was nun für die Saiten und Töne gilt, glaubte Pythagoras im gesamten Kosmos vorzufinden, wenn auch in verborgener Form. Die Grundlage des Kosmos sei Harmonie, und sie lasse sich mathematisch ausdrücken. Die mathematische Formulierung von Naturzusammenhängen ist somit auf Pythagoras oder zumindest die Pythagoräer zurückzuführen. Sie hat die Naturwissenschaftler nicht mehr losgelassen, auch wenn die eigentliche Mathematisierung erst 2000 Jahre später mit voller Wucht einsetzen wird. Sie ist für immer mit dem Namen Pythagoras verbunden.

Ein weiteres großes Verdienst von Pythagoras bzw. seinen Schülern ist die Idee der Kugelgestalt der Erde. Wie er oder seine Schüler darauf kamen, ist unbekannt. Es könnten vielleicht genaue Beobachtungen von Mondfinsternissen gewesen sein, die den runden Schatten der Erde zeigen, oder auch die Beobachtung von herannahenden Schiffen, deren Masten und Segel zuerst sichtbar werden. Vielleicht waren es auch theoretische Erwägungen, denn die Kugel galt als vollkommener Körper, insofern also geeignet für die Erde. Auf jeden Fall setzte sich seit dem Ende des 6. Jhs. v. Chr. die Auffassung von der Kugelgestalt der Erde langsam durch.

Von Pythagoras zur Quantenphysik

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