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Platon: Die Welt der Ideen
ОглавлениеAlle diese Gedanken der Naturphilosophen hielten auch Einzug in die damalige kulturelle Hauptstadt Europas, Athen. Viele Philosophen fanden sich dort ein, das 5. Jh. v. Chr. war die große Blütezeit dieser Stadt, insbesondere in militärischer Hinsicht. Doch während sich das militärische und politische Blatt im letzten Drittel dieses Jahrhunderts wendete – Athen verlor gegen Sparta den schlimmen Peloponnesischen Krieg – blieb das philosophische Denken der Stadt treu und brachte die beiden wahrscheinlich einflussreichsten Philosophen des Abendlandes hervor: Einer von ihnen, Aristoteles, sollte dabei auch die Naturwissenschaften ganz entscheidend voranbringen. Doch Aristoteles war selbst Schüler von Platon. Platon hat zwar für die Naturwissenschaft bei weitem nicht die Bedeutung wie sein Schüler, doch haben seine Theorien alle Denker der späteren Zeit inspiriert.
Insbesondere stellte Platon die Frage nach den Grundlagen der Erkenntnis: Wie können wir überhaupt etwas über die Welt wissen? Und diese Frage ist natürlich auch für die Naturwissenschaft entscheidend. Grundlage seiner Theorie ist der Gedanke, dass es über oder hinter unserer Welt der Gegenstände, Tiere und Menschen, also der Wirklichkeit des Vergänglichen, noch eine ganz andere Wirklichkeit gibt, die Wirklichkeit der unvergänglichen Ideen. So existiere für alle Wesen der Welt eine unvergängliche Idee, für Nashörner gibt es etwa eine Idee des Nashorns, das reale Nashorn sei eine Erscheinung der Idee Nashorn. Die Urbilder verwirklichten sich in den Einzelerscheinungen unserer Welt der Gegenstände. Das Wissen um die Wirklichkeit, z.B. die Erkenntnis, dass das vor uns stehende Wesen ein Nashorn ist, aber auch das Wissen, dass bestimmte Taten gut, andere schlecht sind, sei nichts anderes als eine Wiedererinnerung der menschlichen Seele an ihre Zeit vor der Geburt, als sie im Reich der Ideen weilte und dort all diese Ideen sehen und erkennen konnte. Auch Gerechtigkeit und Schönheit sind Ideen; die höchste aller Ideen aber ist die Idee des Guten. Sie ist für Platon Ziel und Ursprung allen Seins.
Die Wahrnehmung durch unsere Sinne ist für Platon nur ein Schauen eines Schattenbildes. Es gebe zwar Ähnlichkeiten des Wahrgenommenen mit dem Wesen, z.B. dem Nashorn, aber das Eigentliche bleibe unseren Sinnen verborgen. Dies führte Platon dazu, Beobachtungen der Natur und insgesamt alles, was greif- und sichtbar ist, als nicht erfolgversprechend auf dem Weg zur Wahrheit einzuschätzen. All das könne nicht zu einem echten Wissen über die Wirklichkeit führen. Das echte Wissen gebe es nur im Reich der Ideen, und der Weg dahin könne nur über Nachdenken und Intuition führen.
Der Mathematik wird daher eine große Rolle zugewiesen. Denn mathematische Objekte sind der Welt der Ideen ganz nahe, sie erschließen sich durch reines Denken. Hier ist der Einfluss der Pythagoräer klar zu sehen. Eine besondere Bedeutung für die Natur haben die platonischen Körper. Dabei handelt es sich um fünf verschiedene spezielle Polyeder. Ein Polyeder (vom Griechischen poly [viel] und hedros [Fläche]) ist ein Körper, der von ebenen und geradlinigen Flächen begrenzt wird, also ein Quader zum Beispiel. Der Quader aber ist kein platonischer Körper, denn diese müssen noch als zusätzliche Eigenschaft haben, dass ihre begrenzenden Flächen gleichseitige Vielecke sind, und in jeder Ecke müssen gleich viele dieser Vielecke zusammenstoßen. Das bekannteste Beispiel ist der Würfel, der auch als Hexaeder (vom griechischen Wort hex[sechs]) bezeichnet wird: Er wird von sechs Quadraten begrenzt, also gleichseitigen Vierecken, und in jeder Ecke des Würfels stoßen drei dieser Quadrate zusammen.
Es gibt tatsächlich Beweise dafür, dass es nur fünf solcher Körper geben kann, und die Griechen haben mindestens einen dieser Beweise auch gekannt. Abb. 3 zeigt alle fünf, ganz links das Tetraeder mit vier gleichseitigen Dreiecksflächen, rechts folgen dann der Würfel, das Oktaeder mit acht gleichseitigen Dreiecksflächen, das Dodekaeder mit zwölf gleichseitigen Fünfecken und schließlich das Ikosaeder mit 20 gleichseitigen Dreiecksflächen.
Abb. 3: Die platonischen Körper
Platon hatte eine originelle Theorie zum Aufbau der Materie, er vereinigte die Vier-Elemente-Lehre des Empedokles und die Atomtheorie des Demokrit mit seiner Ideenlehre. Die Materie bestehe – da stimmte Platon dem Empedokles zu – aus den vier Elementen. Diese Elemente aber müssten auch im Reich der Ideen eine (vollkommene) Entsprechung haben. Platon ordnete nun jedem der vier Elemente einen der vier platonischen Körper zu, das Tetraeder sei die Idee des Feuers, die Erde wurde dem Würfel, Luft dem Oktaeder, Wasser schließlich dem Ikosaeder zugeordnet. Die realen Elemente bestünden nun aus Atomen (wie Demokrit schon sagte), die Form der Atome sei aber je nach Element verschieden: Feueratome seien winzig kleine Tetraeder, Erdatome entsprechend winzige Würfelchen etc. Diese Wahl war dabei nicht willkürlich, für das Feuer beispielsweise wurde das Tetraeder wegen seiner spitzen Winkel und Kleinheit gewählt, daher sei es leicht und komme überall hindurch.