Читать книгу Equinox Paradox - Andreas Knierim - Страница 5

Оглавление

Königin Rachel

Wenn die Mitarbeiter des Kreativ-Studios De|Sign hätten wählen können, sie hätten sich entschieden, diesen Tag, diesen Freitag im Mai für immer aus ihrer Erinnerung zu löschen.

Dabei war alles wie immer gelaufen:. Rachel Rutenberg parkte vor den Bürotürmen der Hafencity, stieg aus ihrem stahlgrauen Aston Martin DB 5, Baujahr 1964. Weit durfte man diesen Klassiker nicht bewegen, doch auf dem Weg zwischen ihrem Penthouse im Marco Polo Tower zum Studio klickte der analoge Kilometerzähler sowieso nur zwei Mal.

Aus den Lautsprechern wummerte La Traviata und erstarb in derselben Sekunde. Sie schritt mit strammen Schritten zum Vorstandsaufzug, der sie - nonstop - in die zweiundzwanzigste Etage katapultieren würde.

»Freitag«, dachte Rachel, »Freitag ist der schönste Tag der Arbeitswoche.«

Alle waren schon halb im Wochenende und sie machte sich bereit, ihren Leuten dieses wollige Gefühl inklusive Barbecue-Bundesliga-Vorfreude gründlich zu vermiesen. Die Wettbewerber waren nämlich in ähnlichen Weekend-Moods, der eine oder andere Kunde war im Pitch heute zu gewinnen. Der frühe Vogel fängt zwar den Wurm, gefressen wurde er aber am Freitag zum Business-Lunch.

In Etage 22 warteten bereits zwei Lasse und ein Assistent auf Anweisungen - Rachel war ein Gender-Meister, der die beiden Geschlechter virtuos gegeneinander ausspielen konnte. Die drei Mitarbeiter standen selbstverständlich direkt an der Fahrstuhltür, selbstverständlich mit den kleinen Factsheets aus Karton, die Rachel so sehr liebte. Fast mehr liebte als Arthur, ihren Basset Fauve de Bretagne, und Pierre, den Kosenamen für ihren Lieblings-Champagner Dom Pérignon, benannt nach dem Erfinder der Méthode champenoise, Pierre Pérignon. Genau in dieser Reihenfolge: Sheets, Arthur, Pierre.

Auf diesen Fakten-Karten standen in gestochenscharfer Handschrift die Tageziele, die Golden Goals, wie Rachel Rutenberg sie nannte. Diese Ziele mussten eingehalten werden – auch wenn es die ganze Nacht kosten würde bis zu den Tageszielen am nächsten Morgen. Niemals in der vierzehnjährigen Geschichte des Studios waren diese Golden Goals nicht erfüllt worden, niemals. Doch was ist schon ein »Niemals« in der Kreativbranche. Heute Mittag würde wieder der Beweis angetreten, dass Träume ab und zu wahr werden und sich dann, leider, als Alpträume entpuppen.

De|Sign stand für den Kampf der Kreativ-Eitelkeiten, der narzisstisch Gestörten, um die Preise untereinander und danach für den Kampf um die Kunden. In dieser Reihenfolge selbstverständlich, denn das Gewinnen des Golden Löwen auf dem Festivals in Cannes befriedigte das Ego der Kreativen für viele Monate. Erst danach kam die zermürbende Arbeit mit dem Kunden, der die kreative Arbeit eines Studios sowieso nicht verstand und damit auch nicht entsprechend huldigen konnte.

De|Sign war das Werk seiner Gründerin Rachel Rutenberg, deren Auftreten in der Branche immer Angst und dann meerschweinchenhafte Panik mit erfolgloser Schutzsuche auslöste. Ein Designer hätte beim Vergleich des Studios De|Sign mit einem Bienenstock sicherlich die Denkerstirn in Falten gezogen – nicht kreativ genug. Und doch stimmte dieser Vergleich: Die Königin kümmerte sich in ihrem Bau ausschließlich um den Erhalt des Schwarms und, dies traf vor allem auf Rachel Rutenberg zu, hatte dabei einen enormen Verbrauch von Drohnen.

Das Designstudio war streng hierarchisch aufgebaut: An der Spitze die Inhaberin und darunter, Steinchen für Steinchen, die Abteilungen für Kontakt, Controlling und Kreativ-Design. Alle drei Abteilungen verstanden sich, wie es sich für Wirtschaftsunternehmen gehörte, überhaupt nicht und kommunizierten untereinander am liebsten mit E-Mails. Auch wenn sie sich, dank Matrix-Organisation, gegenüber am Schreibtisch saßen. Wer zuviel redete, gab zuviel von sich preis, war die ungeschriebene Regel im Design-Business und die gelebte Regel bei De|Sign.

Equinox Paradox

Подняться наверх