Читать книгу Equinox Paradox - Andreas Knierim - Страница 7
ОглавлениеDer Köder muss dem Angler schmecken
Lasse Torbo überließ bei seiner Rachel-Rache nichts dem Zufall. Er kaufte sich sogar eine Projektmanagement-Software, um den Überblick zu behalten. Den Überblick über die Zerschmetterung des Imperiums von Rachel Rutenberg und damit von Rachel Rutenberg selbst, da war sich Lasse sicher.
Er musste Rachel an ihrer empfindlichsten Stelle treffen, ihre Eitelkeit. Und diese Eitelkeit war mit ihrem Lebenswerk so gut wie verwachsen: De|Sign. Würde er das Studio ins Chaos stürzen, wäre es auch schnell um den Ruf von Rachel Rutenberg geschehen.
Lasse wusste aus Designer-Erfahrung, dass sich Kunden ungern länger an ein einzelnes Studio binden wollten. Zu groß waren die Befürchtungen der Top-Executives, dass diese »Designheinis« in ihrer hemmungslosen Selbstverliebtheit das Klientel nach Strich und Faden ausnehmen wollten. Zudem war die Kreativität unter den Designer eher dünn gestreut, die Geschäftsführer und Inhaber von Studios mussten schnell einen neuen Kunden aus der Schublade ziehen. Oder Präsentationen gegen andere Studios gewinnen in den so genannten »Pitches.«
Lasse hatte es genau auf die zwei Pitches abgesehen, die am Donnerstag dieser Woche in den Studioräumen von De|Sign über die Bühne gehen sollten. Zwei Interessenten hatten sich angekündigt, die Mitarbeiter von De|Sign waren seit drei Tagen und drei Nächsten mit der Präsentation des neuen Produktdesign beschäftigt.
Rachel Rutenberg hatte erst in der Woche davor erfahren, dass sich ihr bisher größter Kunde aus der Automobilbranche anders orientieren und ein international erfahrenes Studio mit dem neuen Budget betrauen wollte. Sie war dafür bekannt, nicht eine Zehntel Sekunde zu zögern sondern ruhig und locker zu handeln– zumindest nach außen hin. Hinter den Kulissen telefonierte sie mit vier Marketingverantwortlichen und erreichte bei Zweien die kurzfristigen Wettbewerbspräsentationen. Nur die Zartbesaiteten der Branche würden bei Rachels Methoden von »Erpressung« sprechen. Einer ihrer Opfer war Robert »Bob« Degenhardt, Marketinggebieter über Shampoos und Kosmetika.
»Hallo Bob, was machen die Geschäfte? Verkauft ihr überhaupt noch etwas, ich sehe weder Spots noch Plakate.«
Bob kannte sich mit Eröffnungsphrasen von Rachel Rutenberg hervorragend aus. Sie rief nur an, wenn sie am Schluss des Telefonats etwas für sie heraussprang. Profane Fragen zur Verkaufs- und Renditeentwicklung hatten ihre Mitarbeiter aus dem Controlling sicher längst wasserdicht ermittelt.
»Nein Rachel, wir verkaufen unsere Shampoos hervorragend. Übrigens mit Hilfe von Fernsehspots und Plakaten.«
»Spaß beiseite, Bob. Natürlich habe ich die Spots und Plakate gesehen. Ich glaube allerdings, nur ich habe das grottenschlechte Design euerer Verpackung wahrgenommen und nicht eure Zielgruppe.«
Bob Degenhard kannte auch diesen Part des Dialoges nur zu gut. Rachel würde die Qualität des Wettbewerbs ohne viele Worte in Grund und Boden stampfen. Er entschloss sich zu einer Abkürzung: »Dies führt uns, liebe Rachel, zu einem Pitch, in dem du zeigen kannst, es besser zu machen?«
»Brav, liebster Bob, sehr brav. Wäre diese Woche Donnerstag Recht?«
Diese Verabredung hatte den Charme eines Dates mit einer Domina, der keinesfalls zu widersprechen war. Bob kannte Rachels Terminansagen seit vielen Jahren. Eine dieser »Terminanfrage« war ihm am besten und leichtesten im Gedächtnis geblieben. Kurz nach Rachels und – leider – kurz vor seinem Orgasmus in ihrem kuscheligen Penthouse-Kingsizebett.
»Rachel, ich versuche, den Vorstand am Donnerstag mitzubringen.«
»Wie du weißt, ist der Versuch immer zu schwach. Ich freue mich schon sowohl auf den geschätzten CEO als auch auf dich. Bye, bye.«
»Auf Wiedersehen, Rachel« sagte Degenhard in sein, längst totes Telefon und fühlte sich sogleich an den Coitus Interruptus im Penthouse erinnert. Jetzt musste er auch noch den CEO überzeugen, den Chief Executive Officer, früher profan als Geschäftsführer bezeichnet.
Der Verlust eines großen Kunden brachte zusätzlich »Druck auf die Pfeife« für die beiden Präsentationen am Donnerstag – mindestens ein Pitch musste gewonnen werden. Und zwar so deutlich gewonnen werden, dass sich die Unternehmensspitzen am besten gleich für das neue Studio mit dem neuen Design der Produkte entscheiden würden.
Lasse hat das Telefonat durch die Glasscheibe miterlebt, unschwer erraten, dass Rachel erfolgreich gewesen war. Beim Pitch, bei einem dieser Design-Achillesfersen wollte Lasse seinen Boss packen. Am liebsten hätte er natürlich einen Virus wie bei Twelve Monkeys in das Studio eingeschleppt, um die Designmenschheit möglichst auszurotten. Dafür war aber die Zeit zu kurz, selbst ein Grippevirus brauchte seine Zeit, um sich durch Etagen zu schleppen.
Was wäre damit besser als ein hübscher Drogencocktail, um die Ablauf »ein bisschen« durcheinander zu bringen. Eine schnell wirkende Droge, so massenhaft verabreicht wie vielleicht in Woodstock? Kein Chance bei den, inzwischen, rational handelnde Designkollegen. Da kamen schon mal Alkohol und, gerne auch regelmäßig, Tabletten wie Prozac (hebt dich nach oben) oder Valium (holt dich wieder runter) im Spiel. Nur: Flächendeckend nahm keiner der Angestellten irgendetwas ein, vor allem nicht vor Existenzentscheidenden Präsentationen.
Rachel Rutenberg war dabei das Sonderproblem – sie schluckte irgendwie gar nichts, dass konnte Lasse schon damals anhand ihres Badschränkchens und ihrer Handtasche überprüfen. Sie war so clean wie ein Junkie nach zwei Wochen Entzug, sie erlaubt sich am Wochenende, das meinte bei ihr den Freitag- und Samstagabend, maximal zwei Gläser Champagner des bekannten Dome Perignan.
Lasses Chance war ein Mann namens Herbert Weinstein, ein Kenner der Branche und ebenso stilsicher. Er hatte ihn vor einer Woche bei einer Studioeröffnung kennen gelernt – Weinsteins Ruf in Branche war fabelhaft. Nichts, was er nicht »besorgen« konnte, er war aber eben kein Dealer im eigentlich Sinne. Eher ein Freund, der sich um seine Freunde kümmerte. Über eben diese Freunde hatte Lasse Torbo erfahren, dass Weinstein Anfang dieser Woche etwas Neues für »my dear friends« in Vorbereitung hatte: Equinox – die Perle Kolumbiens.
Allein schon der Name hatte diesen seltsam verführerischen Klang, den Lasse in seiner Design-Arbeit so liebte: Sofort fingen seine Synapsen an, die begehrten Neurotransmitter zu feuern, die Gehirnzellen kommunizierten und schickten Ideen zum Aussehen des Produktes und seiner Verpackung. Nur, für dieses Produkt brauchte man fast nur word-of-mouth, die Mundpropaganda. Nur Anfänger sprachen von der, richtig eklige klingenden, »Mund-zu-Mund«-Propaganda.
Aber über Equinox hatte er von Weinstein persönlich so gut wie gar nicht erfahren. Weder die Erwähnung des Namens, noch sein Angebot, finanziell größer einzusteigen, fruchteten bei Dr. h. c. Herbert Weinstein.
»Hallo Dottore Weinstein, störe ich Sie?«
»Nein, Sie stören doch nie, mein Freund. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich fall' mal mit der Tür ins Haus: Wir nähern uns ja der Tagundnachtgleiche und ich wäre Ihnen verbunden, wenn wir das Datum etwas vorverlegen könnten!«
Weinstein staunte über Lasse Torbos Kenntnisse – da hatten wohl einige der Präsentationsgäste im Adlon geplaudert. »Wie soll ich es Ihnen sagen: Wir sind mit der Produktion etwas in Rückstand. Könnten wir dazu, sagen wir, in einer Woche wieder telefonieren?«
Lasse erkannte, dass das die Strategie war, die er praktisch schon als Kind gelernt hatte: Keep the market short. Nur wenn die Ware knapp gehalten wurde, bissen vor allem die Fische an, die richtig scharf drauf waren. Und da war Weinstein der ungekrönte König des Marketing, der das Produkt eben künstlich verknappte, um die zappelnden Fischchen bei Laune zu halten.
Lasse wurde deutlich: »Das würde bei einigen meiner Kollegen doch zu erheblichen Problemen führen. Wie wäre es mit einer kleinen Vorablieferung morgen oder übermorgen?«
So leicht ließ sich Lasse eben nicht einschüchtern: Er würde den Spieß respektive die Angel einfach umdrehen. Sein Köder für Weinstein sollte am nächsten Tag so dick sein, dass Weinstein »schnapp, schnapp« zubeißen würde - und sich daran verschlucken sollte.
»Da lässt sich sicher etwas machen« sagte Weinstein. Und hing am Haken.
Und warf gleichzeitig die eigene Angel aus. Die goldene Schlange biss sich in den eigenen Schwanz.